Null  Acht Neun:Merkel und die Menschenwürde

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Der große Fußballlehrer Max Merkel wäre vor ein paar Tagen 100 geworden. Was hätte er wohl gesagt zur Brazzoisierung des FC Bayern?

Kolumne Von Christian Mayer

Vor ein paar Tagen wäre der große Fußballlehrer Max Merkel 100 Jahre alt geworden, das dreistellige Ergebnis hat er nicht ganz geschafft. Er starb 2006 im Alter von 87 in Putzbrunn, der Münchner Süden war nach Wien seine zweite Heimat. An diesen Herrn mit der dunkel getönten Brille und den lockeren Sprüchen muss man denken, wenn sich die Chefs des FC Bayern zu Wort melden. Zuletzt waren sie ja eher kleinlaut, nachdem die inzwischen schon kultige "Scheißdreck"-Pressekonferenz, bei der Karl-Heinz Rummenigge fulminant die Menschenwürde verteidigt und sein Kompagnon Uli Hoeneß noch fulminanter sein Grundrecht auf Wut ausgelebt hatte, ein wenig aus dem Ruder gelaufen war.

Beim Rekordmeister hält man jetzt halt mal ein bisserl den Ball flach. Das kann man daran erkennen, dass ausgerechnet der freundliche Hasan Salihamidzic, früher auch Brazzo genannt, Auskünfte über die Strategie der Bayern erteilen soll. Der Bosnier hat zwar behauptet, der erfolgreichste Sportdirektor der neueren Geschichte zu sein, erfolgreicher als seine Vorgänger Sammer und Nerlinger, aber dann ruderte er erschrocken zurück, war ja alles nicht so gemeint.

Was ist los bei den Bayern? Das Faszinierende an diesem Verein war stets das grenzenlose Selbstbewusstsein, die The-Winner-takes-it-all-Mentalität. Hätte sich ein gottgleiches Wesen wie Louis von Gaal jemals für etwas entschuldigt? Bescheidenheit ist was für Klubs, die in der Bundesligatabelle zwischen Platz zwei und 18 stehen. Wenn jetzt der liebe Hasan das Bayern-Sprachrohr sein soll, muss irgendwas ins Wanken geraten sein.

Was würde Max Merkel wohl zur Brazzoisierung der Bayern sagen? "Zuckerbrot und Peitsche" war sein Motto. Fußball war etwas für Leute, die austeilen, aber auch was aushalten. Weil Merkel das Unmögliche wahr gemacht hatte, nämlich als Trainer mit dem TSV 1860 und dem 1. FC Nürnberg deutscher Fußballmeister zu werden, durfte er sich als Fußballgrantler und Zeitungskolumnist einiges erlauben. "Basler ist die teuerste Parkuhr der Welt. Er steht rum - und die Bayern stopfen das Geld rein": So viel zur Menschenwürde in früheren Zeiten. Über den schöngeistig daherredenden Trainer Otto Rehhagel sagte er, dieser habe früher doch arge Mühe gehabt, ein Omelett von Hamlet zu unterscheiden. Ja, manchmal trug er schon dick auf, der Merkel Max: "Das Schönste an Gelsenkirchen war schon immer die Ausfahrt nach München" - muss man sich erst mal trauen, als amtierender Schalke-Trainer.

Merkel war der beste Trainer, den die Bayern nie hatten. Als der damalige Präsident Wilhelm Neudecker ihn 1979 verpflichtete, rebellierten die Spieler, Sepp Maier und Paul Breitner drohten mit Streik. Vielleicht war dieser Mann sogar für die Bayern etwas zu selbstbewusst.

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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