Protest an der Isar:Großes Theater um eine kleine Aktion

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Big Jump: Bade-Protestaktion in der Isar. (Foto: Florian Peljak)

Protest gegen das Badeverbot in der Isar: Angemeldet waren für "Big Jump" fast 300 Teilnehmer, doch dann springen nur 30 Demonstranten ins Wasser. Sie fordern ein Flussbad in der Innenstadt.

Von Sebastian Gubernator

Wenn Benjamin David gleich mit Anlauf in die knapp 20 Grad warme Isar springt, wird das eine weitere Szene in einer langen Verwaltungsposse sein. Es wird vermutlich nichts ändern, die Politiker wissen schon längst, was er fordert. Aber es wird Aufmerksamkeit erregen, hofft er. Der Chef der Urbanauten steht nördlich der Reichenbachbrücke am Ufer, Sandalen, Sonnenbrille, Badehose, er hält eine Schere an ein rotes Band. "Wir werden ein temporäres Flussbad eröffnen", hat er kurz zuvor in sein Megafon gerufen.

Der Verein Isarlust hat die Aktion organisiert, um gegen das Badeverbot in der gesamten innerstädtischen Isar zwischen Cornelius- und Max-Joseph-Brücke sowie in einigen Abschnitten nördlich und südlich davon zu protestieren. Baden gegen das Establishment, das ist die Devise. David und seine Mitstreiter fordern, dass das Badeverbot zumindest teilweise aufgehoben wird. Und sie wollen die Politik anregen, über ein Isar-Flussbad in der Innenstadt nachzudenken, beaufsichtigt von städtischen Bademeistern.

Schon in der vergangenen Woche wollten er und seine Mitstreiter in die Isar hüpfen - der Wasserstand war aber zu hoch; die Stadt hatte ihnen das Baden nur bei einem Pegel unter 80 Zentimetern erlaubt. An diesem Sonntag sind es 70 Zentimeter, David hat es vorhin auf seinem Smartphone nachgeschaut. Jetzt grinst er in die Kameras der Journalisten, die Urbanauten jubeln, er schneidet das Band durch. Ein theatralischer Auftritt.

Knapp 30 Demonstranten laufen in die Isar. Angemeldet waren auf Facebook 280. Wo in München gebadet werden darf, regelt die Bade- und Bootsverordnung, die aus dem Jahr 1976 stammt - also einer Zeit, in der die Isar ganz anders aussah als heute. Damals war sie ein begradigter Fluss mit schneller Strömung, eine Gefahr für Badende. Seit sie renaturiert ist, wollen Politiker und Interessengruppen das Badeverbot lockern, bisher ohne Erfolg. Wer die Verantwortlichen fragt, was das Problem sei, hört immer wieder denselben Satz: "Die Isar ist ein Wildfluss." Treibgut, Schleusen und Wehre seien gefährlich.

Dazu kommt, dass die Isar nur deshalb wieder ein Wildfluss ist, weil die Stadt sie aus ihrem Betonkorsett befreit hat. Dabei wurden auch Gefahrenstellen in den Fluss gebaut, etwa Felsblöcke, die bei Hochwasser weggeschwemmt werden und Badegäste gefährden können. Nach einem Badeunfall könnte die Stadt unter Umständen haftbar gemacht werden. Zwar hat sie einen Versicherungsvertrag mit der Allianz abgeschlossen, der gilt aber nur für die Bereiche, in denen das Baden zurzeit erlaubt ist - und bislang scheint der Konzern nicht bereit zu sein, den Vertrag auf neue Bereiche auszuweiten.

Stadt will Klarheit über rechtliche Folgen

Am Dienstag hat der Umweltausschuss des Stadtrats in einer nicht öffentlichen Sitzung eine Kanzlei beauftragt, ein Rechtsgutachten über die Haftungsfrage zu erstellen. Es soll klären, inwiefern bei Unfällen die Stadt haftbar gemacht werden kann - oder gar einzelne Mitarbeiter betroffen wären, die an der Renaturierung der Isar beteiligt waren. "Mit dem Ergebnis gehen wir dann ins Gespräch mit den Versicherern", sagt Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne). Die Stadt will Klarheit über die rechtlichen Folgen, die eine Lockerung des Badeverbots haben könnte.

119 000 Euro koste das Rechtsgutachten, heißt es im Rathaus. Lorenz sagt nur: "Der Preis, den es kostet, ist es uns wert." Manche Stadtratsmitglieder hätten den Auftrag an die Kanzlei gerne viel früher erteilt. Sabine Krieger etwa, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, kritisiert, dass mit der Allianz bereits im vergangenen Jahr verhandelt worden sei. "Dass das Rechtsgutachten erst ein Jahr später in Auftrag gegeben wird, kann ich nicht nachvollziehen."

Dass aus dem Badeverbot eine unendliche Geschichte wurde, hat eine gewisse Ironie. Denn viele in Stadtrat und Verwaltung sprechen sich dafür aus, das Verbot zu überdenken. Joachim Lorenz findet es sogar "zwingend notwendig, die Verordnung zu ändern." Die Grünen im Stadtrat sehen das ähnlich. Der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende Manuel Pretzl schließt eine Änderung der Bade- und Bootsverordnung nicht aus, nennt aber zwei Voraussetzungen, die für ihn Vorrang haben: die Ökologie und die Sicherheit der Bürger.

© SZ vom 21.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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