Prozess in München:Wie ein junger Dealer einer harten Strafe entging

Lesezeit: 2 min

  • Zwei Drogendealer mussten sich vor dem Münchner Amtsgericht verantworten.
  • Die beiden 20-Jährigen sind sehr unterschiedlich bestraft worden.
  • Während der eine 18 Monate auf Bewährung bekam, muss der andere vier Jahre ins Gefängnis.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Prozesse nach Jugendstrafrecht finden gewöhnlich hinter verschlossenen Türen statt. Zumal für die Gerichte die Erziehung und nicht die Bestrafung im Mittelpunkt steht. Das gilt oft auch für Heranwachsende, 18 bis 20 Jahre alt, mit verzögerter Reife der Persönlichkeit. Das Amtsgericht München gibt nun, streng anonym, Einblick in ein Verfahren gegen zwei junge Dealer. Einer kommt aus dem Irak, der andere aus Kuba. Weil der 20-Jährige aus dem Nahen Osten sich einsichtig zeigte und in der U-Haft seinen Schulabschluss nachholte, kam er vergleichsweise glimpflich davon: ein Jahr und sechs Monate mit Bewährung. Der gleichaltrige und mehrfach vorbestrafte Mittäter aus der Karibik schwieg dagegen vor Gericht zu den Vorwürfen. Er muss vier Jahre hinter Gitter.

Die beiden hatten Ende Dezember 2014 von einem Dealer am Pariser Platz mindestens 300 Gramm Marihuana für 2400 Euro erstanden, um es weiterzuverkaufen. Den Stoff lagerten sie in dem Safe eines Hotelzimmers, zusammen mit zwei Schreckschusspistolen, die sie, wie es später hieß, zu ihrer Verteidigung bei den Drogengeschäften und zur Durchsetzung ihrer Geldforderungen benötigten. Die 20-Jährigen lebten nach Erkenntnissen der Strafermittler zu diesem Zeitpunkt noch bei den Eltern und verbrachten die Tage vorwiegend "mit Partymachen und Kiffen".

Geständnis und ein Schulabschluss

Der Iraker ist das drittälteste von fünf Kindern. Im August 1998 war er mit der Mutter und den übrigen Geschwistern nach Deutschland geflohen. Nach der Erstaufnahmeeinrichtung in Landsberg am Lech kam die Familie in eine Gemeinschaftsunterkunft nach Chemnitz. Im Jahr 2000 folgte die Anerkennung des Flüchtlingsstatus. Die Familie zog mehrmals um: Erding, Wilhelmshaven, Hamburg und München. Die Mittelschule verließ der junge Mann in der neunten Klasse ohne Abschluss. Er machte dann ab und zu Gelegenheitsjobs. Sein Vater ist seit 1997 in Deutschland: Der ausgebildete Agraringenieur betreibt einen Obst- und Gemüsestand in München. Die Mutter ist Lehrerin. Die Familie lebt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung. Der angeklagte 20-Jährige hat kleine Straftaten in seinem Register.

"Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er sich, zumindest was seinen Tatbeitrag anging, geständig und einsichtig zeigte", hieß es bei der Urteilsbegründung. "Zu seinen Gunsten war auch zu sehen, dass er sich in dieser Sache über sechs Monate in Untersuchungshaft befand, die Haftzeit genutzt hat, um insbesondere sich mit seinem schädlichen Drogenmissbrauch auseinanderzusetzen und den Schulabschluss nachzuholen." Der Angeklagte hatte 21 Sitzungen bei der Drogenberatung wahrgenommen und bei Condrobs für den Fall einer Haftentlassung Termine vereinbart. Er hat den Schulkurs der Justizvollzugsanstalt besucht, den qualifizierenden Hauptschulabschluss nachgeholt und möchte den Mittlere-Reife-Abschluss machen.

Der zweite Dealer zeigt sich uneinsichtig

Der zweite Angeklagte, geboren in Havanna, wuchs bis zu seinem neunten Lebensjahr bei den Eltern auf. Die Mutter arbeitete in Kuba als Computerprogrammiererin und unterrichtete Kinder. Der Vater war alkoholkrank und gewalttätig. 2003 entschied sich seine Mutter aufgrund besserer Lebensperspektiven für die Auswanderung nach Deutschland, sie zog zu einem Deutschen. Das Kind blieb zunächst bei der Großmutter in Kuba. Nach zwölf Monaten holte die Mutter den Jungen nach. Er besuchte die Hauptschule und machte 2011 den Hauptschulabschluss. Eine Ausbildung hat er nicht.

Der 20-Jährige ist wegen Diebstahls, Einbruchs und Körperverletzung vorbestraft, zuletzt bekam er eine Jugendstrafe von zwei Jahren. Er war bereits längere Zeit in Haft. Zur Tatzeit hatte er nach eigenen Angaben über Wochen hinweg immer wieder in größerem Ausmaß Marihuana gekauft. Die Ermittler sagen, er verfügte im fraglichen Zeitraum über weit mehr als 4000 Euro, die durch einen legalen Erwerb nicht erklärbar seien.

Das Gericht begründete seine harte Jugendstrafe: "Nachdem der Angeklagte bereits vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, bereits hafterfahren ist, er auch kein Geständnis abgelegt hat, welches zu seinen Gunsten hätte berücksichtigt werden können, musste eine deutlich höhere Jugendstrafe als beim Mittäter verhängt werden." Das Gericht riet ihm dringend, während der Zeit im Gefängnis an seinen Persönlichkeitsdefiziten zu arbeiten, einen Beruf zu erlernen oder sich schulisch weiterzuqualifizieren. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: