Pferdesport:Festtag ohne Fans

Lesezeit: 4 min

Gewohntes Bild: Rudi Haller gewinnt mit Tyrolean Dream den Daglfinger Weihnachtspreis. Gerhard Biendl landet mit Golden Future auf Rang zwei. (Foto: Claus Schunk)

Beim Weihnachtspreis auf der Trabrennbahn Daglfing verteilt die Präsidentin Schokolade an die Fahrer - und zieht eine durchaus positive Bilanz, trotz finanzieller Belastungen. Im Jahr 2021 sind neue Projekte mit Strahlkraft geplant. Wo die Bahn mittelfristig hinzieht, ist aber weiterhin unklar.

Von Andreas Liebmann, München

War was? Auf den ersten Blick nicht. Angelika Gramüller steht warm eingepackt am Rande der Trabrennbahn Daglfing, sie verteilt Schokoladennikoläuse, wie schon einige Wochen zuvor anlässlich des Nikolauspreises - und wie exakt ein Jahr zuvor, weil ihr das ein wichtiges Anliegen ist zum Jahresabschluss, den der Münchner Trabrenn- und Zuchtverein (MTZV) traditionell am zweiten Weihnachtsfeiertag begeht.

Da kommen dann alle noch einmal zusammen, gerne auch ein paar Zuschauer mehr als üblich, weil viele froh sind, am Ende der Weihnachtsfeierei mal rauszukommen. Ein letzter Austausch also in der bayerischen Trabsportszene, die sich ein bisschen als Familie betrachtet (was gelegentlichen Zwist ja nicht ausschließt). Außerdem gibt es für die Präsente einen Sponsor, und der abschließende Renntag drehte sich ja zuletzt um das etwas höher dotierte Peppi-Gramüller-Erinnerungsrennen, das dem 2016 verstorbenen Mann der MTZV-Präsidentin gewidmet ist, einem Trabertrainer.

Den Mundschutz tragen diesmal nur Fahrer, Pferdebesitzer und anderen Funktionsträger - Zuschauer gibt es keine

Aber natürlich war da was. Ein paar hundert Zuschauer können optisch schon mal untergehen auf dem riesigen Gelände und vor den inzwischen recht überdimensioniert wirkenden Tribünenhäusern, doch am Samstag ist eben überhaupt niemand da. Die Schokolade drückt die Präsidentin also den Fahrern, den Pferdebesitzern und einigen weiteren Funktionsträgern in die Hände, die selbstverständlich allesamt Mund-Nasen-Schutz tragen. Es war - und ist - eben eine Corona-Pandemie.

Im Frühjahr war der MTZV dadurch für einige Momente mal stärker im Fokus der Öffentlichkeit, weil er die letzte Sportveranstaltung in ganz München vor und die erste nach dem Lockdown abhielt. Ob das nun etwas so Besonderes war, ist sich Angelika Gramüller nicht sicher. "Es hat sich so ergeben", sagt sie, "vielleicht waren wir mutig, dass wir den letzten Renntag so durchgedrückt haben."

Gramüller zieht ein überraschendes Fazit - zumindest aus Vereinssicht: "Es war ein positives Jahr." Finanziell sieht es etwas anders aus

Verein samt Vorstand und Rennsekretär Sascha Multerer jedenfalls hatten sich von Anfang an sehr bemüht, den Aktiven trotz aller Widrigkeiten Rennen zu ermöglichen, also Gelegenheiten, ihren Berufen nachzugehen, Geld zu verdienen. Eines hätte Gramüller im Frühjahr jedenfalls sicher nicht erwartet: Dass sie nun hier stehen und sich den Satz würde sagen hören: "Es war ein positives Jahr." Zumindest, wenn man es rein aus Vereinssicht sieht und dabei nicht zu viel an Geld denkt.

Sie haben die meisten Renntage, wenn auch ohne Publikum und mit strengem Hygienekonzept, veranstalten können, das war schon mal eine Erleichterung für alle. Außerdem gebe es züchterische Erfolge, erklärt sie, gute Jährlinge etwa, die einiges erhoffen lassen. Und ein "Zukunftsprojekt" sei in konkreter Planung, für eine Serie gehobener Rennen mit vielen Partnern in der EU, mit der man international mal wieder "ins Gespräch kommen" wolle. Im nächsten Jahr werde die Arbeit, im übernächsten dann die auf mehrere Jahre angelegte Serie selbst beginnen, kündigt Gramüller an. "Im Frühjahr haben wir noch überlegt, ob gehobene Rennen überhaupt sinnvoll sind, weil man die natürlich für Zuschauer an der Bahn kreiert."

