Petra Perle:Die Zeit läuft rückwärts

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Direktmandat, Schlager, Turmstüberl: Petra Perle hat schon einige Phasen in ihrem Leben durchgemacht.

Rebecca Brielbeck

Die Sonne scheint durch die Fenster, aus der Musikanlage schallen Schlager der zwanziger Jahre, überall altmodischer Krimskrams. Man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt und lässt sich von der beschwingten Atmosphäre anstecken. Auf jedem Tisch steht ein Korb mit frischen Brezen. Sie sind für die Spezialität des Turmstüberls von Petra Perle gedacht, den Weißwürsten.

Petra Perle in ihrem Turmstüberl im Isartor. (Foto: Foto: Rebecca Brielbeck)

Perle steht in der Küche und bereitet eine heiße Schokolade mit einem riesigen Berg Schlagsahne für einen ihrer Stammgäste zu. Mit ihrem Leopardenoberteil, den schwarzen Haaren und den kräftig geschminkten Lippen sieht sie aus, als würde sie jeden Moment auf eine Bühne steigen und ein Lied zum Besten geben.

Doch die Bühnen-Phase in ihrem Leben hat sie eigentlich schon hinter sich. Seit mittlerweile fünf Jahren betreibt sie das kleine Café ganz oben im Isartor. Nebenbei führt sie die Besucher durch das ebenfalls dort beheimatete Karl Valentin Musäum, entwirft Schmuck und Taschen und ist Ehefrau und Mutter.

"Keine wirkliche Herausforderung"

Petra Perle ist in den sechziger Jahren geboren, ihr genaues Alter verrät sie nicht. Aufgewachsen ist die Münchnerin direkt gleich am Isartor, auf dem Viktualienmarkt, wo ihre Eltern ganz in der Nähe eine Goldschmiedewerkstatt betrieben. "Da gab es wirklich schöne Ecken, wohin man sich nach der Schule verzupfen konnte", erzählt sie. "Zum Beispiel der große Spielplatz am Sankt-Jakobs-Platz oder die alten Hinterhöfe mit ihren Durchgängen. Bis um 18 Uhr hatten wir Kinder quasi Narrenfreiheit. Damals gab's ja noch kein Handy, mit dem man uns hätte hinterher telefonieren können."

Mit 14 Jahren machte Perle eine Ausbildung zur Goldschmiedin. "Das war immer mein Traumberuf", sagt sie. "Schon mit acht oder neun hab ich in der Werkstatt meiner Eltern mitgeholfen. Da konnte ich zu Beginn meiner Ausbildung bereits ziemlich viel. Nur Disziplin musste ich noch lernen." Das hat sie offensichtlich getan: 16 Jahre blieb sie im Geschäft der Eltern. Zuletzt als Geschäftsführerin. "Am Schluss war allerdings eine Sättigung erreicht. Es gab keine wirkliche Herausforderung mehr."

Also orientierte sie sich um und hat seither viel gemacht: Sie war Performancekünstlerin, Schlagersängerin, hat ein Buch geschrieben und sich in der Schauspielerei versucht. Bereut hat sie nichts von alledem. "Ich wäre sicher nicht der Mensch, der ich heute bin, wenn ich das alles nicht erlebt hätte", sagt sie.

Und so sitzt eine Person im Turmstüberl, die wirkt, als wäre sie mit sich im Reinen. Entspannt erzählt sie von ihrem Leben, ihrer Familie, ihren Hobbys und vergisst darüber hinaus nicht, sich um ihre Gäste zu kümmern. Für ein kleines Schwätzchen hat sie immer Zeit.

Hausfrauenclub 2000

Der Ausflug ins Showgeschäft machte Perle Anfang der neunziger Jahre auch über München hinaus bekannt. Mit Liedern wie "Danke Meister" und "Ich bekomme ein Baby und Du bekommst eins mit" konnte sie Erfolge feiern. Insgesamt veröffentlichte Perle in dieser Zeit 22 Tonträger. Als 1999 ihre Eltern starben, beendete Perle ihre Gesangskarriere und läutete mal wieder eine neue Phase ihres Lebens ein.

So teilt Petra Perle ihr Leben ein: in Phasen. Weitere sind: 1997 hat sie als Direktkandidatin mit dem Mandat "HSC 2000 - Hausfrauenclub 2000" für die Bundestagswahlen kandidiert. Der Wahlkampfslogan: "Weg mit dem Schmutz und immer schön sauber bleiben" brachte ihr immerhin 0,5 Prozent der Stimmen in ihrem Wahlkreis ein. "Das Ganze war allerdings sehr kräftezehrend und geldintensiv", so Perle. Schon die Mindestanzahl der Unterschriften, die man für eine Kandidatur braucht, aufzutreiben, sei wahnsinnig anstrengend gewesen. Im Jahr 2000, als sie erneut kandidieren wollte, ist ihr das mit dem Unterschirftensammeln dann nicht noch einmal gelungen.

Petra Perle
:Die Zeit läuft rückwärts

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Rebecca Brielbeck

Mittlerweile befindet sich Petra Perle in einer Phase, die immerhin seit fünf Jahren hält. Sie ist sie Wirtin im Turmstüberl des Karl Valentin Musäums im Isartor und sehr glücklich dabei: "Jeden Tag bin ich ein bisschen dankbar dafür, dass ich das hier machen darf", so Perle. Und auch das war, wie so vieles in ihrem Leben, überhaupt nicht geplant. "Meine gute Freundin Sabine Rinberger hat sich für den Posten der Museumskuratorin beworben und mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, das Gleiche für die Stelle der Wirtin zu tun. Da musste ich nicht lange überlegen."

Körperlich am Ende

Der Start gestaltete sich für Petra Perle und ihre damalige Geschäftspartnerin allerdings schwierig, verfügten beide zu dieser Zeit über keinerlei Erfahrung in der Gastronomie. "Nach einem halben Jahr war ich körperlich völlig am Ende", sagt Perle. Nun habe sie aber das richtige Maß gefunden und mache nicht mehr alles allein. Inzwischen hat Petra Perle sogar Zeit, Museumsführungen zu geben. Sie ist angekommen im Karl Valentin Musäum.

Dass ihr das Turmstüberl und das Karl Valentin Musäum tatsächlich sehr am Herzen liegen, merkt man ihr an: Mit strahlenden Augen erzählt sie bei den Führungen Anekdoten aus Karl Valentins und Liesl Karlstadts Leben, über das sie bestens Bescheid weiß. Für das Türmstüberl stöbert sie immer wieder neuen Klimbim auf, der dem kleinen Café seine individuelle Note gibt und ganz im Geiste Karl Valentins, der gerne die eine oder andere Ansicht auf den Kopf stellte, hat sie dem Isartor eine besondere neue Uhr gestiftet. Diese läuft verkehrt herum. "So müssen die Leute ein bisschen nachdenken, wenn sie wissen wollen, wie spät es ist", erklärt Perle.

Neben ihrem Job als Wirtin entwirft Perle wieder Taschen, designt Schmuck und schreibt ein neues Buch. Dennoch hat sie Zeit für ihr Privatleben und das verbringt sie am liebsten mit ihrem Mann in der Landeshauptstadt. "Ich bin noch nie gerne in den Urlaub gefahren. Wozu auch? Die ganze Welt kommt doch eh nach München."

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