Nach Frauen benannte Straßen:Münchner Schildbürgerinnen

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Wäre nicht auch eine Frauenquote im Straßenverkehr angebracht? In München sind nur wenige Straßen nach Frauen benannt. Die Lokalpolitiker suchen fast schon verzweifelt nach weiblichen Vorbildern.

Melanie Staudinger

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen will sie unbedingt, die großen Dax-Unternehmen sind eher skeptisch und setzen auf freiwillige Selbstverpflichtung. Die Grünen setzen sie parteiintern längst um, und die CSU unter Horst Seehofer hat sie nach langen Diskussionen eingeführt - die Frauenquote.

Bei Katharina von Bora gab es lange Diskussionen, weil für sie die Meiserstraße weichen musste. (Foto: dpa)

Die zentrale Frage: Hilft sie bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau oder ist sie eine unnötige Einmischung? Auch auf lokaler Ebene wird darüber gestritten - im Münchner Kommunalausschuss gerieten gerade SPD-, Grüne- und Linke-Frauen mit ihren männlichen Kollegen von der CSU aneinander.

In dem Gremium ging es jedoch weder um die Besetzung von Führungspositionen noch von Spitzenämtern. Die Stadträte debattierten über Straßenbenennungen - und da gibt es eine deutliche Schieflage.

"Wenn man sich die Straßen anschaut, sieht es fast so aus, als würden nur Männer in der Stadt wohnen", sagte Dagmar Henn (Linke). Anlass ihrer Kritik waren vier neue Straßennamen im Bezirk Schwabing-Freimann, die der Kommunalausschuss einstimmig beschlossen hat. Paten sind Fritz Winter, Johannes Itten, Max Bill und Gertrud Grunow. Drei Männer, eine Frau. Für Henn ein falsches Signal. CSU-Stadtrat Georg Schlagbauer hingegen sah keinen Diskussionsbedarf: "Es gibt vielleicht zu wenige berühmte Frauen."

In der Tat sind Straßennamen in München eine Männerdomäne. Vor zehn Jahren ermittelte das Vermessungsamt, dass von etwa 6000 Straßennamen ungefähr 2500 nach Männern und nur 200 nach Frauen benannt sind. Die restlichen tragen Orts- oder Sachbezeichnungen. Unter den personenbezogenen Namen sind damit nur gut sieben Prozent weiblich. Das ist immerhin ein besserer Schnitt als in den Vorständen der deutschen Dax-Konzerne: Hier liegt die Frauenquote bei vier Prozent.

2004 entschied der Kommunalausschuss, dass mehr weibliche Straßennamen für eine stärkere Präsenz von Frauen im öffentlichen Raum sorgen sollten. Seitdem gibt es immerhin etwas Bewegung. Am Ackermannbogen, etwa. In der Neubausiedlung ist die Mehrheit der Straßen nach Frauen wie Agnes Neuhaus, Centa Herker-Beimler, Elisabeth Kohn oder Therese Studer benannt. Sie engagierten sich in der Arbeitnehmerbewegung im 19. und 20. Jahrhundert.

Oder in der Messestadt: Hier heißen Straßen nach der Autorin Astrid Lindgren, Elisabeth Mann Borgese, dem einzigen weiblichen Gründungsmitglied des "Club of Rome", oder der Physikochemikerin Erika Cremer. Heftig umstritten war die Umbenennung der Meiserstraße. Von deren Namenspatron, dem früheren evangelischen Landesbischof Hans Meiser, wurden antisemitische Äußerungen bekannt.

Nach langem Streit heißt die Straße nun nach Katharina von Bora, der Frau Martin Luthers. Nach Angaben des Kommunalreferats sind seit 2004 insgesamt 38 Straßen nach Frauen benannt worden, 40 nach Männern, 50 erhielten sonstige Namen. Den Frauen im Kommunalausschuss reicht das nicht aus.

Viele wissen nicht, dass es eine große Anzahl verdienstvoller Frauen gibt. Deshalb werden auch immer nur Männer vorgeschlagen", vermutete Lydia Dietrich (Grüne). Das Kommunalreferat solle Informationen über berühmte Münchnerinnen zusammenstellen und an die Bezirksausschüsse weiterleiten. Von ihnen kommen die meisten Vorschläge. Aber auch Stadträte, Angehörige oder Organisationen liefern laut Axel Markwardt vom Kommunalreferat Anregungen. "Wenn Frauennamen zur Verfügung stehen, nehmen wir sie auf", sagt er.

Voraussetzungen für die Paten sind, dass sie mindestens ein Jahr tot sind und die Überprüfung im Zentralarchiv in Berlin keine negativen Nachrichten ans Licht bringt. SPD-Stadträtin Ulrike Boesser sagt: "Wenn sich an der Verteilung nichts ändert, haben wir keine andere Möglichkeit, als eine Quote zu beschließen." Immerhin, im Kommunalausschuss haben Frauen die Mehrheit: Zehn der 15 Mitglieder sind weiblich, die Vorsitzende Christine Strobl (SPD) nicht mitgerechnet.

© SZ vom 19.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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