Opfer fordert Entschädigung:Attacke in der Psychiatrie

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Er versuchte ihr die Augen auszudrücken und knallte ihren Kopf immer wieder auf eine Bordsteinkante: Ein Patient aus Haar verletzt eine Besucherin im öffentlich zugänglichen Teil der Nervenklinik schwer. Vor Gericht fordert sie nun eine Entschädigung - doch ihre Chancen stehen schlecht.

Ekkehard Müller-Jentsch

Wer haftet für die schrecklichen Misshandlungen, die eine Münchnerin im öffentlich zugänglichen Teil der Nervenklinik in Haar durch einen gewalttätigen Patienten erleiden musste? Eine Frage, auf die es vielleicht nie eine klare Antwort geben wird. Denn der erste Senat des Oberlandesgerichts München hat am Donnerstag eine Kulanzregelung angeregt: 20.000 Euro soll der Bezirk Oberbayern als Träger der Klinik an die Münchnerin bezahlen. Die wollte 120.000 Euro einklagen, doch ihre Chancen stehen schlecht.

Im Sommer 2005 hatte die Justizangestellte das Klinikgelände dienstlich aufgesucht. Dabei war sie in der Nähe des Café Regenbogen einem Mann begegnet, der dort Rasen mähen sollte. Sie ahnte nicht, dass dieser ein psychisch kranker Gewalttäter war, der schon einmal im Wahn versucht hatte, einen Menschen zu töten.

Dieser Patient sah die Frau mit einer Zeitung in der Hand und war, wie sich später herausstellte, in diesem Moment felsenfest davon überzeugt, dass sie eine darin versteckte Pistole auf ihn richtet und er um sein Leben kämpfen muss. Die ahnungslose Frau wurde äußerst brutal niedergeschlagen. Der Täter versuchte sogar, ihr die Augen auszudrücken und knallte ihren Kopf immer wieder auf eine Bordsteinkante. Erst beherzt eingreifende Passanten konnten das Schlimmste verhindern.

Die traumatisierte und bis heute körperlich leidende Frau erhob Klage: Die staatliche Einrichtung habe ihre Amtspflicht verletzt, indem sie einen so gefährlichen Patienten unbeaufsichtigt gelassen habe. Die Beaufsichtigung des Mannes sei zu früh gelockert worden und man habe nicht ausreichend überwacht, dass er seine Medikamente einnehme.

Ein vom Gericht beauftragter Gutachter hatte dann aber erklärt, dass er in 20 Jahren psychiatrischer Erfahrung eine solch fulminante psychotische Störung ohne vorhergehende Warnsignale noch nicht erlebt habe. Zumal sich der Patient lange Zeit kooperativ und friedlich gezeigt habe. Auch wenn er aus heutiger Sicht eher von einer Schizophrenie als von einer Persönlichkeitsstörung ausgehen würde, so sei die damalige Diagnose und Therapie in der Klinik medizinisch vertretbar gewesen, meinte der Professor.

Auch eine weitere Befragung des Experten am Donnerstag lieferte dem Senat offenbar keine Anhaltspunkte dafür, dass den Verantwortlichen Vorwürfe zu machen seien. Angesichts der Tragik regte das Gericht jedoch an, dass die Betroffene 20.000 Euro erhalten solle - in einer früheren Verhandlung war lediglich von 10.000 Euro die Rede gewesen. Beide Seiten bekamen Bedenkzeit.

© SZ vom 23.03.2012/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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