Pinakothek der Moderne:Digitale Landschaften

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"Strada Provinciale 3" ist der Titel eines Pigmentdruckes des belgischen Fotografen Mishka Henner aus der Werkgruppe "No Man's Land". Es zeigt eine Prostituierte an einer Straße in Apulien. (Foto: N/A)

"Fotografie heute: Distant realities" in der Pinakothek der Moderne zeigt Arbeiten der renommierten Bildkünstler Ilit Azoulay, Mishka Henner und Inga Kerber.

Von Stefan Sommer

Eine Frau wartet am Rande einer verlassenen Landstraße in Süditalien. Auf wen oder was sie wohl wartet? Den Bus? Eine Freundin? Vielleicht einen Freier? Was wie ein Szenenbild aus einem Art-House-Roadtrip aussieht, ist ein Bild des belgischen Fotografen Mishka Henner. Für seine Serie "No man's land", die unter anderem vom 30. September an in der Pinakothek der Moderne zu sehen ist, porträtierte der Künstler zwischen 2011 und 2013 Straßenprostituierte in Italien und Spanien.

Marginalisierte Schichten und oft unsichtbare Randfiguren der kapitalistischen Gesellschaft werden in seinen Bildern plötzlich sichtbar. Dabei war Henner mit seiner Kamera weder in Italien noch in Spanien selbst unterwegs - die Fotos sind Screenshots aus Google Street View.

In der Ausstellung "Fotografie heute: Distant realities" zeigt die Pinakothek der Moderne Werke verschiedener Fotografen wie Ilit Azoulay, Inga Kerber, Mykola Ridnyi, Erin Shirreff und eben jenen Mishka Henner. In Motivwahl und Technik vollkommen unterschiedlich vorgehend, verbindet die Arbeit der Fotografen eine Suche nach dem Digitalen im Analogen.

Ihre Fotografien dokumentieren wie die Digitalisierung in der Fotografie Einzug hält und wie das Medium sich selbst durch die neue Technologie verändert. Von den dokumentarischen Arbeiten von Bernd und Hilla Becher oder Zoe Leonard, die den urbanen Raum amerikanischer Großstädte zu Anfang der 1970er Jahre fotografisch kartografiert haben, möchte die Ausstellung einen Bogen spannen zu hyperrealen, digitalen Landschaften von Künstlern wie Henner und Ridnyi. Deren Fotografien entstehen mit Mitteln der digitalen Aneignung des Raums wie Google Street View und verwischen die Grenzen zwischen analogen Objekten der Welt und einer computergenerieten Realität.

Mykola Ridnyis Serie "Under suspicion" thematisiert die möglichen Kehrseiten der totalen Digitalität und hinterfragt die Auswüchse der Überwachungsgesellschaft. In seinem Heimatort Charkiw, einer ukrainischen Kleinstadt, fotografierte er öffentliche Plätze wie Supermärkte oder Bahnhöfe. Nachträglich fügte er Markierungen hinzu, die die zu sehenden Anwohner wie Verbrecher und Zeugen erscheinen lassen: die Stadt als permanenter Tatort.

Fotografie heute: Distant realities, Fr., 30. Sep., bis 29. Jan. 2017, Di - So, 10 -18 Uhr, Do, 10 - 20 Uhr, Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40

© SZ Extra vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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