Philharmoniker:"Wir werden ganz offen in das Gespräch gehen"

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Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers über neue Verhandlungen mit Christian Thielemann - und zur Zukunft der Philharmoniker.

R. Brembeck

SZ: Es gibt im vorliegenden Vertrag zwischen Christian Thielemann und der Stadt München einen Passus, der die Letztverantwortung für Gastdirigenten nicht dem Generalmusikdirektor (GMD) überträgt, sondern dem Intendanten. Deswegen hat sich Thielemann geweigert zu unterschrieben, weil er die Rechte als GMD deshalb herb beschnitten sah. Die Regelung wurde auf Betreiben des Orchesters aufgenommen - weshalb?

Hans-Georg Küppers: Das Orchester hatte - aus der Vergangenheit heraus und mit Perspektive auf das Jahr 2016 - das Gefühl, aus guten Gründen dem Intendanten in einigen Fällen den Rücken stärken zu müssen in Bezug auf die Entwicklung und die weitere Positionierung des Orchesters.

SZ: Solchen Passus schreibt man nur in einen Vertrag, wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist. Gab es Vorfälle für die Aufnahme dieses Passus? In der ersten Vertragsfassung steht die Regelung noch nicht.

Küppers: Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen. Aber wenn ein Orchester sich entschließt, ein solches Votum abzugeben, dann hat es Vorfälle gegeben, aufgrund derer das Orchester sagt: So kann es nicht weitergehen, wir müssen neu aufgestellt werden, wir müssen neu anfangen. Solche Forderungen werden nicht aus Daffke, wie man sagt, gemacht, sondern da gibt es Hintergründe.

SZ: Als das Orchester mit diesem Votum zu Ihnen kam, haben Sie da nicht die Notwendigkeit gesehen, zwischen Musikern und Chefdirigenten zu vermitteln?

Küppers: Man ist natürlich überrascht, wenn ein solches Votum kommt, und es hat dann Gespräche gegeben zwischen dem Orchestervorstand, dem Generalmusikdirektor und mir. Wobei die Wünsche des Orchesters auch mir verständlich erscheinen.

SZ: Hatte Thielemann noch weitere Einwände gegen den Vertrag?

Küppers: Es geht einzig und allein um diesen Passus. Sonstige Einwände, von denen ich jetzt in einigen Zeitungen lese und in denen es heißt, dem GMD sei ein Sonderkündigungsrecht genommen worden, für den Fall, dass die Finanzierung des Orchesters abgesenkt würde oder Planstellen gestrichen würden, sind einfach unrichtig. Dieses Sonderkündigungsrecht besteht weiter, es ist auch im neuen Vertrag enthalten.

SZ: Die Bezahlung Thielemanns hat keine Rolle gespielt?

Küppers: Nein. Wir haben in ganz vielen Bereichen den Wünschen unseres GMD nachgegeben, weil es unser Ziel war, ihn hier in München zu halten.

SZ: Haben Überlegungen zur Gasteig-Akustik eine Rolle gespielt?

Küppers: Sowohl Thielemann als auch die Stadt sind daran interessiert, die Akustik des Konzertsaals zu verbessern. Dazu werden gerade Modelle entwickelt, so dass es große Übereinstimmung wischen GMD und Stadt gibt.

SZ: Sind solche Pläne angesichts der sich verschärfenden Haushaltslage überhaupt realistisch?

Küppers: Wenn man in diesen Zeiten nicht plant, kann man, wenn sich der Haushalt wieder entspannt, nicht arbeiten. Deshalb sollte man jetzt diskutieren, damit man, wenn das Geld wieder ausreicht, handeln kann.

SZ: Thielemann dirigiert von den etwa 90 Konzerten in der Stadt nur etwa ein Drittel. Man scheint da sehr konziliant. Küppers: Wir sind in der Tat sehr konziliant. Er dirigiert hier zwischen 25 und 30 Konzerte. Aber bei Vertragsverhandlungen muss man sagen, was geht und was nicht geht, und über diese Anzahl sind wir nicht hinausgekommen. Und wenn man einen Dirigenten halten will, dann muss man damit leben.

SZ: Thielemann werden Tendenzen nachgesagt, eventuell in Dresden noch ein Orchester zu übernehmen, er ist da gerade überraschend eingesprungen.

Küppers: Es ist klar, dass jede Stadt ihren GMD am liebsten nur für sich hat, damit er sich möglichst viel mit dem Orchester der Stadt beschäftigt, möglichst viel mit ihm spielt, möglichst viel auf Reisen mit ihm geht, möglichst viele Plattenaufnahmen mit ihm macht. Nun ist es in den letzten Jahren fast zur Regel geworden, dass beinahe alle großen Dirigenten mindestens zwei Orchester haben. Wenn es denn dazu käme - ich bin jetzt ein bisschen überrascht von dem Gedanken, dass Thielemann zusätzlich das Dresdner Orchester übernimmt -, würde man dem sicherlich schwer widersprechen können.

SZ: Thielemann ist ein GMD alten Zuschnitts - alles läuft auf seine Person hinaus. Ist solch ein Rollenverständnis nicht mittlerweile ein Auslaufmodell?

