Oasis in München:Blick zurück mit Sehnsucht

Lesezeit: 1 min

Keine Randale, keine Skandale: Oasis suchen im Zenith ihr eigenes Abbild. Die alten Klassiker sind gut wie immer, doch die glorreichen Zeiten der Britpopper sind längst vorbei.

Julia Amalia Heyer

Um kurz nach zehn ist es soweit: Der große Gallagher-Bruder Noel tauscht die Halbakustische gegen die Westerngitarre, der kleine bleckt vor dem Mikro die Zähne, lauscht dem geschwisterlichen Intro und singt es dann endlich, dieses "maybe". Niemand intoniert das wie Liam Gallagher; rotzig, renitent, sehnsüchtelnd. "Wonderwall" heißt die Hymne zu diesem "vielleicht". Soundtrack einer Zeit, als Britannia noch cool war. Und Oasis Inbegriff dieser Coolness. 14 Jahre nach dem Genre-Standard-Werk "(What's the Story) Morning Glory?" spielen sie mal wieder im, natürlich ausverkauften, Zenith.

Oasis-Sänger Liam Gallagher mit neuer Frisur. (Foto: Foto: ddp / Jörg Koch)

"Dig Out Your Soul" heißt das neue Album, aber deshalb ist man eher nicht da. Die Gründe, heute ein Oasis-Konzert zu besuchen, liegen irgendwo zwischen Reminiszenz und Randale. Ersteres klappt: Feuerzeuge werden zu altbekannten Harmonien gereckt, "Lyla", "Don't Look Back in Anger" und eben "Wonderwall"; die Großband der Neunziger ist sich nicht zu schade für ihre balladesken Klassiker; 2009 kommen auf ein brennendes Feuerzeug fünf leuchtende Handy-Displays. Live-Mitschnitt einer Tonspur vergangener Zeiten. "Rock'n'Roll Star" dröhnt durch die Halle. Der Titel ist Programm, die Geste gewohnt groß. Kein Gruß ans Münchner Publikum, sondern die Frage, ob jemand aus England anwesend sei.

Liam steht, im Marine-Zweireiher, mit geknotetem Halstuch und jetzt ordentlich frisierten Koteletten vor dem Mikrofon und gibt mit kantigem Gesicht, Blick zur Decke, den entrückten Britpopper. Noel kümmert sich um seine Gitarren, die Augen aufs Griffbrett fixiert. Der Bassist kaut Kaugummi. Das wirkt, vergrößert, verpixelt, verpop-artet auf vier riesigen LED-Bildschirmen hinter der üblichen Verstärker-Kulisse ein bisschen surreal.

Wenn die einst als Neo-Beatles verehrten Starrocker sich nicht selbst Hintergrund sind, orientiert sich die Bühnenshow am ARD-Nachtprogramm. Es werden Gleise projiziert oder Strommasten. Randale gibt es keine, dafür Zugaben. Und zwar, damit man auch weiß, woran man ist, "I am the Walrus". Bandchef Noel hat neulich öffentlich überlegt, ob es nicht das Beste gewesen wäre, nach "What's the Story" einfach aufzuhören. Vielleicht.

© SZ vom 02.03.2009/wib - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: