Porträt:Mode für die Welt

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Schon als Junge in Senegal hat Roubs Style von einer internationalen Designer-Karriere geträumt. In München verfolgt er dieses Ziel beharrlich weiter

Von Lea Weinmann

Wenn seine Kollegen in Senegal zu Roubs Style (nein, das ist kein Künstlername) sagten: "Hey Roubs, du bist doch Schneider. . .", dann antwortete er: "Nein, ich bin Designer." Der gebürtige Senegalese, Snapback-Kappe, hochgekrempelte Jeans, Sneakers, steht in einem Raum der Färberei, der Jugendkulturstätte an der Claude-Lorrain-Straße in Giesing. Auf dem Tisch vor ihm erhebt sich ein riesiger, bunter Haufen Stoff. Kleider, Jacken, Shirts mit den verrücktesten Mustern sind sorgfältig aufeinandergestapelt. Style greift sich ein langes, rotes Kleid, über das braune und orangefarbene Linien im Zickzack verlaufen. Mit gedankenverlorenem Blick streicht er den Stoff glatt - eher streichelt er ihn glatt. Roubs Style, 37, ist Designer und er hat einen Traum: Seine Mode soll die Welt erobern.

Roubs wird 1981 in Dakar geboren, der Stadt, die als Modehauptstadt Afrikas gilt. Er kommt aus einer Schneiderfamilie, die Eltern waren Schneider, die beiden großen Brüder sind Schneider. Auch er schaut sich die Technik früh von seinen Geschwistern ab, mit elf Jahren hält er zum ersten Mal eine Stoffschere in der Hand. Der Weg des jungen Roubs ist vorgezeichnet, er soll in die Fußstapfen seiner Eltern treten, Kleidung produzieren, möglichst schnell, möglichst viel, in Senegal zahlen die Leute nicht viel für ein handgearbeitetes Kleidungsstück. Schon damals sitzen Roubs und seine Freunde gemeinsam im Kreis und erzählen sich von ihren großen Karriereplänen in Europa. In Dakar will der junge Mann nicht bleiben. "Keine Zukunft", sagt er dazu nur knapp und schüttelt den Kopf. Die Hauptstadt Senegals beherbergt zwar viele flinke Schneider, aber Roubs will anders sein, will lieber herausstechen aus der Masse, etwas Eigenes schaffen. "Du bist verrückt", sagen die Leute zu ihm und lachen. Der Senegalese bleibt dabei. Er orientiert sich am europäischen Kleidungsstil, verwendet für seine Arbeiten aber die afrikanischen, kunterbunten Stoffe - andere hat er nicht.

Die traditionellen senegalesischen Gewänder für Frauen - im Vergleich zu westlichen Kleidern sehr extravagant - sind ihm zu eintönig, für ihn sind es immer die gleichen drei oder vier Schnitte. Roubs schneidert lieber Taschen. Im Jahr 2001 wird ein Tourist aus Frankreich auf seine Waren aufmerksam, attestiert ihm ein "großes Talent" und bietet dem Schneider viel Geld und Material dafür, dass er für ihn weitere davon fertigt. Roubs willigt ein, schneidert weiter Taschen und arbeitet zugleich die vielen Anfragen in seiner Heimat ab.

Seine Inspiration sucht sich der Designer im Alltag - er läuft immer mit einem wachen Blick durch die Stadt. (Foto: Sophie Ray Stevenson)

Die Zusammenarbeit mit dem Franzosen wird mit der Zeit schwieriger, irgendwann bricht der Senegalese sie ab, kann sich aber von dem Geld, das er verdient hat, eigene Nähmaschinen kaufen. Mit denen fällt es Roubs leichter, seinen eigenen Style weiterzuentwickeln - vielleicht wurde ihm das Talent mit dem Nachnamen in die Wiege gelegt. Sein Name zumindest wird in Senegal bekannter, er ist gut beschäftigt, aber diese Idee, seit der Kindheit fest in seinem Kopf, lässt ihn nicht los: Er will Designer in Europa werden. Bleibt nur die Frage, wie?

2005 beschließt er, nach Spanien aufzubrechen. Wieder sagen alle "Du bist verrückt, bleib doch hier", aber er geht. Sein Weg dorthin? - Er erzählt erst davon, als man ihn direkt darauf anspricht. Vielleicht wegen der schlechten Erinnerungen, vielleicht ist es für ihn aber auch gar nicht so wichtig. Acht Tage und Nächte verbringt Roubs auf einem Boot, zusammen mit 83 anderen. Sie erreichen die Küste der spanischen Insel Teneriffa alle unversehrt - Gott sei Dank, sagt er heute. Erst später wird ihm bewusst, was damals hätte passieren können. "Ich war jung. Ich bin einfach los."

In Spanien schlägt sich Roubs mit verschiedenen Jobs durch, arbeitet jahrelang auf einer Olivenplantage, hier und da schneidert er auch immer wieder. Glücklich ist er trotzdem nicht, von der Karriere als Designer ist er noch sehr weit entfernt. "Ich will nach Deutschland", sagt er 2013 in einer Mittagspause zu seinem Kumpel.

