Prozess:Tagesmutter droht lange Haftstrafe

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Auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes kommt in Betracht: Die Tagesmutter Alexandra S. muss unter Umständen lange in Haft.

A. Krug

Der wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagten ehemaligen Tagesmutter Alexandra S. droht unter Umständen eine langjährige Haftstrafe. Die Richter im Schwurgericht machten sie in einem sogenannten rechtlichen Hinweis darauf aufmerksam, dass auch eine Verurteilung wegen versuchten Mordes in Betracht komme.

Am ersten Prozesstag gestand Tagesmutter Alexandra S. (Foto: Foto: ddp)

Die 34-Jährige hatte am ersten Prozesstag gestanden, ein ihr anvertrautes Baby so heftig geschüttelt zu haben, dass das 14 Monate alte Kleinkind an einer Gehirnblutung starb. Dem Notarzt hatte sie damals das Schütteln verschwiegen. Juristisch könnte dies als Verdeckungsabsicht gewertet werden mit der Folge eines anderen Schuldspruches und einer - theoretisch - sogar lebenslangen Haft.

Dass es tatsächlich soweit kommt, ist eher unwahrscheinlich. Die Angeklagte machte am Mittwoch nochmals deutlich, dass sie die Folgen ihres zweimaligen Schüttelns selbst nicht überblickt habe. Das Erbrechen des Babys habe sie fälschlicherweise als Reaktion auf eine kurz zuvor erfolgte Impfung angesehen.

Erst als sie nachträglich über die Gehirnblutung des Buben informiert worden sei, habe sie den Zusammenhang hergestellt. In der Ausbildung zur Tagesmutter sei sie über mögliche Folgen des Schüttelns eines Kleinkinds nie aufgeklärt worden. Eine Schulungsleiterin bestätigte, dass dies erst heute Teil des Lehrplans sei.

Der Tod des Babys hätte indes auch bei sofortiger Offenlegung der Schüttelattacke nicht verhindert werden können. Rechtsmediziner Randolph Penning meinte in seinem Gutachten am Mittwoch, dass aufgrund der Gehirnblutung und des ständig zunehmenden Hirndrucks keine Chance mehr auf eine Rettung bestand.

"Das war nicht überlebbar", sagte Penning. Der Mediziner stellte klar, das jedes Schütteln eines Babys "grundsätzlich brandgefährlich" sei. Wenngleich es auch Fälle von schweren Übergriffen gebe, die völlig ohne Folgen geblieben seien.

Wie auch immer die Strafe gegen Alexandra S. ausfällt, eine Einschränkung ihrer Schuldfähigkeit liegt jedenfalls nicht vor. Ein Psychologe und ein Psychiater bescheinigten der Angeklagten volle Zurechnungsfähigkeit. Sie verfüge über einen Intelligenzquotienten von 102 und "gute Qualitäten".

Sie sei eher ängstlich und introvertiert, ihre Aggressionsbereitschaft liege im unteren Bereich. Auch ihr zeitweilig massiver Alkoholkonsum spiele keine Rolle, da sie zum Tatzeitpunkt nichts getrunken hatte. Ob die Mutter von zwei eigenen Kindern mit der Aufsicht über drei weitere Kleinkinder damals "überfordert" gewesen sei, entziehe sich einer psychiatrischen Beurteilung. "Überforderung ist ein gern benutztes Schlagwort", sagte der Psychiater Bela Serly. Strafrechtlich relevant sei dies aber nicht. Der Prozess wird heute fortgesetzt.

© SZ vom 18.06.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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