Küppers: In vielen Bereichen bringen Teamgeist und Teamarbeit die Qualität von Arbeit - und das gilt auch für einige Bereiche der Kunst - nach vorne. Es ist in Tat eine Frage, ob es, wenn alles auf eine Stelle zugeschnitten ist, genügend Entfaltungsmöglichkeiten für ein Orchester gibt. Zukünftige Modelle würden da breiter aufgestellt sein müssen, weil man es mit erwachsenen Menschen zu tun hat, mit Künstlerinnen und Künstlern, die eine hohe Qualität haben, so dass - ich sage das jetzt überspitzt - autokratische Führungsqualitäten nicht unbedingt die sind, mit denen man Kunst und Kultur, einen Orchesterbetrieb oder ein Theater zukunftsfähig macht.

SZ: Der Stadtrat hat die Vertragsverhandlungen für gescheitert erklärt, der Dirigent möchte aber in München bleiben. Jetzt werden Sie weitere Gespräche mit ihm führen: Sehen Sie eine Chance, dass man sich im entscheidenden Punkt noch einigt? Also dass nicht der Intendant das letzte Entscheidungsrecht hat, sondern etwa ein kleines Gremium?

Küppers: Wir werden genau über diesen Punkt sprechen. Ich würde aber nur ungern jetzt schon vorgeben, wo man denn hin könnte, um zu einer Lösung zu kommen. Sondern ganz offen in dieses Gespräch mit dem GMD hineingehen, um verschiedene Möglichkeiten auszuloten, was in diesem Bereich noch möglich wäre. Manchmal kann man an Nuancen etwas ändern, so dass dann zu aller Zufriedenheit etwas erreicht werden kann. SZ: Sollten auch diese Gespräche ergebnislos bleiben: Wie sieht dann die Zukunft der Philharmoniker aus? Als der Stadtrat das Scheitern der Vertragsverhandlungen beschloss, haben Sie erklärt, sofort nach einem neuen GMD zu suchen. Wie weit sind Sie dabei gekommen?

Küppers: Das würde ich niemals in der Presse kundtun. Das wichtigste bei der Suche ist Verschwiegenheit, um keine Namen zu beschädigen. Wir werden uns mit Sicherheit nicht unter Zeitdruck setzen lassen, um in ein, zwei, sechs Wochen jemand neuen zu präsentieren. Wir - das Orchester, der Intendant, der Philharmonische Rat und ich - werden, sollte es überhaupt zu einer Neubesetzung kommen, in Ruhe schauen, was für die Entwicklung dieses Orchesters wichtig ist und welche Dirigentinnen oder welche Dirigenten es gibt, die diese Zukunft mit uns gestalten können. Da etwas übers Knie zu brechen, würde über Jahre hinaus dem Orchester schaden.

SZ: Wenn Thielemann gehen sollte, werden wohl die Abonnentenzahlen erheblich einbrechen.

Küppers: Das ist uns schon klar. München hat so etwas Ähnliches vor ein paar Jahren an den Kammerspielen mitgemacht, als Baumbauer kam und Dorn ging und Abonnenten sagten: Mit dem nicht, da gehen wir nie mehr hin. Aber es hat sich gezeigt, dass durch gute Arbeit Abonnenten zurückgewonnen werden. Daher kann es sein, dass auch bei den Philharmonikern Abonnenten nicht mehr kommen. Aber mit guter Arbeit lässt sich so etwas wieder aufbauen.

SZ: Das Orchester würde gern mehr Plattenaufnahmen machen. Der Bayerische Rundfunk hat gerade ein eigenes Label herausgebracht - ist so etwas auch für die Philharmoniker denkbar? Küppers: Es wäre wünschenswert, dass so etwas passiert, aber dafür braucht man einen langen Vorlauf. Der Bayerische Rundfunk hat da große Vorteile im Medienbereich, die wir uns erst erarbeiten müssen. Deshalb würde ich nicht zu utopisch sein und sagen, dass wir das in naher Zukunft schaffen.

SZ: Thielemann gilt als einer der weltbesten Dirigenten, er konzentriert sich auf wenige Stücke des österreichisch-deutschen Repertoires: Würde man bei einem Nachfolger etwas anderes suchen?

Küppers: Natürlich, Thielemann ist einer der weltweit besten Dirigenten in seinem Bereich. Wir würden auch schauen, wie breit das Repertoire eines Nachfolgers wäre - wenn es dazu kommen sollte.

SZ: Thielemann ist in erster Linie Operndirigent, er macht in Baden-Baden zunehmend Oper mit den Philharmonikern. Die sind aber ein Konzertorchester, und die Kosten für konzertante Opernaufführungen in der Stadt sind nicht unbeträchtlich. Küppers: Die Positionierung außerhalb Münchens ist auch Werbung fürs Orchester und für die Stadt. Die Opern in Baden-Baden und die dabei entstandenen DVDs haben dem Orchester in der Reputation sehr gut getan, auch wenn es dafür eine Zeitlang nicht hier war.

© SZ vom 18.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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