Prozess vor der Jugendkammer:Call a Raubopfer

Lesezeit: 2 min

Bei Anruf Überfall: Pizzaboten, die ihre Ware an wenig belebte Stellen ausliefern mussten, liefen Gefahr, ausgeraubt zu werden. (Foto: dpa)
  • Ein Schüler bestellt Pizzadienste an abgelegene Orte - dort bedroht er die Boten und raubt ihnen die Wertsachen.
  • Der 21-Jährige lebte noch bei seinen Eltern und brach mit dem Auto des Vaters zu seinen Verbrechen auf.
  • Der junge Mann hat die Tat bereits gestanden und muss sich nun vor der Jugendkammer des Landgerichts München I verantworten.

Von Christian Rost

Ein Schüler, der im März und April dieses Jahres fünf Pizzaboten überfallen hat, muss sich von diesem Montag an vor der Jugendkammer des Landgerichts München I verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 21-jährigen Mehran M. schwere räuberische Erpressung und gefährliche Körperverletzung vor. Gegen einen 18-jährigen Komplizen, der bei den Taten teils Schmiere gestanden hatte, läuft ein eigenes Verfahren.

Mehran M. bestellte sich laut Anklage zunächst im Internet eine Softair-Pistole, die einer scharfen Heckler & Koch P 30 täuschend ähnlich sieht. Dann suchte er sich gezielt abgelegene Örtlichkeiten in München und im Umland aus, wohin er die Pizzalieferanten lotste. Von öffentlichen Telefonzellen aus rief er laut eigenem Geständnis jeweils am späteren Abend bei den Lieferdiensten mit unterdrückter Nummer an und gab seine Bestellung auf. An den genannten Lieferorten wartete er dann maskiert und mit der Waffe in der Hand auf die Pizzaboten. Am 8. März kam es zum ersten Überfall. In Unterhaching zwang Mehran M. mit den Worten "Geld, Handy" einen Lieferanten zur Herausgabe seiner Wertsachen. 290 Euro und ein Samsung-Handy im Wert von rund 700 Euro musste der Geschädigte dem Räuber überlassen.

Der Täter wohnte noch bei seinen Eltern

Am 17. März traf es gleich zwei Pizzaboten: Zunächst in Unterhaching eine Frau, die M. ihren Geldbeutel mit 250 Euro und ihr iPhone im Wert von 750 Euro aushändigen musste. Bei dieser Tat hielt sich im Hintergrund der 18-jährige mutmaßliche Komplize des Schülers auf, mit dem er die Beute anschließend teilte. Das Mobiltelefon warfen sie weg. Zwei Stunden später, gegen 22 Uhr, überfiel M. dann alleine in Ramersdorf einen weiteren Boten, der sich allerdings beharrlich weigerte, sein Geld und Handy herauszugeben. Er könne ihn erschießen, sagte der Mann zu dem Schüler. Ehe der Täter ohne Beute abziehen musste, trat er dem Geschädigten noch mit seinem Fuß in den Genitalbereich.

SZ-Dienst
:SZ München-News per WhatsApp, Telegram oder Insta

Wissen, was München bewegt: Der WhatsApp-Kanal der Süddeutschen Zeitung bietet einen schnellen und bequemen Nachrichtenservice für die Stadt. Abonnieren Sie ihn kostenlos.

Bei der vierten Tat am 22. März in Hohenbrunn machten Mehran M. und sein Komplize 850 Euro Beute, wobei sie das HTC-Mobiltelefon des geschädigten Pizzaboten später in einem Handyladen verkauften. Der Ladeninhaber wird sich deswegen vermutlich wegen Hehlerei verantworten müssen. Zu seiner letzten Tat am 5. April in Ismaning war der Schüler, der noch bei seinen Eltern wohnte, wie auch in den anderen Fällen mit dem Wagen seines Vaters aufgebrochen. Als er in einer abgelegenen Straße einem Pizzaboten dann seine Pistole vors Gesicht hielt, ergriff dieser die Flucht. An einem Wohnhaus angekommen, läutete er Sturm und wurde auch eingelassen. Er rief sofort die Polizei. Eine Streife konnte den Täter noch in unmittelbarer Nähe festnehmen.

Drogenfund beim Komplizen des Pizzaboten-Räubers

Die weiteren Ermittlungen des Raub-Kommissariats führten schließlich zum Komplizen des Pizzaboten-Räubers. Als Beamte den 18-Jährigen in seiner Wohnung aufsuchten, war er gerade dabei, am Couchtisch Marihuana zu portionieren. Von den Besuchern überrascht, versuchte der junge Mann noch, die Drogen aus dem Fenster zu werfen. Dies misslang, weil das Fenster geschlossen war. Der Drogenfund führte die Ermittler zu zwei weiteren Männern, die offenbar einen schwunghaften Handel mit Betäubungsmitteln betrieben. Jedenfalls trugen der 23-jährige Student und der 19-jährige Schüler bei ihrer Festnahme einen Pappkarton mit 1,8 Kilogramm Marihuana mit sich herum.

Die betroffenen Pizzadienste hatten ihre Fahrer gleich nach Beginn der Raubserie instruiert: Sie sollten ihre Einnahmen mehrmals täglich im Laden abliefern und besonders vorsichtig bei Bestellungen an einsame Orte sein.

Für den Prozess gegen Mehran M. sind drei Verhandlungstage angesetzt.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: