Oktoberfest-Gottesdienst:Beten im Bierzelt

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Besucher in Tracht, der Altar aus Biertischen: Zwar mangelt es dem Hippodrom an sakraler Atmosphäre, dennoch wird in dem Bierzelt jedes Jahr Wiesn-Gottesdienst gefeiert.

Angela Gruber

Das Bier fließt in Strömen, der Tischnachbar tanzt ausgelassen auf der Bank und grölt laut ''Ein Stern, der deinen Namen trääägt'' - so kennen viele das Oktoberfest. Auch die größten Wiesn-Fans werden wohl kaum bestreiten können, dass das Volksfest kein Ort des in sich gekehrten Nachdenkens ist - vielmehr geht es zahlreichen Besuchern um den besinnungslosen Rausch. Doch auch auf der Theresienwiese gibt es eine Insel der Ruhe inmitten des Trubels. Man findet sie am Donnerstagvormittag im Hippodrom.

Wo sonst laute Musik durch die Lautsprecher schallt und die Bedienungen Maß um Maß an den Mann bringen, feiert Pfarrer Martin Fuchs den traditionellen Wiesn-Gottesdienst. Was dem Bierzelt an sakraler Atmosphäre fehlt, gleicht die katholische Schaustellerseelsorge durch Kreativität aus: Beim provisorischen Altar lässt sich vermuten, dass er im wesentlichen aus zwei Biertischen besteht, über die der bodenlange, weinrote Überwurf gezogen wurde. Blumengestecke an den Seiten sorgen für eine festliche Stimmung.

Taufe eines Münchner Kindls "Ich wünsche uns Freude, aber auch Besinnung und Ruhe", sagt der evangelische Schaustellerseelsorger Horst Heinrich in seinen Begrüßungsworten. Er ist als Gast eingeladen, zelebriert wird eine katholische Messe. Und nicht nur das: Das voll besetzte Zelt hat auch eine Taufe zu feiern.

Den Segen erhält der jüngste Spross der Wirtsfamilie Hochreiter, der auf den Namen Leo getauft wird. Die Eltern Christina Galbierz und Werner Hochreiter sind stilecht in Tracht gekommen, um die Taufe ihres fünf Monate alten Sohnes auf der Wiesn zu feiern. Dass aus dem Kind ein echter Münchner wird, das legt nicht nur die Oktoberfest-Taufe nahe: Als Geschenk gekommt der Kleine einen Kuchen mit einem Klapperstorch aus Zuckerguß, daneben prangt das FC-Bayern-Emblem. Ein Schriftzug weist Leo als Bayern-Mitglied Nummer 149.046 aus.

Zum Schluss kommt Stimmung auf In der Messe sprechen Pfarrer Martin Fuchs und Pater Paul Schäfersküppler darüber, was eine gute Gemeinschaft zusammen hält - auch auf dem Oktoberfest: gegenseitige Rücksichtnahme und Hilfe. Dabei erinnern sie auch den Ausspruch aus der Bibel: "Die Ersten werden die Letzen sein."

Ein bisschen Wiesn-Stimmung kommt zum Schluss des Gottesdienstes aber doch noch auf, als Pfarrer Fuchs ein kleines Ständchen gespielt bekommt. Anlass ist sein 50. Geburtstag, den er am 19. September feierte. Ernst Heller, Schaustellerseelsorger aus der Schweiz, stimmt zu diesem Anlass ein "Happy birthday" auf der Klarinette an. Dann geht er über zu einem Lied mit flotterer Melodie, bald klatscht der ganze Saal im Takt. Auch Pfarrer Fuchs macht mit.

Nach dem Gottesdienst heißt es wieder "Zurück zum Normalzustand", die Bedienungen strömen ins Zelt, um die ersten Bestellungen aufzunehmen und servieren kurze Zeit später die erste Maß. Noch etwas verhalten stoßen die ersten Gäste an, doch bald gehört das Hippodrom wieder den feiernden Massen.

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