Perspektiven 2015:Spannende Aussichten

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In Untergiesing-Harlaching werden in den kommenden Monaten vor allem die Pläne für die künftige Nutzung des ehemaligen Osram-Firmengeländes die Diskussion bestimmen. Der Bezirksausschuss fordert, die Bürger umfassend zu beteiligen

Von Julian Raff, Untergiesing

Für Außenstehende waren die Videokunst-Stelen am Mittleren Ring jahrelang das Aufregendste am Osram-Firmengelände zwischen Candidplatz und Isar. Mit dem Umzug der Firmenzentrale nach München-Nord hat sich das 3,16 Hektar große Areal nun aber in eine begehrte Entwicklungsfläche verwandelt, die den Stadtbezirk Untergiesing-Harlaching zwar nicht gleich zum größten Wachstumskandidaten im Münchner Süden macht, ihn aber doch weiter verdichten wird - und womöglich verteuern. Auf jeden Fall steht der Bezirksausschuss-Vorsitzende Clemens Baumgärtner (CSU) nicht allein mit der Prognose, dass es 2015 am früheren Firmensitz Hellabrunner Straße "turbospannend" wird. Die Bagger werden in diesem Jahr kaum anrücken; zur wichtigsten politischen Baustelle des Jahres im Bezirk dürfte das Gelände aber schon deshalb werden, weil die Überplanung 2014 ins Stocken geraten war und niemand an weiteren Verzögerungen interessiert sein kann. Eigentlich hatte ein städtischer Eckdatenbeschluss bereits Ende 2013 den Weg gewiesen und eine Bebauung mit 370 Wohnungen für rund 850 Einwohner skizziert. Auf eine Konkretisierung warten Bezirksausschuss und Anwohner vor allem, weil bis Anfang Oktober unklar blieb, ob und an wen Osram verkauft. Mit der bundesweit tätigen ABG-Gruppe ist vor drei Monaten ein neuer Akteur zu den Bedingungen des Eckdatenbeschlusses eingestiegen. Spätestens jetzt erwartet Baumgärtner von Bauherren und Stadtplanern, den Diskussionsfaden wieder aufzunehmen - am besten in Form einer Bürgerwerkstatt, wie sie sich immer mehr als Standard bei Großvorhaben durchsetzt. Die ABG-Verantwortlichen hätten ihn und die Untergiesinger um Geduld bis zum Frühjahr oder Frühsommer gebeten, so Baumgärtner. Zuvor wollen sie als Diskussionsgrundlage je eine Planung mit-, beziehungsweise ohne das vordere Bestandsgebäude an der Candid-straße (Mittlerer Ring) ausarbeiten lassen. Offiziell steht der 51 Jahre alte, verglaste Kubus noch unter Denkmalschutz, was allerdings, ähnlich wie beim Obersendlinger Siemens-Hochhaus, einiges Kopfschütteln hervorruft. Das Landesamt für Denkmalpflege hatte 2013 signalisiert, nur unter der Bedingung am Denkmalschutz festzuhalten, dass sich eine dazu passende Nutzung findet, was Wohnungen eigentlich ausschließt. Münchens Heimatpfleger Gert Goergens hingegen bat den Stadtrat schriftlich, "diese Ikone der Moderne nicht zu opfern". Ein klares "Weg mit dem Ding" hält Baumgärtner dem entgegen - zumindest dann, wenn man ihn nach seiner persönlichen Meinung fragt. Untergiesing sei weder ein Architekturmuseum noch eine Spielwiese für Architekten. Andere Beobachter äußern sich etwas zurückhaltender und wollen das Urteil den Experten überlassen. Michael Sporrer, SPD-Fraktionssprecher im Bezirksausschuss, gesteht dem Bau durchaus Denkmalwert zu, um jeden Preis erhaltenswert findet er ihn aber nicht, wenn gleichzeitig echte Identifikationsorte, wie etwa das Harlachinger Café Deml verschwinden. "In der Bredouille" zwischen Denkmalschutz und dem dringenden Bedarf nach neuen Wohnungen sieht sich Maximilian Heisler vom "Bündnis bezahlbares Wohnen". Sowohl er als auch Sporrer wollen die Idee einer öffentlichen und kulturellen Nutzung des Bürobaus nicht komplett abschreiben - und sei es nur als Zwischenlösung à la "Puerto Giesing". Heislers entsprechenden Antrag nahm die Bürgerversammlung im November einstimmig an. Überhaupt liegen die Parteien und Interessengruppen in ihren Vorstellungen zur Zukunft des Osram- Geländes nicht allzu weit auseinander. Einhellig fordern sie, die 30-prozentige Quote geförderter Wohnungen im Rahmen der "sozialgerechten Bodennutzung" voll auszuschöpfen; und wenn es unbedingt sein muss, auch querfinanziert durch einzelne Luxuswohnungen. Die Gliederung des Baugeländes gibt eine klare Zweiteilung vor: Im Norden die optisch und akustisch wenig anheimelnden Lagen am Ring, im Westen an den Isarauen die Filetstücke. Heisler macht sich keine Illusionen darüber, dass die Investoren entsprechend planen werden, baut aber auf moderne Schallschutz- und Lüftungskonzepte, die Ruhe und gutes Raumklima ermöglichen, wenn auch bei permanent geschlossenen Fenstern. Von Maximalforderungen nach freiwilliger Überschreitung der Sobon-Quote verspricht sich der Mieteraktivist nichts. Baumgärtner kann sich unterdessen einen anderen Weg zur Mehrung vergünstigten Wohnraums vorstellen und sähe den Eckdatenbeschluss am liebsten auf 420 bis 450 Wohnungen aufgestockt, damit auch den Sozialanteil. Mit der Forderung, die Planung zu beschleunigen, sieht der CSU-Stadtteilpolitiker die Zwischennutzung durch Künstler oder Eventveranstalter eher kritisch. Insgesamt erkennt er aber wenig echtes Konfliktpotential mit den übrigen Fraktionen, auseinander liegen SPD und CSU eher in Details.

Wenig hält Baumgärtner zum Beispiel von der SPD-Initiative, dem Sozial-Mix Demenz-Wohngruppen als Filiale eines benachbarten Heimes hinzu zu fügen. Abgesehen davon, dass die Flächenfestsetzung keine Pflege-Einrichtungen vorsehe, brauche das Viertel eher Verjüngung. Wirklich bereichern, so Baumgärtner, könnte die Gegend auch ein Bio-Supermarkt, während Discounter und Supermarktketten in der Umgebung bereits gut vertreten seien. Auf keinen Fall dürften Zahnärzte, Steuerberater und Anwälte die Gewerbeflächen "kapern" und ohne Nutzen für die neuen Bewohner belegen, fordert Baumgärtner. Klientelpolitik kann man dem praktizierenden Anwalt damit schon mal nicht vorwerfen.

© SZ vom 02.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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