MVV-Tarifreform:Rentner und das Umland sind Verlierer

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Während die geplante neue Preisstaffel für München günstiger wird, regt sich teils erhebliche Kritik von Pendlern und Senioren

"Widerstand im Norden" vom 23. Juli (Thema des Tages), Kommentar "Der Unmut ist gefährlich falsch" vom 23. Juli, "Kritik an MVV-Tarifreform" vom 14./15. Juli sowie "Das Ringen hat ein Ende" vom 7./8. Juli:

Da ist der Wurm drin

In seinem Kommentar zur MVV-Reform bezeichnet Kassian Stroh die Proteste als "gefährlich falsch". In Wirklichkeit zeigen die Proteste Schwachstellen und Ungereimtheiten der Neuordnung. Beispielsweise die Tatsache, dass der ehemalige Innenraum (Ring 1 bis 4) zur M-Zone fusioniert wird, jedoch gleichzeitig die Angebote für das Gesamtnetz entfallen. Welch kuriose "Vereinfachung"! Wer mit einer einzigen Karte das Gesamtnetz nutzen möchte, muss künftig die Zonen M + 6 kaufen, die erheblich teurer sind als die bisherige Netzkarte Gesamttarifgebiet. Im Falle der IsarCard 9 Uhr beträgt die Preissteigerung fast 30 Prozent. Während in politischen Sonntagsreden die Förderung des ÖPNV betont und sogar die Einführung von Freifahrten diskutiert wird, fördert die Münchner Politik mit solch drastischen Kostensteigerungen den Umstieg auf das Auto. "Gefährlich falsch" ist daher nicht der Protest, sondern das Verschweigen der erheblichen Preissprünge und die bislang leider sehr unkritische Berichterstattung. Robert Vogl, München

Bitte solidarisch und einfach

Der Unmut ist nicht gefährlich falsch, sondern berechtigt, denn das neue System ist nicht einfacher, sondern nur anders kompliziert. Die riesige Metropole New York mit fast 10 Millionen Einwohnern kommt seit vielen Jahren mit einem System aus, das auch der Begriffsstutzigste sofort versteht. Man kann mit einem "Token" zum gleichen Preis eine Station weit fahren, die man auch fußläufig schaffen würde, oder von Staten Island bis an die Spitze der Bronx, was über eine gute Stunde dauert. Kassian Stroh findet es dagegen schon ungerecht, wenn Bürger, die in der glücklichen Lage sind, sich nicht täglich mit S- und U-Bahn herumschlagen zu müssen, für diejenigen über die Steuern mitzahlen müssten, die dieses Glück nicht haben. Das finde ich - vorsichtig formuliert - eine sehr merkwürdige Einstellung. Ich gehöre keiner Kirche an, muss aber mit meinen Steuern Gehalt und Luxushüttchen von Kardinal Marx, sowie die Gehälter sämtlicher Pfarrer und Priester mitfinanzieren. Menschen die keine Kinder haben, finanzieren Kindergärten, Kitas, Schulen von Leuten mit Kindern mit, Menschen, die nie eine Universität besucht haben, zahlen dafür, dass andere dies tun können. Menschen, die das Glück haben, selten oder nie krank zu sein, finanzieren die immensen Kosten von Schwer- und Langzeitkranken mit. Das nennt man das Solidaritätsprinzip! Und das ist auch gut so! Warum sollte es beim öffentlichen Nahverkehr nicht genau so sein? Renate Seitz, München

Für Rentner wird's teurer

Alles einfacher und billiger? Dabei ist Ihnen wohl entgangen, dass es durchaus eine Gruppe gibt, für die es zukünftig ganz erheblich teurer werden soll, in meinem Fall um über 20 Prozent. Dies betrifft die Rentnerinnen und Rentner, die in den Außenbezirken wohnen, also eher die Einkommensschwachen, die damit die Preissenkungen für die Münchener subventionieren. In Türkenfeld wohnend, bezahle ich bisher für ein Senioren-Jahresticket 648,00 Euro (Ringe 1 bis 16). Zukünftig habe ich nach der Tabelle des MVV für die gleiche Leistung, Tarifzone M+4, bei jährlicher Zahlungsweise 779,04 Euro zu berappen, eine Preissteigerung von über 20 Prozent. Man mag OB Reiter zum Verhandlungsgeschick gratulieren, für seine Münchner hat er viel rausgeholt. Die Landräte haben sich bei der Behandlung der Rentnerinnen und Rentner über den Tisch ziehen lassen. Der Wegfall der Personengruppe 60 bis 64 Jahre alt im neuen Tarifsystem wird in der Argumentation des MVV völlig verschwiegen, bringt ihm aber erhebliche Mehreinnahmen, oft auch zu Lasten von einkommensschwachen Rentnerinnen und Rentnern. Es sieht so aus, dass der Außenbereich weiter die Stadt subventioniert. Viel übrig hat der MVV für den Außenbereich ohnehin nicht, eine ganze Reihe von Bahnhöfen wartet noch heute auf einen behindertengerechten Zugang. Geld für eine zweite Stammstrecke scheint aber im Überfluss vorhanden zu sein. Horst Schülke, Türkenfeld

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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