"Nacht der Autoren":Eine Art Liebesbeziehung

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Die SZ und ihre Leser: 1500 Besucher stürmen bei der "Nacht der Autoren" das Verlags-Hochhaus.

Bernd Kastner

Wer einlädt, dann die Gäste aber gleich wieder heimschickt, sollte sich so seine Gedanken machen. Und wenn diejenigen, die rein dürfen, kaum Luft kriegen, sollte der Gastgeber in sich gehen. Die Süddeutsche Zeitung hat zur "Nacht der Autoren" geladen, ins neue Hochhaus, und es kommen viele, ja zu viele Leser, als dass die 1500 Tickets reichen würden.

Johannes Waechter und Rainer Erlinger bei der "Nacht der Autoren". (Foto: Foto: Rumpf)

Da bleibt nur, sich zu entschuldigen bei all jenen, die traurig im Zamdorfer Abendlicht stehen. Womöglich aber darf sich die SZ auch ein wenig geehrt fühlen, dass so viele ihrer Freunde den Wegzug aus der Sendlinger Straße nicht mit Liebesentzug bestrafen.

Es ist viel von Liebe die Rede an diesem Abend, und es scheint tatsächlich eine Art Liebesbeziehung zu sein zwischen dem Leser und seinem Blatt. Das merkt auch Chefredakteur Hans Werner Kilz, weil zu einem innigen Miteinander auch die Kritik gehört, offen formuliert und nicht vor Details zurückschreckend. Warum, will ein Gast wissen, warum bitteschön sind denn so viele Schreibfehler in der Zeitung? Kilz kennt diese Frage, er stellt sie sich selbst immer wieder.

Ja, sagt er, es sei einst falsch gewesen, das Korrektorat abzuschaffen, aber immerhin gebe es nun eine Schlussredaktion. Doch gegen die Hektik des Zeitungsmachens komme die leider auch nicht immer an. Es ist Fragestunde im "Roten Salon", der noch immer recht neu riecht und seinen Namen allein der Teppichfarbe verdankt. Ob im Medien-Konzern, zu dem die SZ mittlerweile gehört, nicht die Gefahr bestehe, dass Redaktionen zusammengelegt werden. Nein, beruhigt Kilz, wohl nicht, die SZ sei als überregionales Blatt schließlich ein "Unikum" innerhalb der Stuttgarter Holding.

Der Leser sorgt sich um seine Zeitung, mitunter verreißt er sie aber auch: Muss denn das mit dem Werbeaufkleber auf der Seite eins sein? Tja, das sei so eine Sache, meint der Chefredakteur, denn diese Art der Reklame bringe nun mal dringend benötigtes Geld. Immerhin weiß Kilz praktischen Rat: "Sie müssen ihn von oben nach unten abziehen, dann reißen Sie kein Loch rein." Und, am wichtigsten: "Nicht wütend. Ganz ruhig, ganz langsam."

Schwüle der Nacht

Langsam zu sein an diesem Abend, wäre dagegen der falsche Rat. Die rund 20 Lesungen sind meist überfüllt, sogar die Stehplätze rar, und die Lüftungsanlage kapituliert. Was ist das für ein verzweifeltes Wedeln mit dem Programmblatt, in der Panoramalounge ganz oben, in der "Wirtschaft", im "Ausblick". Allein, der Schwüle der Nacht entgeht man nur im "Biergarten" auf dem schwarz gepflasterten Vorplatz.

Da sitzen auch ein paar der Abgewiesenen, hoffen auf zurückgegebene Tickets und machen sich so ihre Gedanken über den Turm. "So leer und traurig" sei die Eingangshalle, genannt Atrium, sagt ein Mann, und sein Blick ist leer und traurig. "Das ist keine Architektur." Ein andere nimmt gar das Kronawitter-Wort in den Mund: "Bolzen." Es sitzen aber auch zwei Frauen da, entzückt sind sie: "Phantastisch!" - "Ist das schön!" - "Was mir gefällt, ist die Schräge der Fenster." - "Rundum echt imposant und schön."

Ein Minipinguin auf dem Konferenztisch

Womöglich wohnt die SZ in einem sehr männlichen Haus, das seine Wirkung vor allem auf Frauen entfaltet. Das Streiflicht könnte diese These mal erörtern, doch jetzt, um halb acht, hat es gerade ein Problem. Vier seiner Schöpfer hat das Streiflicht auf die Bühne gebeten, doch wo ist Harald Eggebrecht, der vierte Mann? Steckt wahrscheinlich im Aufzug fest, meint Kollege Wolfgang Roth und lässt einen Minipinguin auf dem Konferenztisch tanzen. Derweil knipsen die Gäste den Sonnenuntergang, und mancher erschrickt, wenn ein Turmkundiger ein Fenster öffnet. (Keine Angst, die SZ ist doppelt verglast.)

Dann bespricht das Streiflicht das Liebesleben vom Alten Fritz, redet über die Beziehung zwischen Wetter und Stoiber, und einen Stock höher gibt der SZ-Magazin-Moralist Rainer Erlinger Antwort auf die Frage: Was tun, wenn der beste Freund allzu ruppig küsst? Und was, wenn die Küsse nicht die einzigen Patzer in dessen Liebesleben sind? Da giggeln die Besucher, und man will sich gar nicht vorstellen, welch Szenen sich vor ihrem geistigen Auge abspielen.

So wird die "Nacht der Autoren" zu einem inspirierenden Miteinander zwischen Lesern und Lesenden, so dass Letztere ob der Zuneigung ganz angetan sind. Und so passt es, wenn die SZ-Band spät am Abend im Angesicht des Großkritikers Joachim Kaiser von der Liebe singt und den Chefredakteur zum Tanzen bringt. Wie hat der Stunden zuvor einem Gast versichert: Dass sie sich schon mal anschreien und toben, oben im Turm, "insgesamt aber überwiegt die Freude".

© SZ vom 06.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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