Münchner Taxler klagen:Notruf vom Taxi-Stand

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In den vergangenen zwei Jahren seien etwa 55 von 1100 Taxiplätzen umgewandelt worden, klagen die Fahrer. (Foto: Catherina Hess)

Sie sehen sich "allenfalls als das ungeliebte Kind" der Rathauspolitik und bangen um ihre Existenzgrundlage: Die Münchner Taxifahrer fühlen sich zurückgedrängt von Radlern, Bussen, Trambahnen und Autos. Die Branche steht unter gewaltigem Druck.

Von Marco Völklein, München

Zuletzt entzündete sich der Streit an den sechs Taxi-Stellplätzen am Harras. Im Februar hatte der Bezirksausschuss Sendling beschlossen, den Standplatz vom Harras in die nahe Albert-Roßhaupter-Straße zu verlegen - und aus den sechs Stellplätzen nur noch vier zu machen. Ähnliches würde der Radfahrerklub ADFC mit dem Taxi-Standplatz am Odeonsplatz machen. Und der Aufstellplatz am Marienplatz ist schon seit längerem bedroht, weil die Stadt plant, dort Radlern und Fußgängern mehr Raum zu geben. "Wir fühlen uns mehr und mehr an den Rand gedrängt", sagt nun Frank Kuhle, Vorstand der Taxi München eG. Und Hubert Schmidt, Geschäftsführer der Taxizentrale Isarfunk, ergänzt: "Wenn es so weiter geht, wird nach und nach einer ganzen Branche die Existenzgrundlage entzogen."

Isarfunk-Chef Schmidt stört sich unter anderem an den vielen Vorrangregelungen, die die Rathauspolitiker den Bussen und Trambahnen der MVG einräumen. So erhalten Nahverkehrsfahrzeuge an vielen Kreuzungen Grün, sobald sie die Stelle ansteuern - der Querverkehr indes muss warten. "Zugleich allerdings blockieren weitere Gelenkbusse die Fahrbahn, obwohl sie auch den Gleisbereich der Trambahn nutzen könnten", schimpft Schmidt, in der Einsteinstraße sei dies etwa der Fall. In der Maximilianstraße wiederum oder auch in der Kapuzinerstraße habe die Stadt kurzerhand Autofahrspuren in Radfahrerstreifen umgewandelt, "da muss man sich nicht wundern, wenn alles im Stau erstickt".

"Allenfalls das ungeliebte Kind"

Ähnlich formuliert es sein Kollege Kuhle von Taxi München eG. Er sieht vor allem in Forderungen der Grünen eine Gefahr für die Branche - etwa in dem Vorschlag, die Sonnenstraße in einen breiten Fußgängerboulevard zu verwandeln und im Gegenzug den Autoverkehr auf der Ringstraße einzuschränken. "Dadurch würde an vielen weiteren Stellen in der Nähe nur unnötig Stau erzeugt", sagt Kuhle. "So schafft man sich selbst den Beweis, um dann dort wieder ansetzen und handeln zu können", sprich den Autoverkehr einzuschränken.

Forderungen des ADFC
:Autos sollen Radfahrern weichen

Immer mehr Menschen sind in München mit dem Fahrrad unterwegs. Der Radfahrerverband ADFC fordert deshalb, dass Autofahrer Radfahrern weichen sollen - auch auf Hauptstraßen. Außerdem auf der Wunschliste: Schnellstraßen für Radfahrer.

Von Marco Völklein

Die Branchenvertreter verweisen gerne darauf, dass das Taxigewerbe "ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Verkehrs ist" - deshalb vergibt die Stadt Konzessionen und setzt die Tarife fest. "Wir haben eine Beförderungspflicht und einen Versorgungsauftrag", sagt Kuhle. In der Wahrnehmung der Rathauspolitiker allerdings "sind wir allenfalls das ungeliebte Kind". So habe die Kommune in den vergangenen zwei Jahren etwa 55 von stadtweit etwa 1100 Taxi-Stellplätzen umgewandelt, um Platz zu schaffen, beispielsweise für neue Fahrradständer oder Bushaltestellen. Stadtweit sind derzeit 3400 Taxis zugelassen. Vor allem an lukrativen (und zugleich knapp bemessenen) Standplätzen wie etwa am Marienplatz kommt es aber immer wieder zu regelrechten Taxi-Staus.

Reiter hat sich für die Taxler eingesetzt

Von der neuen Stadtregierung fordern die Branchenvertreter, "den städtischen Verkehr in seinem Gesamtzusammenhang zu sehen", wie Kuhle es formuliert. Es sollen die Belange der Auto- und vor allem der Taxifahrer künftig stärker berücksichtigt werden. Der neue Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), vormals Wirtschaftsreferent, habe "erkannt, dass man nicht alle Stellplätze einfach so wegrationalisieren kann", sagt Kuhle. In der Tat hatte sich Reiter vor der Kommunalwahl für die Belange der Taxifahrer eingesetzt. Er hatte beispielsweise versprochen, mit dem neuen Polizeipräsidenten Hubertus Andrä darüber zu reden, ob die Taxler während der Wiesn wieder künftig wieder näher an das für Autos abgeriegelte Festareal ranfahren können.

Zumal die Branche auch wirtschaftlich unter Druck gerät: So empfinden viele Taxi-Unternehmer die neuen Carsharing-Angebote von Daimler oder BMW als Konkurrenz, immer öfter sind auch Limousinenfirmen unterwegs und bieten ihre Dienste zu Taxi-Preisen an. Unklar ist derzeit auch noch, wie sich die neue Mindestlohnregelung auswirkt. Nur etwa ein Drittel der geschätzt 6000 Taxifahrer in München arbeiten als selbständige Unternehmer, sagt Kuhle. Der Rest ist angestellt. Ihnen müssten die Firmen künftig den Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde zahlen - sofern die Branche nicht, ähnlich wie die Friseure, eine Sonderregelung aushandelt.

Noch ist offen, wie die Regelung am Ende genau aussieht. Je nachdem, was letztlich im Gesetz steht, könnte sich das Gewerbe bald erneut gezwungen sehen, bei der Stadt einen Antrag auf Anhebung der Taxitarife einzureichen. Zuletzt waren die Preise im vergangenen Dezember um durchschnittlich sechs Prozent gestiegen. Davor allerdings waren die Tarife seit dem Jahr 2010 nicht mehr angehoben worden.

Nachtrag: In einer vorigen Version dieses Artikels hieß es, es gäbe in München 1350 Taxis. Das war falsch. Richtig ist, dass es 3400 Taxis gibt.

© SZ vom 19.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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