Personenschützer bei der Polizei:Chef der 40 Unsichtbaren

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"Wir sind fremdbestimmt, wir haben uns nach dem Terminplan der Schutzperson zu richten", erklärt Peter Steininger. (Foto: Stephan Rumpf)

Seine Leute sichern die Auftritte von Politikern, Adel und Prominenz: Peter Steininger leitet die Abteilung Personenschutz beim Polizeipräsidium München. Er erklärt, welche Eigenschaften ein Bodyguard haben muss, wieso es so wenige Frauen in dem Job gibt und warum die Personenschützer oft Sonnenbrillen tragen.

Von Susi Wimmer

Peter Steininger ist knapp 1,90 Meter groß. Ein Schrank von einem Mann, könnte man sagen. Auf jeden Fall einer, hinter dem man gut in Deckung gehen kann. Graue Schläfen, dezente Brille, makelloses Auftreten. "Wir sind überall dabei, aber wir gehören nie dazu", sagt er. Oder: "Wir müssen immer so nah wie nötig und so weit weg wie möglich sein." Solche Sätze schärft Steininger seinen "Jungs" ein. Peter Steininger, 58, ist Erster Polizeihauptkommissar und Chef von 40 Personenschützern am Polizeipräsidium München.

Über zwei Gänge führt das Reich von Peter Steininger an der Tegernseer Landstraße in der alten McGraw-Kaserne. An den Wänden hängen Fotos von jungen Männern in Siegerposen, allesamt durchtrainiert, jung, bei sportlichen Wettbewerben erfolgreich. Nur die Schritte des Besuchs hallen durch die langen Gänge, alle Büros sind verwaist. "Meine Jungs sind draußen", sagt Steininger und bietet Süßigkeiten aus einer blauen, mit Blumen verzierten Blechdose an, ein Geschenk des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai.

Wer es beruflich bis hierher, in das Kommissariat 46, geschafft hat, hat ein hartes Auswahlverfahren hinter sich gebracht. Er hat es jetzt die meiste Zeit "mit den oberen Zehntausend" zu tun - und er kann sein Privatleben nahezu an den Nagel hängen. "Wir sind fremdbestimmt, wir haben uns nach dem Terminplan der Schutzperson zu richten", erklärt Steininger.

Diskretion und harte Prüfungen

"Schutzpersonen", derer gibt es in München einige. Nur bei der Nennung von Namen ist Steininger - was auch sonst - diskret. Er nennt als Beispiel für "permanente Schutzpersonen" die Generalkonsule von "gefährdeten Konsulaten". Journalisten, die sich zuweilen auf Terminen bewegen, wissen, dass der amerikanische Generalkonsul William Moeller nie ohne Personenschützer aus dem Haus geht, dass sich Christian Ude als SPD-Anwärter auf den Ministerpräsidenten-Posten bei seinen Wahlkampfterminen immer in sicherer Begleitung befand und dass sich die Bodyguards auch um Charlotte Knobloch als Präsidentin des Zentralrats der Juden gekümmert haben. Steininger schweigt dazu.

Auch bei "aktuellen Gefährdungen" oder Bedrohungen, Stichwort: Russenmafia-Prozess in München, waren Steiningers Männer im Einsatz. Oder bei Scheidungen: Wenn Opfer häuslicher Gewalt sich von ihrem Partner trennen und zu befürchten ist, dass der Mann etwa beim Scheidungstermin ausrastet. Vier Scheidungen hat Peter Steininger schon hinter sich, davon drei dienstliche.

Auf Tuchfühlung mit den Großen dieser Welt war Peter Steiniger schon oft genug. Denn die Münchner Personenschützer sind auch für die Sicherheit von hohen Staatsgästen zuständig. Sicherheitskonferenz, Weltmeisterschaft, Oktoberfest, Staatsbankette. "Faszinierende Personen mit einer Ausstrahlung" habe er kennengelernt, schwärmt er. Und er erzählt vom Dalai Lama, der ihn gesegnet und am Ohrläppchen gezupft hat, von Prinz Charles und Bill Clinton ("ein Typ mit einer irren Ausstrahlung") und dem japanischen Tenno, der ihm spontan die Hand schüttelte, was die höfischen Protokollchefs einer Ohnmacht nahe brachte.

Und Gorbatschow. "Es war mein Fehler", räumt er sofort ein. Der ehemalige russische Präsident Michail Gorbatschow weilte 1993 für eine Woche in Bayern, "und nach der Wiedervereinigung lag ihm ganz Deutschland zu Füßen". Peter Steininger war sein Personenschützer, begleitete ihn zu den Festspielen nach Bayreuth. "Ich war leichtsinnig, irgendwie dachte ich, in meiner Heimat kann nichts passieren." Deshalb trug Steininger auch den Spezialschirm nicht bei sich, ein durchsichtiger Schutzschild, ideal, um kleinere Gegenstände abzuwehren - und da flog das Ei aus der Menge. Ein Kollege Steinigers versuchte noch, das Ei mit der Hand abzuwehren, stattdessen schlug er es im Flug auf. Eine Hälfte traf Edmund Stoiber am Kopf, der Rest kleckste auf Gorbatschow. Peter Steininger hat den Vorfall beruflich überlebt. Und nicht nur das: Gorbatschow bat ihn am letzten Abend in seine Suite im Vier-Jahreszeiten, bedankte sich für die Arbeit und verabschiedete sich mit dem berühmten Bruderkuss, Ehefrau Raissa ebenso.

