Phil Vetter in München:Die Heimat über alles

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Der Münchner Pop-Melancholiker Phil Vetter hat seinen Stil gefunden. Bei seinem Konzert im Ampere stellte er sein neues Album vor.

Leon Scherfig

Phil Vetter hisst die Segel und strandet doch wieder, wo er herkommt: Am Mittwochabend performte der Münchner Singer-Songwriter im Ampere von seinem neuen Album "I pretend my Room´s sailing boat" - eine musikalische Seefahrt, auf der Kapitän Vetter seinen Kahn ganz sicher und routiniert durch unstürmische Pop-Gewässer führte, ohne dass den Passagieren Langeweile drohte.

Phil Vetter bei seinem Konzert in München. (Foto: Foto: Jan Virtanen)

"Ich habe gewissermaßen endlich mit meinem Boot angelegt", sagt der Münchner Pop-Melancholiker. Die Gelassenheit nach einer langen Reise, das Endlich-Zuhause-Ankommen strahlt er aus, wie er hier im Backstagebereich des Ampere sitzt und ruhig Rauchschwaden ausströmt. Vetter ist daheim, zurück zuhause.

Zusammen mit seinen Musikerkollegen von Jamaram wohnt er seit März in einem 200-Quadratmeter-Haus in Weßling, das auf einem Hügel am Waldrand steht, "von dem auch der See nicht weit entfernt ist", wie er sagt. Eine Kommune, abgeschottet von der Welt, eine Art Blaupause des Hippie-Lebens. Phil Vetter, der bereits sein drittes Album rausbringt, kennt andere Zeiten. Im Dachauer Hinterland aufgewachsen begann sein musikalisches Leben schon früh, als er mit acht Jahren unbedingt Trompete lernen wollte und bei einer bayerischen Blaskapelle einstieg.

Die traditionelle Heimatmusik war dann aber doch nicht so ganz sein Fall. Den eigenen Stil fand er erst im krachenden Punkrock. Er spielte bei szenigen Gitarrenbands wie Garden Gang, Erdling und Sitter. Dann, mit seiner Band Big Jim, stand er kurz vor dem großen Durchbruch: Plattenvertrag, Live-Gigs auf den größten deutschen Festivals. Doch 2006 löste sich die Band auf - und Vetter war solo unterwegs. Viel weiter reisen will er im Moment nicht.

"Ich war in London, habe in Berlin gewohnt, aber irgendwie ist das alles nicht meins". Er wolle nicht, dass es auf seinem Klingelschild "Berlin-A9-München" heiße. Er brauche die Heimat, "die sei wichtiger als die hippste Stadt der Welt".

Phil Vetter rückt seine karierte Schiebermütze zurecht, zupft an seinem blauen Sweater und stellt das Bier zur Seite. Ein paar Minuten später erscheint er auf der Bühne: im dunklen Jackett, weißem Hemd und lachsfarbenem Schlips. Er ist ein Verwandlungskünstler, unsagbar flexibel auch, was das musikalische Genre angeht.

Zumeist poppig kommt sein neues Album daher. Sanft greift er beim Song "A New Page In My Diary" in die Klaviatur, ein Melancholiker wie er im Buche steht. Dann dreht er auf: Im Song "High With Indiana Jones", fast schon der Smash-Hit des Albums, feiert er zusammen mit dem Sänger Sam I Am die Helden seiner Kindheit. Plötzlich Baladenhaftes, dann eingestreute Jazz-Anleihen, der nächste Track urbaner Folk - Vetters Repertoire kennt keine Grenzen. Da sei ihm auch seine Reiseunlust verziehen: "Das neue Album hat viel mit Phantasie zu tun. Und in Gedanken kann man sowieso überall hin. Da braucht es keine Fernreisen mehr".

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