Nach Massenschlägerei in Moschee:Zu viele Wahrheiten

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Die Massenschlägerei in einer Moschee im Münchner Osten stellt die Polizei vor eine schwierige Aufgabe: Die Ermittlungen führen in ein Dickicht von Gerüchten. Ein Zeuge, der den Zwischenfall filmte, könnte nun helfen.

Bernd Kastner

Die gute Nachricht in dieser Geschichte ist, dass es keine Hinweise auf Extremisten gibt. Dieses Gerücht ist lange herumgegeistert um die afghanische Moschee in Berg am Laim. Islamisten wollten angeblich die Macht an sich reißen in dem kleinen, unscheinbaren Gotteshaus an der Neumarkter Straße.

Vorübergehend geschlossen: das Gebetshaus in der Neumarkter Straße. (Foto: Stephan Rumpf)

Doch der Verfassungsschutz gibt Entwarnung, und auch der Staatsschutz der Polizei, der seit bald einem Jahr dort ein und aus geht. Was keineswegs heißt, dass die Polizei dort nichts zu tun hätte, im Gegenteil. Seit sich am vorletzten Wochenende die Lage zuspitzte und am Montag darauf die Gewalt eskaliert ist, kommen die Staatsschützer gar nicht mehr raus aus den Vernehmungen.

Dutzende Afghanen sollen beteiligt gewesen sein an der Massenschlägerei, mehrere Verletzte gab es. Ein 39-Jähriger stach offenbar mit einem Messer zu. Ihm hat ein anderer im Gerangel einen Teil seines Ohres abgebissen. Das Ohr ist wieder angenäht, doch der Mann mit dem Messer sitzt seither im Gefängnis wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung.

Die Vorfälle sind verheerend für das Bild der afghanischen Community in der Münchner Öffentlichkeit. Seit einer Woche ist die Moschee zugesperrt, der Schlüssel liegt bei der Polizei. Wenn keine Extremisten am Werk sind, was ist es dann, das alle Dämme dort brechen ließ?

Es ist ganz offensichtlich ein Machtkampf im Gange zwischen zwei Gruppen, allerdings dürfte der weniger ideologisch bedingt sein als moralisch. Es ist die Person des ehemaligen Imam, der die Gemeinde gespalten hat. Er war weithin anerkannt als Korankenner, hat im Fernsehen gepredigt, doch dann wurden Geschichten aus seinem Privatleben ruchbar, in denen es zunächst um Liebe ging, später um das Gegenteil, und es tauchten ehrabschneidende Videos im Internet auf. Plötzlich wurde die Vorbildrolle des Vorbeters angezweifelt. Doch während seine Unterstützer sagen, privat ist privat, sagt die andere Gruppe: Er muss weg.

Als Imam musste der Mann im vergangenen Jahr zurücktreten, nach 17 Jahren, doch Vorsitzender des Islamischen Zentrums der Exil-Afghanen in Bayern, dem Trägerverein der Moschee, blieb er. Es wurde zwar abgewählt bei Neuwahlen im Frühjahr, doch ob diese juristisch haltbar sind, ist ebenfalls umstritten. Die einen halten ihn noch für den Chef der Gemeinde, die anderen nicht mehr.

Die relative Ruhe der vergangenen Wochen fand jetzt ihr Ende. Ob es am Ramadan liegt, wo viele Muslime nicht nur einmal die Woche in die Moschee kommen, sondern jeden Abend zum Fastenbrechen, sodass man sich oft sieht und ohne lange Pause streiten kann; oder ob es am Ex-Imam liegt, der sich die letzte Zeit wieder etwas öfter hat sehen lassen in der Neumarkter Straße - man wird den einen Funken, der die Explosion ausgelöst hat, im Nachhinein nur schwer identifizieren können.

Helfen könnte der Polizei dabei womöglich ein Moschee-Besucher, der angeblich die Schlägerei mit seinem Handy gefilmt hat. Er soll etwa 17 Jahre alt und asiatischer Herkunft sein und wird gebeten, sich bei der Polizei zu melden und seine Aufnahmen zur Verfügung zu stellen.

Zuletzt wurde immer öfter kolportiert, dass ethnische Konflikte aus Afghanistan in die Gemeinde hineingetragen wurden. Das kann stimmen, kann aber auch nur eines der vielen Gerüchte sein. Denn sicher scheint, dass die beiden Lager ethnisch keineswegs homogen sind. Wer mit Gemeindemitgliedern aus beiden Gruppen spricht, hört jeweils die eine, die unumstößliche Wahrheit: Die andere Seite ist schuld. Die anderen wollen an die Macht. Die anderen haben gezielt provoziert. Die anderen wollten erreichen, dass die Moschee zugesperrt wird, um dann mit dem Finger auf die Provokateure zeigen zu können.

Die Ermittler müssen einen Pfad finden durch ein emotionales Dickicht, in dem Außenstehende leicht die Orientierung verlieren. Nach allem was man hört und weiß, haben Angehörige beider Seiten bisweilen über die Stränge geschlagen, manche verbal, andere moralisch. Ist es also so unwahrscheinlich, dass beide Seiten auch ihren Anteil an der Eskalation haben? Eine Eskalation, die mitten im Ramadan dazu führte, dass ein muslimisches Gotteshaus geschlossen ist, um weitere Gewalt zu vermeiden.

© SZ vom 07.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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