Die Arbeit der Personenschützer beginnt weit vor dem Termin, an dem "die Schutzperson" eintrifft: Bei der Sicherheitskonferenz oder anderen Veranstaltungen mit prominenten Gästen wird vorab die Örtlichkeit gecheckt. "Wie komme ich rein, wer ist Veranstalter, wie ist die Bestuhlung, die Fluchtwege, wo wird das Fahrzeug abgestellt, wo sind die Toiletten, welche Unterstützungskräfte stehen zur Verfügung." Die Liste ist endlos. Die Männer vom Secret Service etwa haben immer besondere Wünsche und Fragen. Nach Hubschraubern, Autobahnsperren und sonstigem. Die Personenschützer begleiten die Staatsgäste immer "vom gesicherten Raum", also der Suite, den ganzen Tag lang und bringen die Person abends wieder in die Suite zurück. Diese wird bei besonders gefährdeten Personen auch nachts von einer Hotelwache gesichert.

Stressstabil, entschlossen, mutig und mindestens drei Jahre im Streifendienst. Das sind Voraussetzungen, die ein Personenschützer mitbringen sollte. Es folgt: ein gepfefferter Sporttest, Schießtest, Fahrtest und ein Auswahlgespräch. Da ist ein Beamter des Psychologischen Dienstes dabei, da zeige sich, ob der Anwärter "das Standing" hat für den Job. Ob er verschwiegen ist "und mit sensiblen Sachen bewusst umgeben kann".

"Du kennst alle Schwächen"

Denn eines ist klar: Personenschützer kommen ihren Klienten zuweilen so nah, dass keine dunkle Sonnenbrille dazwischen passt. "Du dringst in die Intimsphäre des anderen ein, du kennst alle Schwächen und Stärken, das Umfeld, Verwandtschaft und Bekanntschaft und einiges mehr", sagt er. Trotzdem muss der Sicherheitsmann immer förmliche Distanz wahren, auch wenn er eine Person jahrelang begleitet. Wobei: "Wo es Menschen gibt, da menschelt es", meint der 58-Jährige. Und verweist auf Stephanie von Monaco, die mit ihrem Bodyguard verheiratet war, zumindest kurzzeitig.

Sonnenbrillen tragen die Personenschützer tatsächlich, nicht nur im Film. "Damit ein potenzieller Angreifer nicht weiß, wo wir hinschauen", erklärt Steininger. Hält etwa ein Staatsgast eine Rede vor großer Menge, stehen die Personenschützer im dunklen Anzug ("wir sagen: freundliches mausgrau ohne modischen Schnickschnack") daneben und beobachten die Menge.

Wissenschaftliche Studien haben auffällige Unauffälligkeiten bei Attentätern ausgemacht. "Natürlich ist sein Puls erhöht, er hat Schweißperlen auf der Stirn. Wenn alle zur Bühne schauen und einer nicht, dann ist das verdächtig", zählt Steininger auf. Aber - mehr wird nicht verraten.

Nur noch so viel: Dass wissenschaftlich auch erwiesen ist, dass Frauen für solche Auffälligkeiten eine besseres Auge haben als Männer. In Steiningers 40-Mann-Dienststelle gab es auch mal Frauen. Ganz vereinzelt. Momentan arbeitet keine einzige im Team. "Meist scheitert es an der Physis", sagt der Chef. Die Personenschützer müssen jedes Jahr aufs Neue einen Leistungsnachweis erbringen - Bankdrücken, Laufen, Schießen und einiges mehr.

Steininger hat viel erlebt im Dienst

Steininger war sieben Jahre lang beim SEK. Er stand bei der Gefangenenmeuterei im Straubinger Gefängnis auf dem Dach, er war 1986 beim Geiseldrama an der Winzererstraße und dem finalen Rettungsschuss dabei. "Ich habe viel erlebt", sagt er. Und doch kam er nie vom Personenschutz los. Er war zu RAF-Zeiten schon im Dienst, hat Wirtschaftsbosse begleitet. Heute, als Chef der Truppe, ist er meist nur bei großen Ereignissen mit vor Ort. 26 Jahre ist er nun beim Personenschutz, mit Abstand der Dienstälteste. Denn Personenschützer dürfen nur zehn Jahre auf der Dienststelle bleiben, dann müssen sie wechseln. "Viele Beamte sind auch in die Wirtschaft gegangen, bei besserer Bezahlung." Einer seiner besten Bodyguards ist nach neun Jahren ausgestiegen. Er wurde Priester.

Situationen, in denen es wie in Kinofilmen um Leben oder Tod ging, hat Peter Steininger in seiner ganzen Amtszeit nicht erlebt. Wenngleich es tatsächlich zur Aufgabe eines Personenschützers gehören würde, sich in die Flugbahn einer Kugel zu werfen, um "die Schutzperson" zu retten. Bei dem Attentat auf Wolfgang Schäuble etwa warf sich ein Mann des Bundeskriminalamtes auf den Minister - und wurde von der dritten Kugel getroffen. "Meine Jungs", sagt Steininger, "die sind gut ausgebildet. Die würden das schon tun." Mit Schutzweste, versteht sich.

© SZ vom 17.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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