Münchner Stadtgeschichte:Tanksäule aus Gestapo-Zentrale aufgetaucht

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Der Münchner Geschichtsforscher Klaus Bäumler mit Zapfhahn im Bürgerbüro Maxvorstadt. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Zentrale der Gestapo war im Wittelsbacher Palais in München untergebracht. Nach der Zerstörung durch Bomben galt es bisher als gesichert, dass von der alten Anlage nur eine Löwen-Plastik erhalten geblieben ist. Doch nun ist eine Sprit-Zapfsäule aufgetaucht.
  • Ein Münchner Geschichtsforscher hat alte Akten ausgewertet und ist überzeugt, dass das Gerät dazu diente, den Fuhrpark der Gestapo zu tanken.
  • Das Stück geht nun ans Stadtmuseum.

Von Stefan Mühleisen, Maxvorstadt

Ein geschichtsträchtiges Gebäude liegt in Schutt und Asche, der Rest ist geschleift - und ausgerechnet ein steinerner Löwe und eine Sprit-Zapfsäule bleiben unversehrt? Klingt kurios, aber genauso ist es wohl im Fall des Wittelsbacher Palais.

Bisher galt als sicher, dass nur eine Löwen-Plastik des Bildhauers Johann von Halbig den Krieg überlebt hat. Das Original wacht seit Jahren an der Mandlstraße vor der Katholischen Akademie. Nun ist ein weiteres Artefakt aufgetaucht, zur großen Freude des Münchner Stadtmuseums: eine Sprit-Zapfsäule, die offenbar zum Interieur des Fuhrparks der Gestapo-Zentrale im Wittelsbacher Palais gehörte. "Natürlich ist das ein kurioses Ding. Aber es ist das letzte, was es von diesem Areal gibt, deshalb ist es wichtig", sagt der stellvertretende Leiter des Stadtmuseums, Florian Dering.

Wie die Zapfsäule aussieht

Das kuriose Teil ist gut erhalten und steht derzeit im Bürgerbüro des Bezirksausschusses Maxvorstadt an der Türkenstraße. Klaus Bäumler legt an einem kalten Vormittag in dem kleinen Raum den Mantel ab, die Baskenmütze behält er auf. 30 Jahre lang, von 1978 bis 2008, war er Vorsitzender des Gremiums. Manche nennen ihn immer noch "Bürgermeister der Maxvorstadt", derart umtriebig ist er. An diesem Tag präsentiert der ehemalige Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof seinen Fund.

Er öffnet die Tür eines großen grauen Kastens, der aussieht wie ein abgeschrammter Spind, darin simple Technik. Ein großer Hebel zum Pumpen von Benzin oder Diesel, ein Rundinstrument mit einem Zeiger, um ablesen zu können, wie viel Liter durch den Füllstutzen fließen. "Es ist ein Relikt, das man erhalten muss", sagt Bäumler und lässt seinen Blick über die angerosteten Leitungen und die abblätternde Farbe gleiten. Die Tanksäule trägt die Prägung "Schwelmer Eisenwerk Müller", an der Innenseite der Tür ein Aufkleber der Tankstellenkette Gasolin.

Was über das Gerät herauszufinden war

So sieht also das zweite Überbleibsel vom Wittelsbacher Palais aus, doch immerhin: Es ist besser als keines. Das dachte auch Historiker und Museumsvize Dering, als ihm Bäumler unlängst die Tanksäule als Schenkung anbot: "Wir freuen uns sehr darüber." Sein Haus sehe es als primäre Aufgabe an, bedeutsame Dinge für die Stadtgeschichte zu sammeln und zu bewahren: "Der Wert der Säule ist unbestritten, unabhängig davon, ob sie jemals gezeigt wird." Die Stadt sei verpflichtet, Relikte aus der NS-Zeit zu besitzen und sie damit vor der Zerstörung und dem Vergessen zu retten.

Es dürfte ein Glücksfall gewesen sein, dass die alte Tanksäule gerade Klaus Bäumler in die Hände fiel. Er ist heute aktiv im Diskussionsverein Münchner Forum, dazu im Beirat für das neue NS-Dokumentationszentrum und hat seit den Siebzigerjahren etliche historische Aufsätze geschrieben, getragen von akribischer Archivarbeit.

