Oktoberfest:Ja, wo saufen sie denn?

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Sind die BNDler beim Schichtl? Der Wirt behauptet scherzhaft ja, doch wirklich beweisen lässt sich das nicht. (Foto: Catherina Hess)

BND, CIA und MI6 auf der Bierbank: Jedes Jahr gehen Geheimagenten auf die Wiesn. Eine Spurensuche.

Von Stephan Handel

Du musst eintauchen in die Menge, eins werden mit ihr, aufgehen in der Masse - dann sieht dich niemand, dann bist du sicher. Das weiß jeder, der schon einmal einen Agentenroman gelesen hat, Le Carré, Robert Ludlum, da steht ganz genau drin, wie der Geheimagent sich zu verhalten hat. Und wahrscheinlich geht ihm das so in Leib und Blut über, dass er gar nicht mehr anders sein kann als unauffällig, wo immer er auch ist, der Geheimagent. Zum Beispiel auf der Wiesn.

Beziehungspflege für 50 Euro pro Person

Vor ein paar Wochen hat der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele angefragt, ob es denn stimme, dass der Bundesnachrichtendienst jedes Jahr auf das Oktoberfest gehe und wie viel Geld dabei ausgegeben werde. Er bekam zur Antwort, dass das schon richtig sei, befreundete Dienste würden eingeladen zu Fachgesprächen einerseits, zur Pflege der partnerschaftlichen Beziehungen andererseits. Kostenpunkt für den BND: 40 bis 50 Euro pro Person.

Das ist jetzt nicht so wahnsinnig viel, es gibt bestimmt Leute, die sagen, wegen 50 Euro rentiert sich doch das Hingehen nicht. Aber interessant wäre es schon, wie das denn aussieht, wenn der BND mit dem Mossad, der CIA und dem MI6 auf der Bierbank steht und das Prosit singt. Wo jedoch anfangen mit der Suche?

Botschaften abhörsicher austauschen

Das Standkonzert unter der Bavaria ist wahrscheinlich der Traum eines jeden Spions: wahnsinniger Andrang, da ist der Kontaktperson schnell mal unauffällig der Kassiber zugesteckt; laut ist es außerdem, so dass eine mündliche Botschaft abhörsicher ausgetauscht werden kann. Allerdings stehen so viele Leute rum, da sind ja alle verdächtig und keiner. So geht das nicht.

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Abi Ofarim steckt einen Kinnhaken mit einem Lächeln weg, Regina Halmich hat die Boxhandschuhe gegen Pumps getauscht - und ein TV-Arzt fühlt sich in Tracht wohl. Promis auf der Wiesn.

Agenten, das ist aus Kino, Funk und Fernsehen bekannt, tragen alle immer Trenchcoat und Hut, den sie bei Bedarf tief in die Stirn ziehen können. Hüte gibt's zwar jede Menge, allerdings solche, die einen Masskrug darstellen oder einen Eisbären - das wäre für einen Geheimdienst-Mitarbeiter gewiss zu auffällig.

Halt, da drüben: Ist das ein Trench? Aus der Nähe dann doch eher ein Kamelhaar-Mantel, allerdings sticht der unter der Menge von Lederhosen und anderer volkstümlicher Bekleidung schon wieder so heraus, da nützt ihm auch die Frau im Dirndl nichts, die er an seiner Seite mit sich führt. Nein, kein Spion, leider.

Getarnt als traditioneller Münchner?

In den Zelten vielleicht? Zuerst mal ins Augustiner, denn das würde den Spionen ähnlich schauen, dass sie sich da hineinhocken wie grad so ein traditioneller Münchner. Wenn es denn so ist, dann hat's geklappt mit der Tarnung, und der BND wäre ungestört bei den Fachgesprächen mit den befreundeten Diensten: Das Augustiner ist wegen Überfüllung geschlossen. Im Hackerzelt schräg gegenüber geht's zwar auch schon gut zu, keine Chance, jeden einzelnen Gast zu überprüfen.

Die Inaugenscheinnahme der Reservierungslisten allerdings bringt dann doch Interessantes: Ein "Deutsch-amerikanischer Herrenclub" hat reserviert, 12 bis 17.45 Uhr, Seitenbox 9. Der schnelle Einsatz informationstechnischer Methoden - vulgo: googeln - zeigt jedoch, dass es diesen Club tatsächlich gibt, und wenn er eine Tarnorganisation wäre, dann wäre er wirklich sehr gut getarnt unter Honoratiorenhaftigkeit.

Auffällig unauffällig - danach muss man suchen. Neben der Kindereisenbahn gibt's einen Würstelstand, und das ist gewiss ein toter Briefkasten: Sie verkaufen nämlich angeblich Tofu-Knacker, und wer bitte schön soll so etwas essen? Die Observation des verdächtigen Objekts bringt allerdings auch wieder nichts außer der Erkenntnis: Tofu-Knacker sind tatsächlich nicht sonderlich beliebt auf der Wiesn.

Die Überraschung gibt's beim Schichtl

Man bräuchte irgendjemand Offiziellen, der etwas wissen könnte. Da drüben, ha! Bernhard Kellner ist der Pressesprecher des Kardinals Marx, zwar trägt er gerade nicht seinen Pressesprecher-Ornat, sondern Lederhosen, weil er mit der Familie da ist. Aber der soll jetzt mal was sagen. Kellners Kommentar auf die Frage, ob er etwas zu Geheimdiensten auf der Wiesn sagen könne, ist allerdings kryptisch und, ja, äußerst verdächtig: "Kein Kommentar", sagt er. "Wir wissen von nichts." Was weiß Marx tatsächlich?

Der Reporter auf der Suche nach den Spionen ist ob seines Misserfolgs mittlerweile in einer gewaltigen Kopf-ab-Stimmung, also gerade recht für den Schichtl. Dort sitzt Manfred Schauer, der Wirt, bei einem Glaserl Prosecco. Die Frage, ob er was von den Geheimagenten weiß, mehr aus Verzweiflung denn mit realer Hoffnung gestellt, bringt eine überraschende Antwort: "Ja, freile", sagt der Schauer. "De san do bei mir." Es ist nämlich so, erzählt er weiter, dass er die ganzen Spione engagiert hat, jetzt sitzen sie den ganzen Tag getarnt im Zelt, "und wenn i dann bsuffa bin, fahrn's mi hoam".

Ob das stimmt, kann nicht eruiert werden, denn sie sind ja getarnt, die Spione. Jedenfalls bleibt die Erkenntnis: Hund san's scho beim BND. Und der Schauer erst.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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