Rathaus:Party statt Politik

Lesezeit: 2 min

DJs statt Politiker, Tanzbars statt Stadtratssitzungen: Bei der Jungbürgerparty "18.jetzt" feiern Jugendliche im Münchner Rathaus - in Cocktailkleid und Partyoutfit. Nur Oberbürgermeister Ude wirkt ein wenig underdressed.

Sabrina Ebitsch

Oberbürgermeister Christian Ude wirkt fast ein wenig underdressed in seinem schwarzen Cordanzug, wie er da in der Ecke auf dem weißen Sofa auf dem roten Teppich sitzt. Um ihn herum dutzende junger Menschen, die seine Enkel sein und Wähler werden könnten und die sich entweder Clubbing-adäquat gewandet oder sich sogar in Cocktailkleid und Sakkos geworfen haben.

Oberbürgermeister Christian Ude lät zur "18.jetzt"-Party ins Rathaus. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Stadt hatte wie in den vergangenen Jahren alle "Jungbürger" - sprich alle 18-jährigen Münchner - zu "18.jetzt" und damit zum Rathausclubbing geladen. In den Gängen legten unter den Kreuzgratgewölben auf drei Stockwerken vier DJs Tanzbares von R'n'B über HipHop bis hin zu Alternative auf. Dazwischen gibt es ein Kurzfilmkino, Diskussionsrunden und Infoangebote. Aber, beeilt sich der OB zu versichern, niemand wolle den "pädagogischen Zeigefinger" erheben. "Wenn Sie sich nur amüsieren wollen, ist das Ihr gutes Recht", sagt Ude.

Martina und Sophie haben ihr Stadtoberhaupt beim Wort genommen, ohne dass sie seine Worte gehört haben. Um Politik wollen sich die beiden heute Abend nicht kümmern, obwohl die Junge Union an ihrem Stand kühn verspricht: "JU can party an politics". Die beiden stehen im großen Sitzungssaal. Wo sonst der Stadtrat tagt, findet heute ein Opernball mit Big Band statt. Die Jugendlichen hätten wieder mehr Interesse an Standardtänzen, sagt eine Mitarbeiterin, was auch die vereinzelten Jacketts und Kleinen Schwarzen erklärt.

Auf Sophie und Martina trifft das nicht zu, sie sind zum Feiern hier. "Es ist riesig, in welchen Club hat man schon fünf Tanzflächen?", fragt Sophie pragmatisch. Außerdem sei das Publikum nicht so "prollig" wie in vielen Clubs. Sonst interessiert die beiden weniger. Nein, bei der Diskussion zu "Hass, Gewalt und Extremismus" schauen sie nicht vorbei und auch nicht im etwas abseits gelegenen Raum, in dem sich die Bezirksausschüsse vorstellen und der mit dem Hinweis auf Getränkegutscheine ausgeschildert ist. "Es ist ja süß, dass sie so was machen, aber es geht halt keiner hin", sagt Sophie.

Schließlich musste auch der OB erst einmal erklären, warum man so etwas hier im Rathaus mache. Man sei es den Neubürger schuldig, findet Ude, sie sollten das Rathaus kennenlernen und wissen, wo die Entscheidungen fallen. "Das ist euer, Ihr Rathaus." Und auch da nehmen die Jungbürger, die zu Electro rutschen, unter Kreuzgratgewölben betont lässig in den Knien wippen oder sich im Sitzungssaal unter dem Riesengemälde "Monachia" übers Parkett schieben, den OB beim Wort.

© SZ vom 10.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: