Polizei und Demonstranten:Verhältnismäßig geschützt

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Polizisten bei der Mügida-Demo am Sendlinger-Tor-Platz in München. (Foto: Florian Peljak)

Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit: Die Polizei muss neutral sein. Keine leichte Aufgabe. Denn die Beamten haben die undankbare Aufgabe, auch die Meinungsfreiheit derjenigen zu schützen, die keinen Austausch von Argumenten wollen.

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Die Polizei muss neutral sein. Das hat Präsidiumssprecher Wolfgang Wenger zuletzt mit Blick auf Pegida-Kundgebungen und Gegendemonstrationen mehrfach betont. Es klingt wie eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit: die Meinungsfreiheit schützen. "Wenn nicht wir, wer dann?", fragt Wenger. Doch was ist, wenn Meinungen aufeinanderprallen wie am vergangenen Montag? Oder am kommenden Montag, dann mit vermutlich noch mehr Teilnehmern auf beiden Seiten? Wird dann nicht die Neutralität der Polizisten - egal, wie diese am Ende agieren - zur puren Fiktion?

Ja, es ist wahr: Die Polizei hat die undankbare Aufgabe, die Meinungsfreiheit auch derjenigen zu schützen, die keinen Austausch der Meinungen wollen, weil sie irrig meinen, "das Volk" zu sein; die unter Meinungsfreiheit die ungehinderte Verbreitung von Ressentiments und Vorurteilen verstehen; und die zudem öffentlich verbreiten, die Polizei sympathisiere mit ihnen.

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Das tut sie nicht. Schon gar nicht in München. "Die Polizei sieht in der Kundgebung ein starkes Zeichen für die Integration der Flüchtlinge in München und ein Zeichen für die Humanität der Gesellschaft", hat Polizeisprecher Thomas Baumann Ende Dezember nach der Großkundgebung gegen Fremdenfeindlichkeit auf dem Max-Joseph-Platz offiziell erklärt. "Auch wir waren überwältigt."

Und auch am vergangenen Montag haben die Einsatzkräfte ihre Aufgabe erfüllt und zugleich das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Manchen Rechten hat das dann gar nicht so gefallen. Denn die Polizisten haben dem traurigen Mügida-Häufchen eben nicht mit Brachialgewalt den Weg freigekämpft durch die große Menge der Münchner, die sich in den Weg gestellt haben.

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Sondern haben lediglich darüber gewacht, dass die zahlenmäßig hoffnungslos unterlegenen Islamgegner nicht unter die Räder kamen. Wenn diese gewollt hätten, hätten sie auch ihre Meinung äußern können. Wollten sie aber nicht. "Ihnen ist kalt, sie haben Angst und geben jetzt auf", so kommentierte ein Polizist den Rückzug der müden Mügidisten.

Man kann diese Linie der Polizei neutral nennen. Man kann sie verhältnismäßig nennen. Und man kann sich einfach darüber freuen. Zumindest, wenn man nicht bei der Pegida mitmarschiert.

© SZ vom 09.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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