Immerhin kommt für den Weihnachtspreis finanzielle Unterstützung aus dem Landwirtschaftsministerium

Aktuell ist sie auch deshalb zufrieden, weil zumindest für diesen letzten Renntag finanzielle Unterstützung aus dem Landwirtschaftsministerium ankam, weshalb am Samstag als Tageshöhepunkt der mit 7500 Euro dotierte "Daglfinger Weihnachtspreis des Bayerischen Staatsministeriums für ELF" ausgefahren wurde.

Finanziell beendet der Verein dieses Wettkampfjahr mit einem ähnlichen Ergebnis wie die vorherigen - was an sich nichts Gutes bedeutet, angesichts der misslichen Gesamtsituation aber doch als Erfolg verbucht wird. Ein niedriger sechsstelliger Betrag fehle in der Bilanz, etwa so hoch wie in den Vorjahren, rechnet die Präsidentin vor. Sie hätten viel gespart, doch ohne Publikum an der Bahn fehlten nun mal 25 Prozent der Wetteinnahmen, bei gehobenen Rennen durchaus auch mehr, dazu Einnahmen aus Gastronomie und Veranstaltungen. Und jedes Rennen kostet - doch das haben sie in diesem Jahr klar als unvermeidliche Investition in ihre Sportart und deren Protagonisten betrachtet, weil es schließlich keine Rennbahn mehr bräuchte, wenn zu viele Besitzer aufgeben.

Die Sensoren sind ausgefahren, trotzdem liegen konkrete Umzugspläne der Rennbahn weiter auf Eis. (Foto: Claus Schunk)

Die traditionellen Ehrungen am Samstag bringen nicht gerade Sensationen hervor: Als erfolgreichste Fahrer werden Rudi Haller (38 Siege), Gerhard Biendl (22) und Josef Franzl (21) geehrt, "wie immer", sagt Gramüller lächelnd. In der Tat: Hätten die Drei keine Masken auf, es sähe aus wie jedes Jahr. Erfolgreichster Amateurfahrer wurde Peter Platzer, auch das ist nichts Neues. Mystical Sunshine wird nach 14 Siegen ins Karriereende verabschiedet, und der von Franzl trainierte Far West wird Daglfinger Pferd des Jahres und ist zugleich Deutschlands siegreichster Traber (11). Den Weihnachtspreis gewann schließlich Haller mit Tyrolean Dream.

Konkrete Umzugspläne gibt es für die Rennbahn auch weiterhin nicht. Aber "die Sensoren sind weiter ausgefahren"

Zu jedem Jahresfazit, das sich an zweiten Weihnachtsfeiertagen in Daglfing so unvermeidlich aufdrängt, als führe man eine Münchner Fassung von "Und jährlich grüßt das Murmeltier" auf, gehört die immer gleiche Frage nach der mittelfristigen Zukunft. Der Verein hat sein Rennbahngelände 2005 verkauft und Jahre später vergeblich versucht, es auf juristischem Weg zurückzuerlangen. Die Sulkys sind hier also nicht mehr zu Hause, sie dürfen aber weiterhin ihre Runden drehen. Und es gibt auch dieses Jahr keine neue Antworten.

Maisach als mögliche neue Heimat spielt in den Überlegungen lange keine Rolle mehr, einen alternativen Umzugsplan gibt es aber auch nicht - und der zeitliche Rahmen ist ebenfalls unklar. Corona friere alles ein, sagt Gramüller. Natürlich seien "die Sensoren weiter ausgefahren" auf der Suche nach einer neuen Bleibe - ein schönes Weihnachtsthema übrigens. Aber ohne soziale Kontakte ergebe sich eben auch nichts. Andererseits sind die städtischen Planungen für das neue Wohngebiet im Münchner Nordosten ebenfalls ins Stocken geraten. Der Käufer des Geländes, der niederbayerische Unternehmer Günther Karl, will ja hier Wohnraum schaffen.

Nach Gramüllers Informationen geht auch in dessen Firmenzentrale in Innernzell zurzeit niemand davon aus, dass hier 2026 Platz für Bagger gemacht werden müsste. Vermutlich könnte der Verein also länger bleiben, aktuell sogar mietfrei. Das Grundproblem aber bleibt: "Wir leben von der Substanz", sagt Gramüller, was bedeutet, dass jedes Jahresdefizit durch jenes Geld ausgeglichen wird, das der Verein seit dem außergerichtlichen Vergleich mit Karl auf dem Konto hat - und mit dem eigentlich eines Tages der Umzug bezahlt werden soll. "Wir müssen aufpassen, dass wir noch etwas übrig haben, wenn es soweit ist", weiß Gramüller. Weihnachtsrenntag für Weihnachtsrenntag wird es gewissermaßen weniger.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: