Prozess wegen versuchten Totschlags:Messer in der Brust

Lesezeit: 2 min

28-Jähriger greift Bekannten auf Weg zu Substitutionspraxis an

Von Andreas Salch

Philipp F. hat klare Ziele: keine Drogen mehr. Außerdem will er Kontakt zu seinem sechsjährigen Sohn aufnehmen, den er kaum kennt, und einer Arbeit nachgehen. Doch bis zur Erfüllung dieser Wünsche hat der 28-Jährige mit Sicherheit noch einen langen Weg vor sich. Seit Dienstag muss sich der gebürtige Münchner, der zuletzt in Gilching lebte, vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft legt ihm versuchten Totschlag zur Last.

Philipp F. ist seit vielen Jahren drogenabhängig. Im vergangenen Jahr nahm er an einer Substitutionstherapie teil. Drogen hätte er während dieser Zeit keine nehmen dürfen. Doch das kümmerte ihn nicht. Er konsumierte weiter unter anderem synthetische Drogen und trank Alkohol. Morgens fuhr er von Gilching aus, wo er mit seiner Mutter lebte, nach München. Dort ließ er sich zuletzt in einer Praxis im Westend seine Medikamente verabreichen. So auch am 16. März 2016. Die Nacht zuvor habe er durchgemacht, so F. Um die zehn Bier habe er getrunken. Vor dem Besuch beim Arzt in München sollen es noch einmal ein bis zwei Flaschen gewesen sein. Er habe das jeden Morgen so gemacht, sagte F., "damit mir's normal geht."

Doch an jenem 16. März war nichts normal. Auf dem Weg zu der Praxis in der Bergmannstraße sei er Björn L. ( Name geändert) begegnet. Der 30-Jährige nahm ebenfalls an der Substitutionstherapie teil. Er soll Philipp F. aufgefordert haben, ihm 20 Euro zu geben, die er einer Bekannten schuldete. Philipp F. ging weiter. Björn L. ließ jedoch nicht locker. Die Situation eskalierte immer mehr. Die Männer stritten, schubsten und traten sich gegenseitig mit den Füßen. Schließlich soll Björn L. dem Angeklagten zwei Ohrfeigen gegeben haben. Dieser soll daraufhin ein Messer gezogen und seinen Kontrahenten bedroht haben. In diesem Moment sei Björn L. mit ausgebreiteten Armen auf ihn zugegangen, sagte Philipp F. "Dann stich' halt, wenn'st Dich traust", soll dieser zu ihm gesagt haben. "Ich dachte, er will mich wieder schlagen", erklärte Philipp F. bei seiner Vernehmung und fügte hinzu: "Dann ist es passiert."

Er und Björn L. hätten sich gleichzeitig auf einander zubewegt. "Ich bin aber gleich zurückgegangen", versicherte F. vor Richter Michael Höhne. Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte Björn L. dabei "einen gezielten und wuchtigen Stich auf die Körpermitte" versetzt haben. Die Klinge von F.s Messer drang fünf Zentimeter tief in Björn L.s Brust ein. Die Lunge sei nur durch Glück nicht eröffnet worden, heißt es in der Anklage. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: