Münchner Zoo:Tierarzt wird Chef von Hellabrunn

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Der 43-jährige Veterinär Andreas Knierim vom Erlebniszoo Hannover folgt in einem Jahr Henning Wiesner als Direktor nach.

Astrid Becker

Der Aufsichtsrat der Tierpark Hellabrunn AG hat entschieden: Andreas Knieriem, derzeit Zootierarzt und stellvertretender zoologischer Leiter beim Erlebniszoo Hannover, soll der Nachfolger des jetzigen Zoodirektors Henning Wiesner werden. Wie berichtet, geht Wiesner zum 30. November des nächsten Jahres in Ruhestand.

Vom Erlebniszoo Hannover nach München: Andreas Knieriem (Foto: Foto: Rumpf)

Bürgermeisterin und Aufsichtsratsvorsitzende Christine Strobl begründete die bis auf eine Enthaltung einstimmige Entscheidung damit, dass sich Knieriem am besten präsentiert habe: "Wir haben nach jemandem mit Persönlichkeit und Ausstrahlung gesucht - jemand wie Wiesner hinterlässt ja unzweifelhaft sehr große Fußstapfen." Wiesner kommentiert das Votum des Gremiums bislang nicht. Er war bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Der Aufsichtsrat hatte eine Personalagentur aus Köln eingeschaltet, um einen Ersatz für Wiesner zu finden. Doch nur 17 Veterinäre und Zoologen hatten sich auf die Ausschreibung gemeldet, zwei zusätzliche Kandidaten hatten, nachdem sie direkt angesprochen worden waren, noch eine Bewerbung abgegeben. In der vergangenen Woche hatten aus diesem Pool fünf Kandidaten bei einer eigens gebildeten Findungskommission vorgesprochen- bestehend aus Strobl, dem Aufsichtsrat und Stadtsparkassenchef Harald Strötgen und der Zookuratorin Beatrix Köhler. Aus diesen Fünf wurden dort zwei mögliche Wiesner-Nachfolger aussortiert - die Entscheidung des Gremiums fiel nun auf Knieriem. Auch für Kenner der Szene ist dies eine Überraschung, kommt der 43-jährige Vater einer zweieinhalb Jahre alten Tochter, doch aus einem Zoo, dessen Konzept mit dem Hellabrunns so gar nichts gemein hat. So bezeichnet sich der Tierpark in Hannover selbst als Erlebniszoo und umschreibt damit eine Ausrichtung, die bislang beim Münchner Zoo-Aufsichtsrat auf nur wenig Gegenliebe stieß.

Anfang der neunziger Jahre stand der Zoo Hannover vor der Schließung, weil die Besucherzahlen rapide gesunken waren. 1994 entschloss man sich dann für einen Neuanfang mit eben diesem Erlebniszoo-Konzept. Dafür wurde das bislang für den Zoo zuständige städtische Amt in eine GmbH verwandelt und 1994 an den Kommunalverband Großraum Hannover veräußert - mit dem Ziel, den Tierpark zusammen mit Freizeitwissenschaftlern und Architekten in eine attraktive Erlebniswelt umzugestalten - für die der Besucher auch bereit sein sollte, mehr als bisher zu bezahlen: Stolze 19,50 Euro kostet der Eintritt für Erwachsene derzeit (in München 9,00 Euro). Im Rahmen der Expo wurden dann rund 50 Millionen Euro in den Zoo investiert - es entstanden ein indischer Dschungelpalast, die afrikanische Flusslandschaft Sambesi, ein Gorillaberg, ein Bauerndorf; bis 2010 soll auch noch ein Alaskathemenpark entstehen. Noch immer knappert Hannover an dem durch diese Investitionen entstandenen Schuldenberg.

Bedenken ob dieser in München doch so kritisch betrachteten Hannoverschen Entwicklung kann Knierim jedoch überzeugend zerstreuen: "Ich werde hier weder Schnellschüsse machen noch mit der Brechstange an Hellabrunn herantreten." Im Gegenteil: Vielmehr wolle er Wiesners Wirken weiterentwickeln, und werde dabei auch nicht davor zurück scheuen, sich vom jetzigen Zoodirektor eingehend beraten zu lassen. Vorstellbar sei, so Knieriem zur SZ, die Besucher künftig noch etwas näher an die Tiere heranzubringen. "Grundsätzlich finde es besser, wenn der Besucher mittendrin ist als vor einem Gehege. Ich stehe für anspruchsvolle Tierhaltung." Aber in einen "zweiten Zoo Hannover" wolle er München nicht verwandeln. Vielmehr soll das "Geozoo-Konzept" Hellabrunns weiterentwickelt werden, die Naturlandschaft der Isarauen erhalten und die Familien- und Besucherfreundlichkeit des Zoos optimiert werden. Besonderes Augenmerk will er auf den Tier-, Natur- und Artenschutz legen und die bisherigen Projekte, wie die Wiederansiedelung der Mhorrgazellen in Marokko oder der Przewalski-Urwildpferde in Kasachstan, fortführen.

Knieriem hat über den Ertrinkungstod bei Delphinen, die sich beim Fischfang in den Netzen verfangen hatten, promoviert und zunächst als stellvertretender Tierarzt im Zoo Duisburg gearbeitet - der wie München eine Aktiengesellschaft ist. "Dort habe ich bereits als 13-Jähriger ein Praktikum absolviert. Ich bin, wenn man so will, im Zoo aufgewachsen und habe Tierarzt und Tiergärtner von der Pike auf gelernt." 1996 war er dann nach Hannover gewechselt.

© SZ vom 26.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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