Null Acht Neun:Das große Krabbeln

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Zur Sommerbilanz gehören auch die Begegnungen mit Tieren - vom Mückenschwarm am Ammersee bis zur Fruchtfliegenmeute in der eigenen Küche

Kolumne von Christiane Lutz

Jetzt, wo sich der Sommer dem Ende entgegen neigt, ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Gegessene Eiskugeln resümieren, getrunkener Weißbiere gedenken und alle Male, die man an einem der unzähligen Riesenräder vorbeigeradelt ist und unbedingt fahren wollte, nur in dem Moment passte es eben gerade nicht. Es ist Zeit, der Begegnungen mit Tieren zu gedenken. Vor allem mit jenen Insekten, denen sicher eine sehr wichtige Funktion in der Natur zukommt, welche einem aber aktuell entfallen ist. Wie gern erinnert man sich doch an den Überfall des Stechmückenschwarms beim Heraussteigen aus dem Ammersee. Zwanzig Stiche schon vor Erreichen des Handtuchs, Rekord! Dann der Tag, an dem man in letzter Sekunde eine Wespe auf dem Deck der Alten Utting ausspuckte. Was für eine Gaudi! Gut, die Freundin hat ein paar Tage später dann wirklich eine verschluckt, aber verschluckt hat man ja ohnehin etliche Insekten, die dem Mund beim Radfahren in die Quere kamen.

Auch das Arbeiten im Home-Office hat ganz neue Chancen der Insekten-Begegnung ermöglicht. Endlich Zeit, sich die Sache mit den Fruchtfliegen mal genauer anzuschauen. Empirische Erkenntnis nach vier Monaten: Sie interessieren sich für alles, sogar für den Müll, nur nicht für die für sie angerührte Essig-Spüli-Apfelsaft-Mischung. Aber wenn schon in der Küche - was sind eigentlich diese weißen Pünktchen an der Unterseite der prächtigen Melissenpflanze aus dem Großmarkt? Ah, weiße Läuse, sagt Google. Komisch, die sind doch normalerweise nur auf dem Basilikum. Auch dem Urban Jungle geht es gut. Jener Pflanzenansammlung auf dem Fensterbrett, die man sich, das war eine der ungeschriebenen Corona-Auflagen, in diesem Jahr ins Haus schaffen musste. Um die Blättchen der Baby-Pileas und Mini-Monsteras ist mehr los als zur Wiesn am Anstichtag: Trauermücken. Fröhlich kreisende Dingelchen in schwarz, die auch aus der Erde krabbeln, in der sie wohnen und wo sie ihre Babys kriegen. Oder sind es doch Thripse? Thripse - ein Tier mit einem Namen wie eine Figur aus einer Wagner-Oper. Man kann sich das richtig vorstellen, wie die Thripse mit ihrem giftigen Trunk den Helden in sie verliebt macht und am Ende im Essig-Spüli-Mix zugrunde geht.

Es war ein guter Sommer, das muss man sagen. Vielleicht bleibt ja das ein oder andere Tierchen in der Stadt, auch wenn die letzte Wespe lang schon erschöpft zu Boden gesunken ist. Sonst müsste man vielleicht doch mal über die Anschaffung eines Hundes nachdenken. Aber ob man den wirklich in der Wohnung haben will?

© SZ vom 19.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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