Für die Zapfsäule hat er Akten des staatlichen Bauamtes und des Staatsarchivs ausgewertet; dabei flossen Nachforschungen ein, die er in einer Publikation über das Wittelsbacher Palais veröffentlicht hat. "Die Provenienz der Zapfsäule ist nicht letztgültig geklärt. Dennoch hat dieses Objekt zur Geschichte des Wittelsbacher Palais und seinem Nachwirken eine unmittelbare Beziehung", sagt Bäumler.

Die Geschichte des Wittelsbacher Palais beginnt mit einer Schmähung. "Das ist mir der zuwiderste Bau, den ich geführt habe", soll Architekt Friedrich von Gärtner um 1848 über den Auftrag von Kronprinz Maximilian II. geätzt haben, den er an der Ecke Brienner- und Türkenstraße verwirklicht hatte. Friedrich von Gärtner hasste den gotischen Stil, ebenso wie Ludwig I. Der musste nach seiner Abdankung dort einziehen, während sein Sohn - der Auftraggeber - als König in die Residenz zog. Auch Ludwig III., Bayerns letzter Regent, wohnte hier bis zu seiner Flucht 1918, und bis dann die feudalen Räume von den Revolutionären um Ministerpräsident Kurt Eisner übernommen wurden. Die Nazis machten das Gebäude zu einer Schaltzentrale ihres Terrorstaates: Das Palais war Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) mit angeschlossenem Foltergefängnis - und einem Fuhrpark mit Tankstelle.

Bäumler hat nachgewiesen, dass die Bayerische Schlösserverwaltung im September 1933 Baupläne "zur Erbauung einer Kraftwageneinstellhalle" bei der Lokalbaukommission eingereicht hat; die Behörde erhob keine Einwände. Eine Prüfbescheinigung des Bayerischen Revisionsvereins, der Vorläufer des TÜV, nennt zwei Zapfsäulen und zwei Lagerbehälter von je 5000 Liter. Indes: Einen Beleg dafür, dass eine davon eben jene Zapfsäule ist, die im Bürgerbüro auf den Abtransport ins Museumsdepot wartet, konnte Bäumler nicht finden.

Wie die Säule nach Kriegsende eingesetzt wurde

Er hat sie Ende der Neunzigerjahre von Herbert Freudenberger bekommen, Inhaber des gleichnamigen Autoglasgeschäftes an der Theresienstraße. Nach Bäumlers Worten nutzte Freudenberger die Säule auf seinem Firmengelände zum Betanken, montierte sie aber irgendwann ab. Durch Zufall seien sie bei einem Plausch auf die Geschichte der Säule gekommen, und der Unternehmer überließ Bäumler das historische Relikt.

Freudenberger hatte die Zapfsäule wiederum 1964 von Hans Hanauer erhalten; dieser war Mitglied der Widerstandsgruppe Freiheitsaktion Bayern und seit dem Frühjahr 1946 Pächter des Grundstücksteils mit den ehemaligen Gestapo-Garagen. Er betrieb dort eine Kraftfahrzeugreparatur-Werkstätte bis zum Umzug der Firma an die Leonrodstraße, wo sie bis heute existiert. Nebenan, im damals unversehrten Gefängnisbau, war die Lederhandlung Erwin Müller eingezogen. "Das zeigt den durchaus unbeschwerten Umgang der Menschen mit dem Naziterror", sagt Bäumler, "und an einem Objekt wie der Zapfsäule kann man das anschaulich machen." Er hält es für möglich, dass Hanauer die Säule nach dem Krieg aus Beständen der Wehrmacht organisiert hat.

Die letzten Reste des Wittelsbacher Palais wurden 1964 abgeräumt. Zunächst sollte dort das städtische Kulturhaus hin, doch dann fiel die Entscheidung für den Gasteig. In den Siebzigerjahren verkaufte die Stadt das 4200 Quadratmeter große Grundstück an die Bayerische Landesbank, die ihre Zentrale errichtete. Eine Bronzetafel an der Ecke Türken- und Brienner Straße erinnert an das geschichtsträchtige Haus.

© SZ vom 21.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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