Projektleiter:Beschimpft und bespuckt

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Helge Clauß kennt die Reaktionen im Stau

Interview von Andreas Schubert, München

Einfach dicht machen können die Straßenbauer die A 99 nicht, wenn sie dort arbeiten. Die Koordination der Bauarbeiten ist deshalb besonders schwierig, wie Projektleiter Helge Clauß weiß.

SZ: Während der Bauzeit bleiben sechs Spuren erhalten. Wieso staut sich der Verkehr trotzdem?

Helge Clauß: Ob er sich staut, wird man noch sehen. Aufgabe der Baustellenführung ist, dass der Verkehr läuft. Wir werden mit einem Tempolimit von 60 arbeiten, somit stellt man einen gleichmäßigen Verkehrsfluss sicher. Und wenn es zu Unfällen kommt, sind es meist nur Blechschäden, hier ist die Unfallstelle schnell wieder geräumt. Aber wenn der Verkehr langsamer läuft, ist die Kapazität der Autobahn dennoch eingeschränkt. Weil die Verkehrsteilnehmer sich an die geänderten Verflechtungen gewöhnen müssen, wird es mit Sicherheit zu Staus kommen.

Bekommen Sie schon mal den Frust von Autofahrern ab?

Den verständlichen Ärger der Autofahrer bekommt man mit. Man wird beschimpft, beworfen, sogar bespuckt.

Aus dem Auto raus?

Ja, und es trifft auch Polizisten. Wenn es zu langen Stauungen kommt, verlieren Autofahrer schon mal die Nerven. Das muss man aushalten. Wir bauen ja nicht als Selbstzweck, sondern weil wir die Strecke am Leben halten wollen. Ich vergleiche das gerne mit einer Operation an der Aortenklappe. Da kann man nicht auf Höchstleistung arbeiten, aber man darf den Patienten auch nicht sterben lassen.

Was ist bei so einem Projekt die größte Herausforderung?

Wir müssen genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung stellen und haben auch viel im Vorfeld getan, damit das ganze terminlich funktioniert. Wir prüfen vorher, ob so eine Baumaßnahme in der kurzen Zeit machbar ist. Das ist ein erheblicher organisatorischer Aufwand in der Vorbereitung und in der Durchführung draußen. Da braucht man immer genügend Personal. Die Kommunikation vor Ort muss schnell gehen.

Welche Probleme können auftreten?

Wenn zum Beispiel im Baugrund Altlasten oder Kampfmittel gefunden werden. Es kann sein, dass trotz vorheriger Erkundungen etwas gefunden wird, dann müssen wir reagieren. Wir müssen manchmal wie Schiedsrichter beim Fußball entscheiden, und zwar schnell.

Trotz Tempolimit: Leben Bauarbeiter eigentlich gefährlich?

Ja, das tun sie. Arbeitsschutz auf Baustellen hat deshalb ganz hohe Priorität. Unsere Arbeitskräfte werden durch mobile Schutzwände vor dem laufenden Verkehr geschützt. Hier gelten sehr strenge Regeln. Dafür gibt es eigens Sicherheitskoordinatoren. Wir lassen nur Personal auf die Baustelle, das eingewiesen ist.

Was könnte den Bau in die Länge ziehen?

Die Witterung. Bei Frost können Arbeiten im Betonbau nicht so schnell vorangehen. Auch Asphaltarbeiten sind temperaturabhängig. Für den lärmmindernden Asphalt brauchen wir Temperaturen über fünf Grad. Das andere Problem sind starke Niederschläge, wenn es heftig regnet, wird die Oberfläche in Mitleidenschaft gezogen. Zum Einbau des lärmmindernden Asphalts muss es definitiv trocken sein.

Gibt es einen Zeitpuffer?

Nein, es ist im Prinzip alles bis aufs Kleinste durchgeplant. Wenn irgendetwas passiert, müssen wir das woanders abfangen.

Viele Autofahrer werden versuchen, auf Alternativrouten auszuweichen. Wie sind die Bauarbeiten mit der Stadt München und den Landkreisen abgestimmt?

Wir haben alles mit den Rettungsdiensten, der Polizei und den zuständigen Landratsämtern durchgesprochen. Es geht vor allem um die Rettungsmöglichkeiten. Die Berufsfeuerwehr etwa hat einen Rettungswegeplan erstellt. Leistungsfähige Umleitungen gibt es übrigens keine, wenn Sie im Stau stehen, stehen Sie. Weder der Mittlere Ring noch die umliegenden Bundesstraßen sind in der Lage, den Verkehr auch nur annähernd aufzunehmen. Deshalb machen wir ja auch den achtspurigen Ausbau. Wenn man von Salzburg kommt, kann man nur empfehlen, das Ganze großräumig zu umfahren.

© SZ vom 08.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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