Professionelles Einkaufen:Shoppen als Beruf

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Hermine Linnemann ist professionelle Shopping-Beraterin. Bevor die Tour durch Kaufhäuser und Boutiquen los geht, muss sie zielsicher erkennen, was ihre Kunden wollen.

Malte Conradi

Diese Schuhe sind wirklich irritierend. Von jemandem, der sich beruflich mit Stil und Mode beschäftigt, hätte man nicht erwartet, dass er sich in silbern glänzenden Turnschuhen in der Münchner Innenstadt blicken lässt. Und von der Trägerin dieser Schuhe lassen Menschen sich sagen, wie sie sich kleiden sollten und wie lieber nicht? Doch Hermine Linnemanns Kleidung von den Füßen aufwärts beruhigt und schenkt Vertrauen in ihre Geschmackssicherheit: elegant, dezent, sympathisch.

Hermine Linnemann berät hauptsächlich weibliche Kunden. Männer hätten noch Berührungsängste, ist ihre Vermutung. (Foto: Foto: Schellnegger)

Hermine Linnemann ist Stil- und Einkaufsberaterin - oder "Style-coach" mit "Personal-Shopping"-Angebot, wie sie es lieber ausdrückt. Ein Traumjob, in dem man dafür bezahlt wird, den ganzen Tag in Modemagazinen zu blättern und in den edelsten Boutiquen das Geld anderer Leute auszugeben?

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. "Das Personal-Shopping ist ja nur ein Teil meiner Arbeit", sagt Linnemann. Viel Zeit verbringt sie bei den Kunden zuhause. Denn am Anfang eines Auftrags steht in der Regel eine Bestandsaufnahme: Wie sieht es im Kleiderschrank des Kunden aus? Wie muss er sich im Beruf kleiden? Was möchte er an sich verändern? Und, ganz wichtig: Was passt zu dem Kunden? Erst dann geht es tatsächlich manchmal in die Stadt.

Linnemann führt ihre Kunden in große Kaufhäuser oder auch in kleine Boutiquen, wählt aus, berät, bleibt geduldig. Für eine fünfstündige Prozedur aus Farb- und Stilberatung sowie einem Kleiderschrank-Check sind 429 Euro fällig. Zwei Stunden Personal-Shopping kosten 179 Euro.

Psychologisches Geschick

In aller Regel ist der Kunde eine Sie, Linnemann glaubt, dass viele Männer noch Berührungsängste hätten: "Nur in den Wochen nach Weihnachten hatte ich plötzlich viele männliche Kunden, die meisten hatten von ihren Ehefrauen Gutscheine geschenkt bekommen."

Zwar wird die 45-jährige Einkaufsberaterin auch von erfolgreichen Geschäftsfrauen und -männern engagiert, die ihre Besorgungen so effizienter erledigen wollen, sei es aus Mangel an Zeit oder an Lust. Dann heißt es, möglichst schnell das Richtige zu finden und das beherrscht Linnemann mit sicherem Gespür.

Erst vor einigen Wochen lieferte sie eine komplette Garderobe in ein teures Münchner Hotel ohne den Auftraggeber vorher gesehen zu haben: Einem Geschäftsreisenden war sein Koffer am Flughafen abhanden gekommen. Ein kurzes Telefonat klärte Konfektionsgrößen und Vorlieben, der Rest war Routine.

Häufiger sind jedoch Kunden, die mit ihrer Erscheinung grundsätzlich unzufrieden sind. Das sind häufig Menschen, die sich für Mode kaum interessieren. "Gerade bei denen ist es wichtig, dass sie sich von mir überraschen lassen und offen sind für meine Vorschläge", sagt Linnemann.

Um das zu erreichen, muss sie psychologisches Geschick beweisen: "Es ist wichtig, dass die Menschen mir vertrauen. Wie mutig ist diese Person, wie weit kann ich gehen, solche Fragen spielen dabei eine Rolle." Denn ihre Unsicherheit in modischen Belangen macht viele Menschen ängstlich. Aus Angst, einen Fauxpas zu begehen, wagen sie dann gar nichts mehr. "Wenn man immer nur schwarz trägt, kann man natürlich nicht viel falsch machen. Besonders fröhlich oder interessant ist das dann aber auch nicht."

An einem Nachmittag mit Hermine Linnemann lässt sich da bereits viel verändern. "Oft reicht ja schon das ein oder andere Accessoire wie ein Tuch oder eine neue Kette für einen ganz neuen Look. Das muss gar nicht teuer sein." Linnemann ist davon überzeugt, dass man heutzutage nicht viel Geld ausgeben muss, um sich schick zu kleiden. Woran es ihrer Erfahrung nach vielmehr mangelt, ist ein Gespür dafür, welche Farben und welche Formen zusammenpassen.

Keine Mode-Dogmatikerin

Auch in Linnemann selbst musste dieses Gespür erst geweckt werden. Als sie nach dem Studium für einige Monate nach Florenz ging, trug sie noch, was sie als "Studentenkluft" bezeichnet: Jeans, Sneakers, T-Shirt. Als sie nach Deutschland zurückkehrte, hatte sie elegante Kostüme und Kleider in ihren Koffern.

Die Faszination für Mode hat sie seither nicht mehr losgelassen. Nach einigen Jahren in der Werbebranche entschied sie, sich selbständig zu machen. Dass die neue Beschäftigung etwas mit Mode zu tun haben sollte, stand fest: "Ich habe überlegt, was ich wirklich gerne mache und wobei ich keine Anstrengung verspüre. Das ist die Mode."

Nach einigen Seminaren und Fortbildungen ging Linnemann der in Deutschland noch kaum bekannten Beschäftigung als Einkaufsberaterin zunächst parallel zum alten Job nach. Vor drei Jahren wagte sie dann den Schritt und widmete sich vollständig dem neuen Geschäft. Seither geht es langsam, aber stetig aufwärts. "Das ist eine langfristige Arbeit", sagt Linnemann, "es dauert eben ein paar Jahre, bis man Vertrauen aufgebaut hat und über Empfehlungen zufriedener Auftraggeber einen größeren Kundenstamm findet."

Für die Turnschuhe hat Linnemann übrigens eine Erklärung: Sie hat eine Fuß-Operation hinter sich und in allen anderen Schuhen ist das Gehen noch zu schmerzhaft. Außerdem ist Linnemann keine Dogmatikerin, die sich und ihre Kunden unter allen Umständen in schicke Klamotten zwängen würde. Dafür liebt sie das Spielerische an der Mode zu sehr, "die unendlichen Möglichkeiten, Einzelteile immer wieder zu neuen Outfits zu kombinieren."

© SZ vom 08.04.2009/brei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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