OB-Forum:Grüne gegen Grüne

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Der Dreikampf bei der Kandidatenkür der Münchner Grünen wird schärfer: Sabine Nallinger attackiert das Rathaus-Bündnis, Nikolaus Hoenning schlägt sich auf ihre Seite - und Bürgermeister Hep Monatzeder kontert mit Realpolitik

Dominik Hutter

Vielleicht muss der Begriff IPO eingeführt werden: innerparteiliche Opposition. Nikolaus Hoenning und Sabine Nallinger finden jedenfalls, dass es so nicht weitergehen kann im Münchner Rathaus.

Noch haben die Grünen drei mögliche OB-Kandidaten: Stadträtin Sabine Nallinger, der frühere Stadtchef Nikolaus Hoenning und Bürgermeister Hep Monatzeder (von links). Am 24. Juli werden zwei von ihnen ausscheiden (Foto: Stephan Rumpf)

Und dass die seit 22 Jahren regierende rot-grüne Koalition erkennbare Defizite hat: in Sachen Wohnungsbau und Kinderbetreuung etwa. "Wir hinken als Politik der Stadt hinterher", hat Nallinger festgestellt. Und ruft mit solchen Aussagen Hep Monatzeder auf den Plan, der es als "Oberwitz" bezeichnet, wenn die grüne Stadträtin Nallinger nun plötzlich so tut, als hätte sie mit dem Ganzen nichts zu tun.

Grüne gegen Grüne. Beim zweiten und letzten OB-Forum der Partei gehen sich die Kandidaten etwas härter an als bei der ersten Runde am vergangenen Freitag. Ohne unsachlich zu werden. Im Ring stehen noch immer: der frühere Stadtchef der Partei, Nikolaus Hoenning, der langjährige dritte Bürgermeister Hep Monatzeder und die 2008 erstmals ins Rathaus gewählte Sabine Nallinger.

Wobei bei dem Diskussionsabend im Kolpinghaus am Stachus oft der Eindruck vorherrscht, als stünde auf der Bühne das Team Hoenning/Nallinger dem Einzelkämpfer Monatzeder gegenüber. Hoenning, von dem stets die überraschendsten Beiträge kommen, gilt als der Rebell unter den drei Kandidaten - als chancenloser Außenseiter im Zweikampf Monatzeder-Nallinger.

Allerdings als Außenseiter mit klarer Position: pro Nallinger. Und so sprechen der 41- und die 48-Jährige gerne gemeinsam von Visionen für München, von Traumzielen der Stadtpolitik, die es zu erreichen gilt. Irgendwann und irgendwie, das steht noch nicht so ganz genau fest.

Eine Haltung, die dem routinierten Realpolitiker Monatzeder zunehmend gegen den Strich geht. Wer soll das alles bezahlen, was den beiden Konkurrenten so vorschwebt? Und wie realistisch ist das überhaupt?

Wer so argumentiert, gerät leicht in die Rolle des Spielverderbers, des großen Zauderers - Monatzeder nimmt dieses Manko in Kauf. "Menschen wollen von Politikern nicht nur beglückt werden", ruft der 60-Jährige ins Mikrofon. Und macht klar, dass er nichts versprechen will, was er später nicht halten kann.

Insofern verspricht er erst einmal gar nichts. Monatzeder steht weniger für Visionen und Aufbruchstimmung als für die Fortführung der rot-grünen Koalition, die er als Erfolgsmodell betrachtet. Natürlich soll es unter umgekehrten Vorzeichen weitergehen: mit mehr Grün und weniger Rot.

Im Publikum kommen Nallingers oftmals unkonventionelle Thesen besser an, sie erhält mehr Applaus. Allerdings ist der Unterschied nicht mehr ganz so auffällig wie beim ersten OB-Forum. Diesmal ernten auch die Beiträge Hoennings und Monatzeders hörbare Zustimmung im Saal. Ohnehin hat vor allem Monatzeder im Vergleich zum letzten Mal Boden gutgemacht. Er wirkt kämpferischer, hat sich offensichtlich vorgenommen, die munteren Thesen der Gegenseite nicht mehr widerspruchslos hinzunehmen.

Beispiel Wohnungsbau: Nallinger findet es erschreckend, welche Situation nach mehr als 20 Jahren Rot-Grün auf dem Münchner Mietmarkt vorherrscht. Mehr Wohnungen müssten gebaut werden - am besten so viele, dass irgendwann ein knappes Drittel sämtlicher Wohnungen in kommunaler Hand ist.

Dazu seien die beiden kommunalen Unternehmen GWG und Gewofag durchaus in der Lage. "Mir kann niemand erklären, warum sich alle Investoren eine goldene Nase verdienen und die Stadt zu doof sein soll, gewinnbringend Wohnungen zu bauen", sagt Nallinger. Riesenapplaus. "Wohnungen sind kein Draufzahlgeschäft", sekundiert Hoenning. Schließlich handle es sich nicht um irgendwelche "Schrottimmobilien in Ostdeutschland".

Wo kommt für diese schönen Visionen das Anfangskapital her?", will Monatzeder dagegen wissen. Und beginnt zu rechnen: Rund 35 Milliarden Euro, die Grundstücke inklusive, müsse die Stadt für Nallingers Idee aufbringen. Bei einem Jahresetat von rund vier Milliarden Euro. "Das möge man sich bitte vor Augen führen, bevor man unerfüllbare Visionen in den Raum wirft", warnt der Bürgermeister.

Eine Realisierung dieses Programms habe zur Folge, dass die Stadt alle anderen Investitionen, etwa in Bildung und Soziales, auf Jahre hinaus "einstampfen kann". "Das Heuschreckenkapital einer Patrizia haben wir nicht", sagt der Politiker in Anspielung auf ein großes privates Wohnungsunternehmen.

Ausnahmsweise einig waren sich die Kandidaten dagegen bei einem anderen Thema - zum Missfallen der Grünen Jugend, die die auch bei den Piraten populäre Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr wieder aufwärmen wollen. "Das wird nicht erreichbar sein", antwortet ein diplomatischer Hoenning. Nallinger will das Netz ausbauen, und dafür braucht man Geld. Monatzeder geht "d'accord".

Wer grüner OB-Kandidat wird, entscheidet sich bis 24. Juli in einer Mitgliederbefragung. Die Fragebögen an alle 1200 Mitglieder sind bereits verschickt.

© SZ vom 11.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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