Prozess in München:Kleiner Finger, großes Drama

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Er wollte seinen kleinen Finger nicht nur strecken können, sondern überstrecken: Weil die Ärzte die Operation nicht wie vereinbart ausgeführt haben sollen, fordert der Amateur-Pianist Schmerzensgeld.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Das musikalische Können ist da, aber der kleine Finger spielt nicht mehr mit: Ein leidenschaftlicher Amateur-Pianist wollte in einer Münchner Uni-Klinik seinen immer unbeweglicher werdenden rechten kleinen Finger chirurgisch reparieren lassen. Der erfolgsgewohnte Unternehmer gab den Ärzten vor dem Eingriff klare Zielvorgaben.

Weil das Ergebnis nun überhaupt nicht seinen Vorstellungen entspricht, hat der 74-Jährige die Ärzte auf 20 000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Das Landgericht München I soll entscheiden, ob der Patientenwunsch wirklich an medizinischen Notwendigkeiten gescheitert ist - oder doch eher an Kommunikationsproblemen unter den Ärzten.

Der Patient hat von Geburt an verkürzte Sehnen an beiden kleinen Fingern. Jahrzehnte sei das für ihn kein Problem gewesen, da er die abgewinkelten Finger deutlich überstrecken konnte, sagt er. Bis ihn an der rechten Hand eine gar nicht so seltene Krankheit mit dem unaussprechlichen Namen Morbus Dupuytren befiel: Die Finger werden immer krummer, ein Strecken zunehmend unmöglich, weil Bindegewebe die Sehnen blockiert.

Das Wort "Schiene" wurde gestrichen

Vor gut zehn Jahren ließ der Mann das schon einmal operieren, allerdings ohne Erfolg. Der Patient ist felsenfest davon überzeugt, dass die Ärzte schuld waren, weil sie den frisch operierten Finger mit einer abgewinkelten Schiene ruhigstellten.

Nun bekamen die Ärzte der Uni-Klinik vor einiger Zeit den Auftrag, den Eingriff zu wiederholen. Und zwar, wie der Mann immer wieder vor der Arzthaftungskammer betonte, ausdrücklich ohne den Einsatz solch einer Winkelschiene. Diesen Wunsch bestätigte als Zeuge auch der Arzt, der seinerzeit mit dem Patienten die OP vorbesprochen hatte - deswegen sei auch das Wort "Schiene" im Aufklärungsbogen gestrichen worden.

Der Kläger schilderte den Richtern sein Entsetzen, als er aus der Vollnarkose aufgewacht sei und die Winkelschiene an seinem Finger entdeckt habe. Ein Pfleger konnte ihn nur mit dem Hinweis auf die Infektionsgefahr davon abhalten, das Stück Gips sofort eigenhändig zu entfernen.

Beim Leistungssport stark eingeschränkt

Er habe ausdrücklich auch nur eine Korrektur des Grundgelenks an dem Finger verlangt, um ihn endlich wieder überstrecken zu können, sagte er und demonstrierte dem Gericht mit Bewegungen in der Luft: "Mit dem kleinen Finger der linken Hand kann ich am Piano eineinhalb Tasten weitergreifen als rechts." Zudem sei er auch ein sehr erfolgreicher Segler und bei diesem Leistungssport ebenfalls stark eingeschränkt. Unausgesprochen gab der Mann zu verstehen, dass er wegen der Behinderung offenbar auch um sein Ansehen in Musiker- und Seglerkreisen fürchte.

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige, Chefarzt für Handchirurgie an einer unterfränkischen Privatklinik, machte dem Gericht aber deutlich, dass seine Münchner Kollegen korrekt operiert und die Wunde auch völlig sachgerecht mit der Winkelschiene versorgt hätten.

Nach solch einem Eingriff sei es ohnehin schon ein Erfolg, wenn der Finger gestreckt werden könnte - er wolle ihn aber überstrecken. Die zentrale Frage, ob man trotzdem auf den ausdrücklich Patientenwunsch hätte eingehen müssen, wird das Gericht im Urteil Ende Juli beantworten.

© SZ vom 11.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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