PeterLicht in den Kammerspielen:Als ob alles Nichts wäre

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Ein netter Abend: Der Popmusiker und Schriftsteller PeterLicht lädt zur Werkschau in die Münchner Kammerspiele.

Alex Rühle

Also, okay, sagen wir, es war ein super schöner Abend. Wobei man das vielleicht noch mal genauer fassen sollte, es ging schon einen Tacken in Richtung nicht so gut, weil so wenig Neues dazukam, zum Text, den's ja schon als Buch gibt, und zu den Liedern, die's ja schon als CD gibt, weshalb da irgendwann so eine leichte Enttäuschung einsetzte, weil man ja erstmal denkt, Theater, hmmm, neue Form, neues Glück, was wird da jetzt als ästhetisches Bonusmaterial geboten, doch wohl die Schauspieler, aber die waren ja hier nur ein Sprecherkollektiv, also müsste man vielleicht sagen, es war mau, was ja dann doch eher unokay wäre, aber glücklicherweise gab es die tolle Idee vom vollgerümpelten Raum, und außerdem ergibt die Kombi aus Liedern und Text auch einen ganz interessanten Remix, so dass man als Ergebnis festhalten kann: two thumbs up, netter Abend.

PeterLicht ist in seinen Texten permanent heiter und dekonstruiert sie sanft. (Foto: Foto: Motor/oh)

So ähnlich läuft das ab in PeterLichts "Geschichte meiner Einschätzung am Anfang des Dritten Jahrtausends", einem Text, der sich permanent heiter und sanft selbst dekonstruiert, jede anfänglich positive Behauptung wird da über Seiten hin relativiert und abgeschwächt, bis der Erzähler jeweils beim rabenschwarzen Gegenteil von dem landet, was er zuerst behauptete, in der Komplettkatastrophe, die dann aber auch wieder gutgelaunt einkassiert wird.

Viermal wird das in dem kurzen Text durchexerziert, mit dem Licht 2007 in Klagenfurt den Publikumspreis gewann, anhand der Parameter, die die häusliche Idylle bestimmen: Geld, Beziehung, Wetter, Wohnen. Alles ist anfangs freundliches Feierabendglück und kein Problem und kippt dann ins Thomas Bernhardsche Desaster um, ja das harmlos gemütliche Sitzen auf einem Sofa endet in der totalen Apokalypse, "so, als ob alles Nichts wäre."

Der Werkraum der Münchner Kammerspiele: Nichts, ein leerer Raum, in dem das junge Publikum herumsteht, in zufälligen Grüppchen im Raum verteilt, und während man gerade überlegt, ob die 200 tief hängenden Glühbirnen über uns eine von PeterLichts vielen Spielereien mit seinem Namen sind, fängt plötzlich neben einem jemand an, die "Geschichte meiner Einschätzung . . ." zu deklamieren: "Es ging mir gut. Ich war gesund, und ich hatte Geld. Nicht gerade unglaublich viel Geld, aber ich hatte."

14 junge Schauspielerinnen und Schauspieler stehen da wie brave Arbeitnehmer oder Stellenmarktbewerber, gekleidet in Grün- und Blautönen, mit gestärktem Hemd und Pullover darüber, alle mit dezenten Wohlstandsbauchkissen unterm Kostüm, alle ordentlich frisiert. Keine Einzelfiguren, keine Namen, Durchschnittsfiguren aus unserer Mitte, die sich unters Publikum gemischt haben, permanent umherlaufen, austauschbar, und schnell einräumen, dass sie all das Geld eigentlich nur in Form von sorgenvollen Gedanken haben, weil man ja schon froh sein muss, wenn das "Minusgeld" nicht mehr wird. So weit, so Buch.

Aber dann brechen sie ab, vier Musiker kommen herein, intonieren eine kleine kreiselnde Melodie und die Schauspieler singen: "Hey hey meine Freunde vom leidenden Leben / welches Stück wolln wir geben?" Es ist einer der Songs von PeterLichts neuem Album "Melancholie und Gesellschaft", in dem er einmal mehr vormacht, wie man so etwas wie Kapitalismus- und Systemkritik heute unterhaltsam verpacken kann. Immer kommt er leicht und heiter daher, musikalisch ist das manchmal enervierend in seiner strahlenden Dur-Seligkeit und cremigen Totalharmonik, aber es ist ihm tatsächlich ernst, wenn er vom "unpfändbaren Rest unserer Herzen" singt und darauf pocht, dass es trotz des lückenlosen Verblendungszusammenhangs, wie das in ideologisch grimmigeren Zeiten genannt wurde, so etwas wie ein geglücktes Leben geben kann.

"Nein nein nein" heißt es in "Räume räumen", dem Eröffnungssong der CD, "So viele Sekunden hat mein Tag nicht, die ich bräuchte, um mein ,nein‘ zu sagen." Gleich darauf singt er dann "Ja ja ja, Lass uns glücklich sein oder verschwunden sein Lass uns kleiner werden am Horizont".

"Räume räumen" gibt dem Einakter an den Kammerspielen seinen Titel - und die zentrale Handlungsanweisung: Die 14 Schauspieler müssen während ihres Vortrags permanent Möbel in den anfangs leeren Raum schieben, kein chices Mobiliar, sondern das Durchschnittsgerümpel, mit dem man über die Jahre sein Leben zustellt.

Das Zeug wird in scheinbar ziellosen Choreographien hin- und hergeräumt, wodurch auch die Zuschauer bewegliche Masse bleiben, sicherheitspolizeilich ist das eine hochinteressante Veranstaltung, so viele Beinahezusammenstöße und Fastunfälle dürfte es selten gegeben haben auf einer deutschen Bühne. Spätestens nach einer Stunde möchte man den Schauspielern unbedingt zur Hand gehen bei ihrem beeindruckend anstrengenden Geräume, während sie davon erzählen, wie sie gemütlich zu Hause auf dem Sofa saßen und darauf warteten, "mit angenehm vom Tage ermatteter Brust auf den Schwingen einer geglückten Abendunterhaltung in die Nacht zu segeln."

Das sind schon großartige Zeilen, und Licht hat für den Abend die "Geschichte meiner Einschätzung" mit seinen besten Liedern verknüpft, die die Frage stellen nach dem richtigen Leben im falschen, durchglobalisierten, werbungsverseuchten, in dem unsere Freiheit zusammengeschrumpft ist auf die Wahl der Produkte.

Licht kennt sich da aus, in seinem früheren Leben war er Werbetexter, und er schreibt sich ja auch PeterLicht, so wie iPhone, WickMediNait und all die anderen dämlichen Marken, die unsere Wohnungen und unser Leben vollrümpeln, bis da kaum noch Platz ist für den Menschen, die Zuschauer, die Musiker und die Schauspieler, die am Ende, nachdem sie gerade erst von der Katastrophe berichteten, die alles verschlang, auf den Möbelberg steigen und sehnsuchtsvoll schwärmend vom Frühstück am nächsten Morgen erzählen, die Sonne scheint, "ich trank einen Roibuschtee und machte ausnahmsweise zwei weiche Eier für uns beide."

Freundlicher kann man sich kaum lustig machen über die berechtigte Sehnsucht danach, dass da doch mehr sein muss als Krise, Mehrwert und Marketing.

© SZ vom 02.02.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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