Neue Biergartenrevolution:"Wir würden es gern einmal richtig krachen lassen"

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Manche Gastronomen hoffen auf zehn Prozent mehr Umsatz, andere fürchten Fehden mit den Nachbarn. Aber mehr Freiheit hätten alle gern. Sogar Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber denkt laut darüber nach, länger im Freien ausschenken zu dürfen.

Berthold Neff und Christian Mayer

Sommernächte wie in Italien, fröhliche Menschen, die bis nach Mitternacht auf den Straßen, Plätzen und in den Biergärten zusammensitzen: mediterranes Lebensgefühl in Bayern.

Der Hirschgarten, ausnahmsweise fast leer. Doch auch hier würden die Gäste - wenn's voll ist - gern länger draußen sitzen. (Foto: Foto: Hess)

Es ist eine schöne Idee, die Ministerpräsident Edmund Stoiber gleich nach Ende der Weltmeisterschaft äußerte, als er eine Freigabe der Öffnungszeiten bis ein Uhr nachts in Aussicht stellte - offenbar inspiriert vom heißen WM-Sommer, in dem alles möglich schien. Im Zuge der Föderalismusreform können die Bundesländer nun selbst über Öffnungszeiten bestimmen.

Im Rathaus findet Stoibers Vorstoß Zustimmung. "Im Prinzip bin ich dafür, dass in der nördlichsten Stadt Italiens längere Öffnungszeiten für Straßenlokale und Wirtsgärten gelten", sagt Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle.

Bisher gilt: Um 23 Uhr ist draußen Schluss. Da die Wirte die längeren Betriebszeiten seit langem forderten, sollte man "diesem Wunsch Rechnung tragen", sagte Blume-Beyerle. Es müsse aber der Stadt stets möglich sein, bei unzumutbarer Beeinträchtigung der Anwohner durch Lärm einen früheren Betriebsschluss anzuordnen, so wie es das Kreisverwaltungsreferat derzeit praktiziert. "Man sollte sich ruhig mal trauen", sagte Blume-Beyerle, versprach aber zugleich: "Wenn es zu laut wird, schreiten wir schon ein."

Aus dem Garten gescheucht

Der Betrieb der Biergärten, die im Wohngebiet liegen, wird durch die seit 1999 geltende "Biergartenverordnung" geregelt und sieht ebenfalls 23 Uhr als Betriebsschluss vor. Die Biergärten fernab der Wohngebiete unterliegen der Verordnung ebenso.

Auch Straßenlokale müssen um elf die Stühle abräumen, für Wirtsgärten - große Gaststätten, die auch einen Garten betreiben - gilt dies nicht. Freilich sind die Öffnungszeiten vieler Wirtsgärten in Wohngebieten bereits mit der Baugenehmigung festgezurrt worden. Es ist fraglich, ob für solche Lokale mit Freischankfläche Stoibers Plan verwirklicht werden könnte.

Bei einigen Wirten gibt es begeisterte Zustimmung. "Ein hervorragender Vorschlag", urteilt Simi Berst, Geschäftsführer im "Zoozie's" am Baldeplatz. "Ich schätze, wir könnten zehn Prozent mehr Umsatz in den Sommermonaten machen." Für die Anwohner wäre das wohl kein größeres Problem, glaubt Berst. "Schließlich ist der Verkehrslärm an der Wittelsbacher Brücke weit größer als die Geräusche durch die Gastronomie." Bisher muss er seine Sommergäste um 23 Uhr entweder nach Hause schicken oder ins Lokalinnere scheuchen.

Sepp Krätz, der mit seiner "Waldwirtschaft" in Großhesselohe 1995 indirekt die legendäre Biergartenrevolution ausgelöst hatte, nachdem der Rechtsstreit mit Anwohnern eskaliert war, hält sich erst mal zurück. Ihm gehe es "um das gute nachbarschaftliche Verhältnis, das wir mit allen haben", sagt der Wiesnwirt. "Jetzt muss erst mal geprüft werden, was die Staatsregierung auf den Weg bringt." Wichtig findet er, dass gelegentlich auch mal Ausnahmen von der Regel gemacht werden dürfen - etwa wenn Lokale ein Sommerfest veranstalten. "Wir feiern nächstes Jahr 25. Jubiläum in der Waldwirtschaft, da möchten wir es gerne einmal richtig krachen lassen."

Gutes Verhältnis zu Anwohnern

Zurückhaltend gibt sich auch Stephan Kuffler, Geschäftsführer der Münchner Großgastronomie Kuffler. Von der Neuregelung würden seine Lokale kaum profitieren. Das "Seehaus" am Englischen Garten darf sowieso bis ein Uhr offen bleiben, und das "Wirtshaus im Grüntal" in Bogenhausen läutet freiwillig um 22.30 Uhr zur letzten Runde: "Viele unserer Gäste kommen aus der Nachbarschaft, die wollen von allein ins Bett."

Wirt Stephan Gloxhuber von der "Max-Emanuel-Brauerei" in der Adalbertstraße hat während der WM erlebt, dass eine Verlängerung der Öffnungszeiten im Biergarten keineswegs eine Revolution bedeutet: "Die meisten Gäste gehen doch freiwillig vor Mitternacht. Sogar während der Weltmeisterschaft war das so."

Eine Erleichterung für die Wirte wäre die Sperrzeit-Verkürzung dennoch. "Dann müssten wir die Leute nicht so brutal um kurz vor 23 Uhr aus dem Biergarten treiben, ohne dass sie ausgetrunken haben." Und seine Mitarbeiter hätten länger Zeit, draußen noch aufzuräumen - sofern das Geklapper die Nachbarn nicht stört.

Auf ein gutes Verhältnis zu den Anwohnern legen alle Innenstadtwirte Wert. "Da muss nur einer kommen und wegen Lärmbelästigung klagen - schon geht der Ärger los", sagt der in diesen Dingen erfahrene Krätz. Gloxhuber freut sich darüber, dass seine Anwohner "recht pflegeleicht" sind, "obwohl wir denen zuletzt einiges zugemutet haben".

Die vom Freistaat für die Dauer der Fußball-WM verlängerten Betriebszeiten für Straßenlokale und Wirtsgärten laufen übrigens erst in der Nacht von Donnerstag auf Freitag aus. Offensichtlich hatte man - für den Fall, dass Deutschland Weltmeister wird - auch das Nachfeiern einkalkuliert.

© SZ vom 12.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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