Multimediales Einkaufen:Die echte und die andere Welt

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An Tablets und Monitoren kann man sich im Rose Biketown München sein individuelles Fahrrad zusammenbasteln. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Immer mehr Geschäfte versuchen, digitales Shopping und reales Einkaufserlebnis zu verbinden. Heraus kommen individuelle Skischuhe oder Kosmetika. Kunden und Händler sind zufrieden. Doch sieht so das Geschäft der Zukunft aus?

Von Franziska Gerlach

Man fühlt sich ein wenig wie beim Arzt. Surrend umrundet eine Kamera den Fuß, der in einem speziellen Socken steckt. Erst den linken, dann den rechten, nur wenige Augenblicke später spuckt ein Computerprogramm eine dreidimensionale Aufnahme aus - präzise bis in den kleinen Zeh. Die Technik dahinter würde man in einer radiologischen Praxis vermuten. Aber nicht in einem Fachgeschäft für Fahrräder.

Und Rose Biketown München passt tatsächlich nicht so recht ins Bild eines herkömmlichen Geschäftes. Überall in dem multimedialen Konzeptstore, den der in Bocholt ansässige Fahrradhersteller Rose im Oktober 2014 im Einkaufszentrum Mona in Moosach eröffnet hat, klemmen Tablets in Halterungen, auf einem Bildschirm hinter der Kasse brettert ein Moutainbikefahrer durchs Gehölz. Dass man sich hier die Füße vermessen lassen kann, soll den Schuhkauf vereinfachen. Die Daten werden gespeichert, bei einem späteren Online-Kauf kann der Kunde sie erneut abrufen.

Es geht darum, Kunden auf allen Kanälen zu bedienen

Und wer sich auf einen schwarzen Würfel setzt, dem berechnet ein System die Breite der Gesäßknochen - je nachdem, ob man lieber durchs Gelände fährt oder durch die Innenstadt, folgen einige Vorschläge für einen passenden Sattel. "Da tue ich mir leichter, als wenn ich vor einer Wand mit zig Modellen stehe", sagt Gebhard Herzog, der den Laden im Mona leitet.

Sieht so also das Geschäft der Zukunft aus? Multichannel heißt die Marketingformel, die vorsieht, den Kunden auf allen Kanälen zu bedienen. "Man trennt nicht mehr zwischen on- und offline", sagt Sebastian Deppe von der BBE Handelsberatung. Manche recherchieren im Netz und kaufen dann im Geschäft, andere handhaben es genau andersherum, und Dritte wählen wiederum nur einen der Wege.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) jedenfalls fand das Zusammenspiel von stationärem Handel und digitalen Medien so gelungen, dass er das Fahrradgeschäft zum "Store of the Year" 2014 in der Kategorie "Out of Line" gekürt hat. Ein Einzelfall ist Rose Biketown München aber nicht.

Das Bein wird digital erfasst

In der Kälte- und Höhentrainingskammer des Outdoor-Ladens Globetrotters gibt es eine Wärmebildkamera. Bei Sport Schuster empfangen den Kunden schon seit fünf Jahren elektronische Stelen. Tippt man dort den Namen eines Herstellers ein, wird auf die entsprechende Abteilung verwiesen.

Als Schmankerl des Sportfachgeschäftes gilt ein Scanner für Skischuhe. Bis auf die Höhe des Knies wird das Bein digital erfasst, auf Basis dieses Profils schlägt das System dann einige Modelle vor, die in Frage kämen. "Die Feinjustierung erfolgt dann mit dem Fachberater", sagt Konstantin Rentrop, der bei Sport Schuster die Bereiche Multichannel und Marketing leitet.

Auch in der Kosmetikabteilung von Ludwig Beck setzen Verkäuferinnen seit einem guten Jahr Tablets ein. Dabei ermitteln sie zum Beispiel den Dufttyp eines Kunden, verweisen aber auch auf das Angebot des Onlineshops ludwigbeck.de, etwa wenn Produkte in einer bestimmten Größe nicht verfügbar sind - oder bei Marken, die ohnehin nur dort zu haben sind.

In Zeiten der Globalisierung ist die Sehnsucht nach dem Besonderen groß

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Fahrräder: Bei Rose Biketown kann man sich sein Radl digital gestalten.

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Betten: "Individualisierungs-Stationen" schlagen bei Bettenrid Matratzen vor.

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

Skischuhe: Bei Sport Schuster vermisst ein Scanner den Fuß.

Experten sehen in der Digitalisierung auch eine Chance für den stationären Handel, dem anhaltenden Online-Trend Paroli zu bieten. Bei Rose Biketown München wischt Gebhard Herzog jetzt über das Display eines Tablets und stattet ein Fahrrad mal mit diesem, mal mit jenem Lenker aus. "Jedes Fahrrad wird so zusammengebaut, wie der Käufer das gerne hätte", sagt er.

In Zeiten der Globalisierung ist die Sehnsucht nach dem Besonderen groß, und so sollen eben auch Fahrradräder möglichst einzigartig sein. Und gerade im teuren München machen es Tablets im Laden außerdem möglich, auch bei begrenzter Fläche das gesamte Sortiment zu zeigen. "Durch die Digitalisierung können Regalflächen und Quadratmeter gespart werden", sagt Deppe. So könne der Kunde auf diese Weise schnell zu seinem Favoriten gelangen.

Und wie das Beispiel Bettenrid zeigt, vertragen sich digitale Elemente durchaus mit einem Geschäftskonzept, das die Sinne anspricht. Im Haus an der Neuhauser Straße erwarten den Kunden seit dem Umbau im vergangenen Jahr mehrere "Individualisierungs-Stationen", wie Christiane Hoss-Nurminen erklärt, die Bereichsleiterin Marketing und E-Commerce. Wer sich im Untergeschoss in das sogenannte "Messbett" legt, dem schlägt ein System eine Matratze vor, deren Härtegrad zuvor entsprechend der Körpermaße berechnet wurde.

Die klassische Verkaufsberatung gibt es weiterhin

Das Maßatelier für Bettwäsche präsentiert neben dem wichtigsten Modellen zum Fühlen und Anfassen auch eine Farbkartei - online kann der Kunden dann selbst kreativ werden, den lindgrünen Überzug etwa mit einer tannengrünen oder einer petrolfarbenen Borte kombinieren. Auf eine klassische Verkaufsberatung verzichtet das Traditionshaus dabei freilich nicht. "Das ist eine Mischung aus digitaler Unterstützung und traditioneller Beratung", sagt Christiane Hoss-Nurminen. Und im Übrigen sei es vielmehr sogar so, dass das Personal in Zeiten, da sich der Kunde vorab im Netz informiere, noch kompetenter beraten müsse.

Bei Florian Wahl hat es einige Wochen gedauert, bis er sich entscheiden konnte. Doch nach intensiver Recherche im Netz und anschließender Beratung bei Rose Biketown München, ist er schließlich fündig geworden. "Da ist ja mein Traumfahrrad!", ruft er. Die Frage, ob es nun reiner Pragmatismus war, der ihn zum Produkt geführt hat, oder doch eher der Wunsch nach Individualisierung, bekommt er nicht mehr mit. Er läuft auf das zierliche Rennrad zu, hebt es kurz hoch, streicht über den Sattel. Ein augenscheinlich zufriedener Kunde.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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