Programme der Münchner Künstlerhäuser:Zeit und Raum geben

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Job mit Aussicht: Martin Rohmer, hier in der Villa Waldberta, leitet seit Anfang 2019 die beiden „Artist in Residence“-Programme der Stadt München. (Foto: Georgine Treybal)

Die Pläne für Villa Waldberta und Ebenböckhaus

Von Antje Weber, Feldafing

"Ein Gewinn für alle", so kommentiert Martin Rohmer die ungewohnt schnelle Stipendienvergabe an Volha Hapeyeva. Der Leiter der Villa Waldberta handelte sofort, als er von Ulrike Roos vom Verein Bayern liest e.V. und anderen auf die Notlage der belarussischen Autorin aufmerksam gemacht wurde. Dass wegen zahlreicher Corona-Verschiebungen gerade ein Appartement frei war, erwies sich als Glück. Und auch sonst passt die Aktion gut zu dem flexibleren Konzept, das Rohmer für die beiden "Artist in Residence"-Programme der Stadt München umsetzen möchte.

Seit Anfang 2019 ist Martin Rohmer im Münchner Kulturreferat für die Villa Waldberta in Feldafing und das Ebenböckhaus im Stadtteil Pasing zuständig. Er hat damit die Aufgabe übernommen, die beiden Häuser nach dem Prinzip "Ein Residenzprogramm, zwei Standorte" zusammenzuführen. Ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist, wie man in einem Beschluss des Kulturausschusses von Anfang Juli nachlesen kann. Unter anderem gehe es darum, so heißt es dort, etwas an der "mangelnden Sichtbarkeit" der Programme zu ändern.

Wichtig ist Rohmer dabei vor allem, dass die beiden Häuser nicht als Gästehäuser wahrgenommen werden, die bloße Übernachtungsmöglichkeiten für Künstler von auswärts bieten; dafür seien die traditionsreichen Orte zu schön, ihr Betrieb zu aufwendig. Ein Residenzprogramm hingegen soll für idealerweise drei, manchmal aber auch weniger oder mehr Monate eine "Einheit von Wohnen, Arbeit und öffentlicher Präsentation" bieten, wie im Beschluss steht, und legt "eher Wert auf kreative Prozesse als auf ein bereits vorher definiertes Endprodukt". Begegnung und Austausch stünden im Vordergrund: "Es ist ein Ort der Konzentration und Reflexion, ein Ort der Sicherheit, wo es möglich ist, frei von äußerem Druck, politischer Verfolgung, kommerzieller Einflussnahme und künstlerischer Konkurrenz zu experimentieren". In anderen Worten, von Rohmer auf der Terrasse der Villa Waldberta formuliert: "Wir geben Zeit, wir geben Raum, wir nehmen Druck raus."

Darin unterscheidet sich sein Ansatz nicht von dem seiner Amtsvorgängerinnen. Neu ist, dass die Vorschläge nicht mehr nur von städtischen Partnern kommen dürfen: Künftig können sich Künstler aus aller Welt auch selbst bewerben. Begonnen hat das schrittweise schon vor einiger Zeit: In einer Zusammenarbeit mit den Residenzprogrammen in Taipeh (Taiwan) und Gwangju (Südkorea) konnten sich Künstler bereits frei um die Münchner Stipendien bemühen. In diesem Jahr nun wurde in Kooperation mit dem Kunstverein München erstmals weltweit eine "writer's residency" ausgeschrieben; sie ging an einen in Berlin lebenden Kanadier mit dem Künstlernamen "Studio for propositional cinema", der im September und Oktober im Ebenböckhaus unterkommt. Für das nächste Jahr plant man zusammen mit dem Lyrik Kabinett auch eine "Lyrikresidency". Eine gemeinsame neue Corporate Identity von Villa Waldberta und Ebenböckhaus samt Webseite soll das alles erleichtern; im Oktober soll sie online gehen.

"Ich will beide Häuser so flexibel wie möglich nutzen können", sagt Rohmer; die Herausforderung sei, eine Balance zu schaffen zwischen Flexibilität und wiederkehrenden festen Elementen im Alltag der Künstlerorte, die ja auch Veranstaltungsorte seien. In Coronazeiten ist das natürlich eingeschränkt; immerhin hat im Palmenhaus der Villa wieder eine erste Ausstellung geöffnet, und im jüngst sanierten "Chauffeurshäusl" steht dort auch ein neues Appartement mit Arbeits- und Ausstellungsraum zur Verfügung. Im Ebenböckhaus dagegen harrt ein Umbau, für den es bereits architektonische Entwürfe gibt, noch der Verwirklichung. Das Programm dort könne "aufgrund fehlender finanzieller und Personalressourcen sein Potenzial bisher nicht annähernd ausschöpfen", heißt es im Beschluss. In Corona-Sparzeiten wird das nicht leichter; Rohmer sitzt jedoch bereits an der nächsten Vorlage und möchte für das Ebenböckhaus zumindest "einen Grundsatzbeschluss herstellen".

Mit solchen verwaltungstechnischen Fragen hat Rohmer, seit 2000 im Kulturreferat und dort seit 2005 für Internationale Kulturarbeit tätig, eine Menge Erfahrung. Seine Motivation bezieht der Theaterwissenschaftler jedoch aus anderen Prägungen: Er hat eine Dissertation über die Theaterszene in Simbabwe geschrieben; Harare ziehe sich wie ein roter Faden durch sein Berufsleben, sagt er. Auch in vielen anderen Ländern der Welt ist er unterwegs gewesen und hat viele gute Erfahrungen mit Gastfreundschaft gemacht. "Jetzt ist es umgekehrt, jetzt darf ich für die Stadt Leute empfangen", sagt er und schwärmt nicht zum ersten Mal an diesem Nachmittag von der "tollen Atmosphäre" der hochrepräsentativen Orte: "Es fühlt sich an wie ein Zurückgeben."

© SZ vom 16.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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