Mundgemachte Musik:Schlag auf Schlag

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"Die Gedanken sind geordneter, wenn die Wohnung aufgeräumt ist", sagt Konrad Wiebe. Er ist Beatboxer und mag dieses Rapper-Gehabe nicht, wie es manche seiner Kollegen zelebrieren. (Foto: Catherina Hess)

Konrad Wiebe hat durch das Beatboxen das Stottern abgelegt und sein Selbstbewusstsein gestärkt - jetzt ist er Deutscher Meister

Von Linus Freymark, München

Bei Beatboxern kommt es auf jede Sekunde an. Konrad Wiebe, Künstlername Madox, weiß das. Er muss im Takt sein, die Beats exakt setzen. Schlag auf Schlag, da bleibt keine Zeit, groß nachzudenken. Seine Ex-Freundin hat ihn einmal vor die Wahl gestellt: Die Musik oder ich? Schlag auf Schlag, keine Zeit zu überlegen. Wiebe hat sich für die Musik entschieden. Kein Scherz.

Beatboxen ist eine ernste Angelegenheit. Auf der Bühne, beim Battle, Eins gegen Eins. Madox gegen Chezame, München gegen Berlin, Halbfinale der Deutschen Meisterschaft am vergangenen Wochenende im Berliner Club Gretchen vor 500 Zuschauern. Chezame macht sich lustig, äfft seinen Kontrahenten nach, zu schrill, zu überdreht. Und verliert. Am Ende wird Konrad Wiebe, 28, Deutscher Beatbox-Meister. Es ist das erste Mal, dass kein Berliner Deutscher Beatboxmeister wird. Mit Konrad Wiebe kommt der Gewinner aus München, einer Stadt, in der es so wenige Beatboxer gibt, dass sich Wiebe schwer damit tut, sie als Szene zu bezeichnen.

Beatboxer machen in etwa dasselbe wie DJs: Sie schreiben Songs, machen Remixes daraus, nehmen sie auf oder performen live. Nur haben sie keinen Laptop, der vorproduzierte Percussions und Trompetenfanfaren ausspuckt: Sie erzeugen ihre Sounds selbst, mit dem Mund. Der Trend kommt ursprünglich aus der Hip-Hop-Szene der USA, mittlerweile findet man immer mehr Einflüsse aus der elektronischen Musik. Wiebe beschreibt seinen Stil als Future Bass, eine Mischung aus House und Dub-step. Kräftig schwingende Bässe, leiernde Melodien. Das, was aus Wiebes Mund kommt, wenn er einen seiner Songs performt, erinnert ein bisschen an den US-amerikanischen Dubstep-DJ Skrillex.

"Die Gedanken sind geordneter, wenn die Wohnung aufgeräumt ist", sagt Konrad Wiebe. Er ist Beatboxer und mag dieses Rapper-Gehabe nicht, wie es manche seiner Kollegen zelebrieren. (Foto: Catherina Hess)

Wiebe hat natürlich längst wieder eine neue Beziehung. Zusammen mit seiner Freundin wohnt er in Schwabing. Strahlend weiße Möbel, auf dem Küchentisch stehen Tischkerzen und ein Blumenstrauß. Eine Pärchenwohnung, keine verrauchte Studentenbude, in der Typen mit Hosen in den Kniekehlen und Kapuzenpullis, die so weit sind, dass zwei Leute hineinpassen, herumhängen und Hip-Hop hören. "Die Gedanken sind geordneter, wenn die Wohnung aufgeräumt ist", sagt Wiebe. Er mag dieses Rapper-Gehabe nicht, wie es manche seiner Kollegen zelebrieren, Wiebe tritt auch nicht mit Hoodie und Baseballcap auf. In Berlin hat er im Hemd performt. Trotzdem hat er die Lässigkeit, die er braucht, um beim Publikum anzukommen. Ist man verkrampft, merken das die Zuhörer. Vergangenes Jahr ist er deswegen bei der Meisterschaft ausgeschieden.

Und man muss sich trauen, überall und zu jeder Zeit zu beatboxen: an der Supermarktkasse, an der Bushaltestelle, im Auto. Wenn Wiebe eine Idee für einen neuen Sound hat, muss er sie ausprobieren, bevor der Einfall wieder verflogen ist. Nur die Lautstärke dämpft er in der Öffentlichkeit. "Ich habe ja schon noch Manieren", sagt er und lacht. Oft feilt er mehrere Stunden am Tag an seiner Technik. Jeder Schlag muss passen, jeder Ton getroffen werden. Um seinen Gesang zu verbessern, hat er ein Jahr lang Unterricht genommen, er spielt Klavier und Gitarre. Gerade arbeitet er an seinem ersten Studioalbum. Die Songs schreibt er alle selbst.

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"Die Musik macht einen Großteil meines Charakters aus", sagt er. Durch sie hat Wiebe Freunde in aller Welt, Südkorea, Japan, New York. Und er hat das Stottern abgelegt. "Durch Beatboxen lernt man, seine Atmung zu kontrollieren", erklärt er. Neben dem täglichen Training macht Wiebe häufig Yogaübungen. Das Beatboxen habe ihm viel Selbstvertrauen gegeben. "Wenn du weißt, dass du eine Sache gut kannst und darin bestätigt wirst, wirkt sich das aufs ganze Leben aus."

Theoretisch könnte Wiebe vom Beatboxen leben. Er ist schon vor 6 000 Leuten auf dem Frauenfeld-Open-Air aufgetreten, einmal hat er als Vorband von Kool Savas gespielt. Aber die kleinen Clubs, in denen er am Wochenende auftritt, sind ihm lieber als die großen Konzerthallen. Manchmal buchen ihn auch Firmen, Google hat ihm einmal 2 000 Euro für eine Performance von fünf Minuten gezahlt. Und er verdient mit Youtube Geld, knapp 1,4 Millionen Menschen haben seinen Kanal Swissbeatbox abonniert. Aber nicht alle Events sind gut bezahlt. Zur Meisterschaft nach Berlin ist Wiebe mit der Mitfahrgelegenheit gefahren, zurück hat ihn ein "Fanboy" mitgenommen. Auch Beatboxer haben so etwas.

Das Beatboxen soll ein Hobby bleiben, wird es zu kommerziell, verliert man den Spaß daran, sagt Wiebe. Hauptberuflich arbeitet er als Kameramann. Selbständig, eine Festanstellung wäre mit dem Beatboxen nicht vereinbar. Wiebe muss zeitlich flexibel sein, ist viel unterwegs.

Neben dem Schrank in Konrad Wiebes Wohnzimmer steht ein roter Koffer. Wegen der vielen Reisen lohnt es sich nicht, ihn in den Keller zu räumen. Spätestens in zwei Jahren wird Wiebe wieder nach Berlin fahren. Als Deutscher Meister ist er automatisch für die Weltmeisterschaft qualifiziert.

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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