Häusliche Gewalt:Warum es so schwer ist, Opfer zu schützen

Nach dem Mord an einer 29-jährigen Mutter in München wird diskutiert, wie es dazu kommen konnte. Taifoun A. galt als gewaltbereit, das war seit Juli aktenkundig. Wie schwierig es ist, potenzielle Täter von einer Straftat abzuhalten - und wo Opfer Hilfe bekommen.

Von Tom Soyer und Susi Wimmer

Gegen den 33-jährigen Küchenhelfer Taifoun A., der am Montag in Giesing seine Frau aus Eifersucht mit einem Messer getötet hat und sich anschließend auf einer Polizeiwache festnehmen ließ, ist Haftbefehl wegen Mordes ergangen. Wie berichtet, hatte er ein längst verhängtes Kontaktverbot wegen häuslicher Gewalt missachtet und der 29-jährigen Mutter zweier gemeinsamer Kinder im Treppenhaus ihrer Wohnung aufgelauert. Dort tötete er sie mit fünf Stichen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft habe Taifoun A. die Frau so in eine Ecke gedrängt, dass sie keine Chance zur Flucht hatte. Dass der Täter gewaltbereit war, war seit Juli aktenkundig - nun wird diskutiert, ob und wie die Bluttat hätte verhindert werden können.

Warum ist es so schwer, Opfer häuslicher Gewalt zu schützen?

Beim Polizeipräsidium München wurden im Jahr 2012 genau 3502 Fälle von Partnergewalt angezeigt, meist sind die Täter Männer. In zwei oder drei von diesen Fällen eskaliert die Gewalt bis zum Mord, sagt Kriminalhauptkommissarin Andrea Kleim, die im Polizeipräsidium München im Opferschutz-Kommissariat 105 arbeitet. "Es ist schwer zu identifizieren, welcher dieser Fälle potenziell gefährlich ist." Und es bedürfe immer auch der Bereitschaft der Opfer, Gewalt öffentlich zu machen: beim Anwalt, bei einer Beratungsstelle oder bei der Polizei (Telefon 089/2910-4444).

Wie kann ein Opfer wirksamen Schutz erhalten?

Andrea Kleim empfiehlt ein "gestaffeltes Vorgehen" - und von Anfang an eine lückenlose Dokumentation, am besten über Anzeigen bei der Polizei. Wird die Polizei etwa nach einer häuslichen Prügelei gerufen, können die Beamten als Sofortmaßnahme ein vorläufiges Kontaktverbot für zehn Tage aussprechen. In dieser Zeit, so empfehlen Expertinnen eines Münchner Frauenhauses, die anonym bleiben wollen, kann "in Ruhe" beim Familiengericht ein gerichtliches Kontaktverbot beantragt werden. Dieses gilt für sechs Monate und kann verlängert werden.

Bei einem Verstoß dagegen droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft. Um zu verdeutlichen, dass das auch durchgesetzt wird, führt die Polizei mit Tätern "Gefährderansprachen".

Wichtig ist: Das Familiengericht kann ausschließlich auf Antrag der Geschädigten tätig werden. In "ganz massiven Fällen", so Kleim, könne die Polizei prüfen, ob ein potenzieller Täter in vorbeugende Untersuchungshaft genommen werde. Nach maximal einem Tag müsse aber ein Gericht den Haftbefehl bestätigen, und das sei rechtlich "sehr kompliziert". Ist vorauszusehen, dass ein Ehemann etwa bei einem anstehenden Scheidungstermin ausrasten könnte, kann die Frau Personenschutz bekommen.

Wo sind die Grenzen der Hilfe?

Vergehen gegen das Gewaltschutzgesetz sind, vorsichtig ausgedrückt, nicht sehr hoch eingestuft. Für die Justiz ist es daher nicht einfach, eine Handhabe gegen Täter, erst recht gegen potenzielle Täter zu bekommen. Wer wie Taifoun A. über einen festen Wohnsitz verfügt und ohne Vorstrafen ist, kann in den persönlichen Freiheitsrechten kaum eingeschränkt werden.

Darauf hat auch Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch hingewiesen. Umso wichtiger sei es, dass Opfer jeden Verstoß gegen ein Kontaktverbot sofort anzeigen - bei der Polizei und parallel auch beim Familiengericht. Auf die separate Gerichtsanzeige macht Andrea Kleim ausdrücklich aufmerksam, erst dann können Zwangsmaßnahmen wie ein Ordnungsgeld oder die Ordnungshaft verhängt werden.

Welche Anlaufstellen für Hilfe gibt es?

In München gibt es ein bayernweit vorbildliches Netzwerk, das "Münchner Unterstützungsmodell gegen häusliche Gewalt", zu dem sich zahlreiche Beratungsvereine und Einrichtungen sowie die Polizei zusammengeschlossen haben. Wird eine Streife zu einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt gerufen, meldet sich eine dieser Stellen binnen drei Tagen beim Opfer und bietet "proaktiv", wie Kriminalhauptkommissarin Kleim betont, jedwede Beratung an.

Dazu gehören dann Informationen über Unterstützung bei der Regelung von Unterhalt und Sorgerecht von Kindern ebenso wie Informationen über Frauenhäuser als "die einzig wirklich sichere Zuflucht". Kleim kann dabei unter anderem anbieten, Verletzungen nach einer Auseinandersetzung "bei der Rechtsmedizin dokumentieren zu lassen", sie kann mit Dolmetscher arbeiten. Als bewährte Beratungsstellen nennt sie unter anderen: den Verein Frauen helfen Frauen (Telefon 089/645169), den Verein Frauenhilfe München (089/354830), den Frauennotruf (089/763737) oder die Interventionsstelle des Landkreises München (089/4445400).

Viele Opfer knicken ein und ziehen Anzeigen zurück. Was raten Expertinnen?

Frauenhäuser raten, Anzeigen nie zurückzunehmen, sondern bestenfalls "ruhen zu lassen". Die Möglichkeit gibt es. Falls später jedoch rasche Hilfe vom Familiengericht benötigt wird, klappt das besser.

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