Nach Banküberfall in Weßling:Ein nicht ganz perfekter Coup

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Spielzeugpistolen und Staubsaugerbeutel: Zwei als Geldtransporteure verkleidete Bankräuber erbeuten 1,2 Millionen Euro - jetzt müssen sie ins Gefängnis.

Florian Tempel

Es war ein ausgetüftelter Coup, kein ordinärer Banküberfall, monatelang akribisch geplant und in wenigen Minuten kaltschnäuzig ausgeführt: Als Mitarbeiter einer Geldtransportfirma verkleidet räumten Bernd R. (44) aus Faistenhaar und sein Münchner Komplize Fritz R. (46) am Vormittag des 23. Januar den Tresorraum einer Bank in Weßling leer. 1,2 Millionen Euro schleppten sie in vier Geldkoffern weg. Soweit war für sie alles perfekt gelaufen.

Fast wären sie mit der Millionen-Beute über alle Berge gewesen: Mit zwei Koffern in der Hand verlässt der als Geldtransporteur verkleidete Bernd R. die Bankfiliale in Weßling. Dabei wird er von einer Videokamera aufgenommen. (Foto: Foto: oh)

Der Bankangestellte, der ihnen ahnungslos die dicke Stahltür geöffnet hatte, weil er dachte, die beiden wären die von ihm bestellten Geldkuriere, lag gefesselt und geknebelt in der Geldkammer im Keller. Oben hatte keiner etwas mitbekommen. Als die Räuber aus der Bank heraustraten, verließ sie jedoch das Glück. Eben in jenem Moment fuhr zufällig eine Polizeistreife vorbei.

Die beiden aufmerksamen Beamten wunderten sich, wo denn der übliche gepanzerte Geldtransporter sei und warum die beiden Männer mit den Geldkoffern hinter die Bank gingen. Nachdem die Streifenbeamten umgedreht hatten, kamen ihnen die Bankräuber schon in einem uralten, roten Kleinwagen entgegen, den sie Wochen zuvor für ganze 200 Euro als Fluchtwagen gekauft hatten. Nun war alles klar, sowohl für die Polizei wie für die Bankräuber, die sofort Gas gaben. Nach einer kurzen Verfolgungsfahrt bretterten die Gangster an einem Kreisverkehr durch eine Hecke eine Böschung hinab und ließen ihr Auto samt der Beute auf einer Wiese stehen. Zu Fuß flüchteten sie in einen Wald.

Vom Komplizen verraten

Fritz R. kam nicht weit. Er war schnell geschnappt. Seinem Kompagnon erging es besser. Nachdem er sich eine Stunde im Wald unter einem Blätterhaufen versteckt hatte, lief er weiter, bis er zur Pforte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt beim Flugplatz Oberpfaffenhofen kam. Ein Projektleiter auf dem Heimweg nahm ihn als Anhalter mit nach Puchheim, wo er sich erneut versteckte und von wo aus er am frühen Abend mit einem Taxi nach München fuhr. Schon am Tag nach dem Überfall sah er sein Foto in allen Zeitungen. Sein Komplize hatte ihn verraten.

Ende Februar nahm ihn ein Sondereinsatzkommando in einer Wohnung in Giesing fest. Am gestrigen Freitag verurteilte nun das Landgericht München II den vielfach vorbestraften Bernd R. zu acht Jahren und neun Monaten Gefängnis. Sein Komplize, der etwas weniger Vorstrafen mitbrachte, erhielt siebeneinhalb Jahre.

Das Gericht hatte zwar den starken Verdacht, dass die beiden Angeklagten einen Tipp bekommen haben mussten. Denn in der Bank gab es mehr zu holen als andernorts. Im dortigen Tresorraum läuft Geld aus mehreren Filialen zusammen. Am Tattag war es zudem noch mehr als sonst, weil die Geldzählmaschine kaputt gewesen war und sich deshalb Geld aufgestaut hatte.

Täuschend echte Spielzeugpistolen

R. und R., die sich seit gut fünf Jahren kennen und vor der Tat zusammen als Solarium-Techniker arbeiteten, beteuerten allerdings unwiderlegbar, nur sie allein seien für ihren Coup verantwortlich. Zur Auffrischung ihrer miserablen Finanzsituation hätten sie im Herbst 2007 begonnen, gezielt Geldinstitute für einen Überfall auszukundschaften. Ihre Wahl sei auf die Bank in Weßling gefallen, weil diese verkehrsgünstig liegt, es keine Polizeistation im Ort gibt, dafür eine gute Abstellmöglichkeit für das Fluchtauto hinter dem Gebäude.

Und vor allem: Ihren Beobachtungen nach seien jeden Mittwochvormittag Geldkuriere gekommen, die stets ohne Koffer in die Bank gingen und stets mit Koffern wieder herauskamen. Da musste einfach etwas zu holen sein. Bei näherer Beobachtung erfuhren sie, dass die Geldkuriere die Koffer aus dem Untergeschoss holten, wohin man ohne weiteres Zugang durch die Schalterhalle hatte.

R. und R. stellten sich mit dunkelblauen Marinehosen und Pullovern ein überzeugend wirkendes Geldkurier-Outfit zusammen und kauften zwei täuschend echte Spielzeugpistolen und Waffenholster. Am Tattag verkleidete sich Fritz R. mit einer blonden Langhaarperücke. Bernd R. färbte sich die Haare mit einem Spray und setzte zur Tarnung eine Kappe und eine rote Brille auf. Dann ging es los. Sie spazierten ohne Aufsehen zu erregen durch die Schalterhalle in den Keller, klopften an die Stahltür des Tresorraums und bekamen von einem 53-jährigen Bankangestellten geöffnet, der dort zwei Geldkuriere erwartete.

Der Mann wurde von Bernd R. gefesselt und musste aus einem Fläschchen ein Beruhigungsmittel trinken, bevor er mit Klebeband geknebelt wurde. Fritz R. packte das offene Geld in zwei im Tresorraum vorhandene Koffer und nahm zwei weitere, bereits gepackte Geldkoffer mit. Zum Abschluss leerten sie den Inhalt von zwei Staubsaugerbeuteln mit in Solarien aufgesaugtem Dreck im Tresorraum aus. Das hatten sie im Fernsehen gesehen. So wollten sie der Polizei die Suche nach DNA-Spuren erschweren. Eine findige, aber letztlich völlig überflüssige Idee.

© SZ vom 29.11.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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