Politik:Ehrgeizig war er halt, der Stoiber

Lesezeit: 2 min

Gründungsmitglieder der Jungen Union treffen 40 Jahre später den Kreisvorsitzenden in Königsdorf wieder. Die Erinnerungen sind noch frisch und der Respekt merklich groß vor dem bekannten Wegbegleiter.

Von Claudia Koestler, Königsdorf

Die Biografien könnten unterschiedlicher nicht sein: Die einen wirken bis heute im rund 3000-Seelen-Ort Königsdorf als Händler, Handwerker und ehrenamtlich Engagierte. Der andere legte als Jurist eine steile politische Karriere hin, vom Generalsekretär, Minister und Ministerpräsidenten bis zum Kanzlerkandidaten. Doch eines verbindet drei Königsdorfer bis heute mit Edmund Rüdiger Rudi Stoiber und damit mit der ganz großen Bühne der Politik: Ein Foto von der Gründung der Jungen Union in Königsdorf, aufgenommen 1977 im Postsaal des Gasthofs Hofherr.

Fast auf den Tag genau 40 Jahre später gibt es ein Wiedersehen, an das die Königsdorfer zunächst nicht glauben wollen. "Ob er wirklich kommt?", fragen sich Franz Grasberger, Veronika Mayer und Georg Stöger, damals Pressewart, Schatzmeisterin und Vorsitzender. Ihre Erinnerungen sind frisch, der Respekt merklich vor jenem Mitstreiter, der damals als Kreisvorsitzender der JU die Königsdorfer Gründung begleitete, aber schon nach Höherem strebte. "Mei, ehrgeizig war er, er hat schon immer was werden wollen", erinnert sich Stöger. "Und er hat halt gut können mit'm Franz Josef", fügt er an. Gemeint ist Strauß, der 1978 Ministerpräsident wurde.

Im Saal hat sich nicht viel verändert: Das gleiche Fischgrät-Parkett, nur der Vorhang der Bühne wurde erneuert und eine Tür in die Wand gesetzt. Ein Tisch ist schnell arrangiert, doch eine Lücke bleibt: Konrad Hutter, auf dem Originalbild Zweiter von links und damals Stellvertreter, ist schon tot. Grasberger, Mayer und Stöger aber warten auf ihren ehemaligen Kreisvorsitzenden. Ehemalig, das trifft es mehr als gedacht: Heute ist nur noch einer der damaligen JU-Gründer weiterhin Mitglied der CSU. "Heute tät ich mich nicht mehr politisch engagieren, zumindest nicht mehr so", zieht Stöger Bilanz seiner Lokalpolitikkarriere. Nach all den Jahren sei die Erkenntnis gereift, dass es dafür "wenig bis keine Dankbarkeit" gebe.

Mit knapp zehn Minuten Verspätung kommt Stoiber tatsächlich dazu ("zehn Minuten, des ist noch anständig, fast so schnell wie mit'm Transrapid", lacht Stöger). Die Stimmung ist herzlich, fast übermütig: "Das ist wirklich stark! Dass Sie das Foto gefunden haben!", ruft Stoiber und schnappt sich das Bild: "Wie jung wir waren. Junge Spunde! Wo haben Sie das denn ausgegraben?" Die Antwort: Inmitten von rund 80 000 Bildern, die das Gemeindearchiv Königsdorf verwaltet.

1999 war der Moskauer Bürgermeister Luschkow da - ein weltpolitischer Moment

Jenes Charisma, das auch seine erklärten politischen Gegner Stoiber nicht absprechen, paart sich beim Wiedersehen mit jovialer Nahbarkeit. Doch zugleich ist es eine andere seiner Eigenschaften, die auffällt: Akribie. "1977? Das muss früher gewesen sein! 1976, da bin ich 35 geworden. Geh, Stöger, das musst' doch wissen!", ruft er aus. Dieser erinnert sich derweil lieber an ein anderes Jahr, das ihn mit Stoiber verbindet - und ganz Königsdorf mit der Weltpolitik: 1999 kam Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow zu Besuch nach Bayern, und bei einem Bankett mit 140 Gästen in just jenem Königsdorfer Saal wurde gefeiert - mit einer Trachtenabordnung und süffigem Bier. "Genau. Und zufällig lernte hier gerade ein Deutsch-Russe in der Küche. Der kam rein und sang dann russische Volkslieder", steigt Stoiber in die Erinnerungen ein. "In dem Moment, als er die anstimmte, haben die Rotz und Wasser geheult". Luschkow lud in der Folge die Königsdorfer zum Gegenbesuch - und Stöger nahm ihn als CSU-Mitglied und Trachtenvorsitzender beim Wort. Mit einer Abordnung reiste er tatsächlich wenig später nach Moskau. "Ein bisschen Weltpolitik-Luft geschnuppert", nennt das Stöger.

"Das hat mich jetzt wirklich gefreut", schließt Stoiber und verweist auf den nächsten Termin. Die Königsdorfer bleiben noch. Minuten nach der Verabschiedung springt plötzlich noch einmal die Türe auf, ein atemloser Stoiber, aus dem bereits fahrenden Auto gesprungen, steht hemdsärmelig in der Tür: "Sie haben Recht, ich habe nachgerechnet. Das Foto, es ist tatsächlich von 1977!"

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: