Politische Reden:München ist so frei

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Bei aller Freude über das Erreichte warnen Redner bei der bunten Parade vor wieder erstarkender Homophobie und rechter Gewalt

Von Martin Bernstein

Weit mehr als 150 000 Menschen haben am Wochenende den Christopher Street Day (CSD) in München gefeiert und zugleich für Diversität, für gleiche Rechte und Akzeptanz der LGBTI und gegen homo- und transphobe Haltungen demonstriert. "Ein starkes Zeichen der Sichtbarkeit und der Solidarität mit- und füreinander" nannte Thomas Niederbühl, politischer Sprecher des CSD, die Parade. "Gemeinsam sind wir eine starke Bürgerbewegung, die sich nicht nur für die eigenen Rechte stark, sondern die ganze Stadtgesellschaft insgesamt freier macht."

Bevor sich die 140 Gruppen am Samstag zu ihrem 2,3 Kilometer langen Paradezug formierten, sprachen auf dem Marienplatz politische Vertreter Münchens zu den Teilnehmern. Erstmals war während der Pride Week das Münchner Rathaus mit der Regenbogenflagge geschmückt. Die Community könne stolz auf das sein, was sie bislang erkämpft habe, wurde immer wieder betont. "Der CSD gehört heute zu München wie Weißwurst und Frauenkirche", sagte Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU), "und das ist gut so." Viele Hürden, die in der Vergangenheit aufgebaut wurden, könne sie aus heutiger Sicht schwer nachvollziehen, sagte die Oberbürgermeisterkandidatin der CSU. "Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass die CSU einmal mit einem eigenen Wagen auf dem CSD vertreten sein wird - und vertreten sein darf?" An diesem Wagen und dem des Arbeitskreises homosexueller Angehöriger der Bundeswehr entzündete sich Protest. Etwa zehn Aktivisten der Gruppe "Still Rioting" legten sich auf dem Lenbachplatz und in der Theatinerstraße vor den Wagen der "Lesben und Schwulen in der Union". Sie wollten mit der "Kunstaktion" nach eigenen Angaben gegen Polizeigewalt, Trans- und Homophobie, Rassismus und Abschiebungen protestieren. Die Polizei nahm später die Personalien der Blockierer auf.

"Wir haben viel erreicht", betonte SPD-Stadtrat Christian Vorländer, "aber wir stehen auch vor neuen, großen Herausforderungen." Das Erstarken der extremen Rechten habe Vorurteile und Homophobie wieder salonfähig gemacht - bis in die Mitte der Gesellschaft hinein. "Unsere Freiheit ist in Gefahr", warnte Vorländer. "Wir müssen gemeinsam kämpfen." Gerade Geflüchtete bräuchten Unterstützung, sagte Julia Bomsdorf, politische Sprecherin des CSD. "Auch wenn bereits vieles weltweit erreicht wurde, so ist die Situation für nicht-heterosexuelle Menschen in vielen Teilen der Welt weiterhin lebensbedrohlich."

Darauf wiesen auch Dietmar Holzapfel und seine Crew des Szenehotels "Deutsche Eiche" auf ihrem viel diskutierten Wagen hin. Unter dem Aufruf "Boykottiert homophobe Länder" war ein Galgen mit einem Bild zu sehen, das die Hinrichtung zweier siebzehnjähriger homosexueller Iraner zeigt. Ergänzt wurde das Banner um eine Aufzählung von 13 Staaten, in denen Homosexuellen die Todesstrafe droht. Die Veranstalter des CSD erklärten den Wagen zum "wichtigen Zeichen auf einer politischen Veranstaltung". Insgesamt 54 Fahrzeuge machten sich neben vielen Fußgruppen und Einzelpersonen um 12 Uhr auf ihren 4,5 Kilometer langen Weg durch die Altstadt und durch das Glockenbachviertel. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Rosa-Liste-Stadtrat Thomas Niederbühl führten den Zug an.

Neben den Veranstaltern wie Rosa Liste, Sub, LeTRa und Münchner Aids-Hilfe und Vertretern der Community aus Münchens Partnerstadt Kiew liefen zahlreiche weitere Organisationen im Lesben-, Trans-, Jugend-, Chor- und im Sportblock mit. Auch die Diversity-Abteilungen von Unternehmen und die Generalkonsulate Israels und Amerikas waren dabei, ebenso mit Ständen der Verband lesbischer und schwuler Polizeibediensteter, die Bundespolizei und der bayerische Landesschülerrat.

"Wir sind weit gekommen, aber sind noch lange nicht am Ende unseres Zuges", sagte Oberbürgermeister Reiter nach dem Ende der farbenfrohen politischen Demonstration auf dem Marienplatz. Ein Zeichen jedenfalls soll auch nach der Pride Week bleiben: die schwulen und lesbischen Ampelmännchen im Münchner Glockenbachviertel.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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