Vier Tage später packen beide ihre Sachen und machen sich auf den Weg. Vom nordrhein-westfälischen Hagen kommt Roubs nach München und macht Bekanntschaft mit dem deutschen Rechtssystem. Er stellt einen Asylantrag, beginnt ein Praktikum als Konditor und will eine Ausbildung beginnen. Nach wenigen Tagen muss er die Konditorei wieder verlassen, denn während des laufenden Asylverfahrens darf er keiner Beschäftigung nachgehen. Anträge, Behörden, Verfahren - der Senegalese versteht bis heute nicht alle Details des komplizierten Prozesses. "Ich konnte mein Leben nicht mehr kontrollieren", so drückt er es aus, die Situation, nicht arbeiten zu dürfen und von der Entscheidungsgewalt anderer abhängig zu sein.

Bunte Hingucker, offene Augen: Roubs Style nutzt afrikanische Stoffe und näht daraus Kleidungsstücke nach europäischem Stil. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Roubs flüchtet sich wieder in seine Leidenschaft, näht Taschen und Kleider für Freunde und Bekannte. "Alle waren total begeistert." Sein Talent spricht sich herum. Ein befreundeter DJ aus dem Senegal möchte die Kleider in einer seiner Shows, einer afrikanischen Party, zeigen. Roubs willigt ein. Immer mehr Menschen werden auf seine Arbeiten aufmerksam, auch eine Studentin, die an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München ein Mode-Seminar belegt. Sie bittet den 37-Jährigen, dort einen Vortrag über seinen Stil zu halten. Erst will Roubs ablehnen, er darf doch nicht arbeiten, aber die Professorin erklärt ihm, dass es in Ordnung ist, wenn er dafür kein Geld bekommt. In Senegal habe er nie eine Universität von innen gesehen, sagt er. "Hier komme ich zum ersten Mal in eine Uni; nicht um zu lernen, sondern um anderen etwas beizubringen - crazy!"

Von diesem Moment an weiß er, so der Designer, dass "alles möglich ist". Freunde liefern ihm die afrikanischen Stoffe, aus einer Fashionshow werden mehrere, mittlerweile tragen Models bei acht oder neun Shows im Jahr seine Kleider. Die Shows finden über ganz München verteilt statt, mal im edlen Hotel "Lovelace", mal im alternativen "Import/Export". Roubs will über seine Mode "alle gesellschaftlichen Schichten verbinden".

Obwohl er weiterhin kein Geld verdienen darf, wirkt es für seine Familie in Senegal, als sei Roubs jetzt ein berühmter und reicher Modedesigner. Roubs stockt beim Erzählen, sein Blick verliert sich im Raum, wenn er an sein Zuhause denkt. Das Wichtigste sei dort, die Familie zu unterstützen. Sie fragen ihn nach Geld - und verstehen nicht, dass er keines hat.

Die große Designer-Karriere ist noch weit entfernt. Der Senegal gilt in Deutschland als sicheres Herkunftsland, die Anerkennungsquote liegt bei wenigen Prozent. Ein befreundeter Senegalese wurde vor wenigen Wochen abgeschoben, nachdem er fünf Jahre hier gelebt hat. Die Polizei habe ihn abgeholt, erzählt Roubs: "Er konnte nicht einmal mehr seine Sachen zusammenpacken und sich verabschieden." Roubs Style hat Glück. Er darf wohl bleiben - auch, weil er hier mittlerweile eine kleine Familie hat. Die Papiere, die ihm das bestätigen, lassen noch auf sich warten.

Foto: Alessandra Schellnegger (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Designer denkt weiter groß. "Roubs Style auf der ganzen Welt", das ist sein Ziel. Geld ist ihm dabei nicht wichtig, lieber will er den Leuten im Senegal zeigen, "dass alles möglich ist" - wieder benutzt er diese Worte. Er habe "so viele" Anfragen aus Deutschland, auch Madrid und Mailand, dass er Geschäfte eröffnen möchte, die seine Mode verkaufen. Die Produktion will er im Senegal ansiedeln, "die Leute dort beschäftigen, weil sie nicht alle in Deutschland sein können". Viel Zukunftsmusik und ein "sehr langer Weg", das gibt der Senegalese zu. Aber er glaube fest daran.

Roubs Style veranstaltet an diesem Freitag, 21. September, zusammen mit vielen befreundeten Senegalesen aus München und der Region eine afrikanische Show im "Import/Export" in Neuhausen, Eingang Dachauer Straße 114 oder Schwere-Reiter-Straße 2. Ein Maler, mehrere Rapper und die Live-Band "Talking People" sind unter anderem dabei. Gemeinsam wollen sie die afrikanische Kultur nach München bringen. Langfristig möchte die Gruppe ein senegalesisches Festival in München auf die Beine stellen, sagt Roubs Style. Der Designer wird an diesem Abend wieder eine Fashionshow ausrichten. Beginn ist um 17 Uhr.

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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