Obergiesing-Fasangarten:Böse Überraschung

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Neu und teuer: Auch der Kreisel steht auf der Rechnung der Anlieger. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Anlieger sollen für die Sanierung der Fasangartenstraße insgesamt 340 000 Euro zahlen - und wehren sich

Von Berthold Neff, Obergiesing-Fasangarten

Bereits vor vier Jahren hat die Stadt Sanierung und Umbau der Fasangartenstraße beendet, nun bittet sie die Anlieger zur Kasse. Und das, obwohl die Straßenausbaubeitragssatzung, mit der die Stadt von den Anwohnern einen Teil der Kosten fordert, bereits Anfang 2015 abgeschafft worden ist. Deshalb protestieren nun die Anlieger. Sie wehren sich gegen die Forderungen der Stadt in Höhe von etwa 340 000 Euro, verteilt auf 79 Parteien. Die Bandbreite der einzelnen Beiträge reicht nach Auskunft des Baureferates von zweistelligen Beiträgen für einen Garagenanteil bis zu einem fünfstelligen Betrag für das größte, gewerblich genutzte Grundstück entlang der Straße.

Im Bezirksausschuss (BA) Obergiesing-Fasangarten, an den sich die Anlieger mitsamt einer Unterschriftenliste gewandt hatten, erhielten sie nun Unterstützung für ihr Anliegen. Auch die Stadtviertel-Vertreter sind der Meinung, dass die Stadt darauf verzichten soll, diese Forderungen einzutreiben. "Wir unterstützen das Anliegen der Bürger", sagte die BA-Vorsitzende Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne).

Im Jahr 2007 hatte die Stadt die Bewohner darüber informiert, dass die Straße am südlichen Stadtrand, an der Gemeindegrenze von Unterhaching, in fünf Bauphasen saniert werden und statt der Kreuzung zwischen Fasangartenstraße und Minnewitstraße einen Kreisverkehr erhalten solle. Die Baukosten summierten sich letzten Endes auf etwa 2,2 Millionen Euro und waren damit um etwa 535 000 Euro niedriger als zunächst kalkuliert. Der Grund dafür war, dass entgegen der ursprünglichen Annahme keine Schadstoffbelastung entdeckt wurde, so dass die Entsorgungskosten für Altlasten wegfielen.

Das Baureferat machte damals schon klar, dass dieses Bauprojekt nach der Straßenausbaubeitragssatzung "in Teilbereichen beitragsfähig" sei, also dazu geeignet, einen Teil der Kosten den Anliegern in Rechnung zu stellen. Man erwartete damals, dass die Anlieger insgesamt etwa 412 000 Euro berappen müssten, wies aber darauf hin, dass die genauen Beitragskosten erst nach Abschluss der Bauarbeiten und nach Eingang der letzten Rechnung ermittelt werden könnten.

2010, also ein Jahr später, gab es bereits erste Stimmen im Stadtrat, die Satzung zu kippen, doch aufgrund der angespannten Haushaltslage wurde daraus nichts. Das änderte sich erst 2014, als CSU und SPD gemeinsam durchsetzten, die Satzung mit Wirksamkeit vom 1. Januar 2015 abzuschaffen. München hatte sich, als letzte bayerische Großstadt, ohnehin erst im Sommer 2004 angesichts der damaligen finanziellen Notlage zu einer solchen Satzung durchgerungen.

Das große Geschäft machte die Stadt damit aber nicht. Statt wie geplant pro Jahr drei bis fünf Millionen Euro einzunehmen, strömte allenfalls ein Zehntel dieser Summe von den Konten der Anlieger in die Stadtkasse; im Jahr 2013 beispielsweise waren es lediglich 228 000 Euro. Insgesamt erzielte die Stadt seit den ersten im Jahr 2008 festgesetzten Beiträgen bis 2014, also in sechs Jahren, 2,5 Millionen Euro, im Schnitt 350 000 Euro pro Jahr. Demgegenüber stand ein fast gleich großer Verwaltungsaufwand, sodass die Satzung letzten Endes pro Jahr nur zusätzliche 50 000 Euro für den städtischen Haushalt abwarf. Dieser Aufwand, so konstatierte das Baureferat Ende 2014, stehe in "keinem akzeptablen Verhältnis zum Ertrag". Die Leistungsfähigkeit der Stadt werde auch ohne diese Einnahmen "für die Zukunft zuverlässig gewährleistet sein", um die nötigen Straßen zu bauen und jene in marodem Zustand zu sanieren.

Bereits damals wies das Baureferat jedoch darauf hin, dass die Aufhebung der Satzung "nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen" könne, "die rückwirkende Aufhebung ist rechtlich unzulässig". Dies gehe aus einem juristischen Gutachten des Experten Rudolf Wendt hervor.

Die Stadt müsse, so die Meinung der Juristen, trotz der Aufhebung für die Zukunft alle bis dahin abgeschlossenen Straßenprojekte abrechnen. Dennoch zeigte sich die Stadt grundsätzlich zu einem Erlass dieser Beiträge bereit, allerdings nur auf einer gesicherten rechtlichen Grundlage. Die Regierung von Oberbayern, Rechtsaufsichtsbehörde der Stadt, wurde anhand der "komplexen rechtlichen Problematik" um rechtliche Würdigung gebeten. Diese lag zum Zeitpunkt, als der Stadtrat im Plenum Ende 2014 die Satzung abschaffte, noch nicht vor. Die Antwort der Regierung von Oberbayern trudelte erst danach ein, lässt der Stadt jedoch kaum Spielraum für einen Beitragserlass.

Die zum 1. Januar 2015 bereits abgeschlossenen Ausbaumaßnahmen seien "nach den zwingenden Vorschriften der Abgabenordnung noch abzurechnen". Nur in Fällen der Unbilligkeit sei es möglich, einen förmlichen Beitragserlass zu beschließen, dies sei aber höchst selten. "Wir raten der Landeshauptstadt München daher dringend, von einer solchen Vorgehensweise abzusehen", heißt es abschließend im Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 27. Januar 2015.

Über all diese Details habe man sie nicht informiert, machen die Anwohner der Fasangartenstraße nun geltend. Sie hätten nicht mehr damit gerechnet, überhaupt noch einen solchen Kostenbescheid zu erhalten: "Wir haben das Geld schlichtweg anderweitig ausgegeben!" Notfalls, so heißt es abschließend in ihrem Antrag an den Bezirksausschuss, sehe man sich gezwungen, "gegen den Beschluss juristisch vorzugehen".

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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