Bundestagswahlkampf:Münchner SPD wählt Axel Berg ab

Lesezeit: 4 min

"Hinrichtung erster Klasse": Lange galt er als Hoffnung der SPD, doch nun hat die Partei Axel Berg abgesägt. Drei Mal zog er als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag ein - für die SPD in Bayern eine Sensation. Doch nun darf Berg im Wahlkreis München-Nord nicht mehr antreten. Dafür ein 20 Jahre jüngerer Unbekannter.

Anna Fischhaber

Als alles vorbei ist, will Axel Berg erst einmal an die frische Luft. "Das war eine Hinrichtung erster Klasse", sagt er. Dass das Votum so klar ausfällt, damit hat niemand gerechnet. Berg nicht, der das Mandat bei drei Bundestagswahlen direkt gewonnen hat, zweimal als einziger bayerischer SPD-Kandidat überhaupt. Die Delegierten im Münchner Norden nicht, die ihn an diesem Donnerstagabend in einem Moosacher Hinterzimmer abwählen. Und Florian Post nicht, der Herausforderer, mehr als 20 Jahre jünger und beim Wähler quasi unbekannt.

Überraschung bei der SPD: Axel Berg wird nicht noch einmal im Münchner Norden bei der Bundestagswahl kandidieren. (Archivbild von 2009) (Foto: Stephan Rumpf)

Als schließlich das Ergebnis verkündet wird, herrscht kurz Stille. Dann wird geklatscht. Selbst der 31-Jährige Post kann seine Überraschung nicht verbergen. "Ich kann es noch gar nicht fassen", sagt er schließlich.

Die Münchner Sozialdemokraten wollten noch vor den Sommerferien Klarheit, wer für sie in den Bundestagswahlkampf zieht - derzeit sitzt von der Münchner SPD niemand im Parlament in Berlin. Das soll sich 2013 ändern. Das Duell Berg gegen Post galt als Höhepunkt der Nominierungsphase. Nicht nur, weil sich die Partei im Wahlkreis 218 die größten Chancen auf ein Direktmandat ausrechnet, sondern auch weil die Entscheidung Berg oder nicht Berg viel über den Zustand der Partei verrät. Einer Partei, der man nachsagt, ihr sei ihr Gremienleben heiliger als das echte Leben.

1998 hatte Berg im Windschatten von Gerhard Schröder erstmals überraschend das Direktmandat gewonnen. Noch zweimal ging das gut, 2009 scheiterte er dann knapp an seinem CSU-Herausforderer Johannes Singhammer - und wurde zum Symbol für den Niedergang der Sozialdemokraten in Deutschland. Die rote Boje im schwarzen Meer, wie viele den Wahlkreis nannten, sie ging damals unter.

Selbst im Ausland wurde über ihn berichtet

Doch Berg verlor nicht nur gegen die CSU, er verlor vor allem gegen die eigenen Genossen. Die hatten ihn nicht auf der Liste abgesichert. 16 Sozialdemokraten aus Bayern zogen nach Berlin, der Mann auf Platz 17 musste gehen. Selbst im Ausland gab es Artikel über die kaputte SPD am Beispiel Bergs.

"Wenn es in der SPD eine Personalpolitik gäbe, dann müsste man Leute pflegen, die beim Volk ankommen", hatte er danach gesagt, "und dürfte ihnen nicht einen Tritt in den Arsch verpassen." Diesen Tritt hat der 53-Jährige nun erneut bekommen. Und das Ergebnis ist deutlich. 50 von 76 Delegierten, fast zwei Drittel, sprechen sich für Post - und damit gegen Berg - aus. "Rache" nennt es Berg. Vielleicht sei er doch zu vielen auf die Füße getreten. Man könnte auch sagen, die Gremien haben sich durchgesetzt im Hinterzimmer des Alten Wirts, das mit Bayernfahnen und einer Diskokugel dekoriert ist.

Berg, Politologe, Jurist, Energieexperte, ist ein Mann der Politik auf der Straße macht. Seinem Berg-Bus konnte man zeitweise im Münchner Norden nicht entkommen. Auf einem seiner Wahlplakate war nur ein Smiley zu sehen. Dazu der Slogan: "Axel Berg verschont Sie mit einem Politikerfoto." Auf einem anderen hieß es nur: "Axel wählen", von der SPD war nicht die Rede. Bei den Menschen im Münchner Norden kam das offenbar gut an, bei den Genossen weniger. Sie haben noch immer ihre Schwierigkeiten mit einem, der sich auf Parteiveranstaltungen nur ungern blicken lässt, das ist auch an diesem Abend zu spüren.

Während Post zu Beginn der Veranstaltung Hände schüttelt und mit den Delegierten plaudert, verteilt Berg, gut sitzender schwarzer Anzug , Eigenwerbung von seinem Vorgänger Hans-Jochen Vogel. 20 Minuten hat er dann Zeit, die Delegierten zu überzeugen. 20 Minuten, in denen er vor allem über sich selbst spricht. Über das abrupte Ende in Berlin, das ihn so tief getroffen hat. Über seine Erfahrungen mit der Energiepolitik, über den Sigmar und wie er den Transrapid verhindert habe. Als einige im Saal lachen, fügt er hinzu. "Natürlich nicht allein."

50 von 76 Delegierten stimmten für ihn: Florian Post. (Foto: oh)

Berg liest alles ab, eine leidenschaftliche Rede ist das nicht. "Ich hätte euch stärker einbeziehen können", sagt er dann. Aber auch: "Für manche habe ich immer noch nicht genug Stallgeruch, aber denkt auch an den Wähler." Demut klingt anders.

Florian Post ist Referent bei den Stadtwerken. Er wirkt nervös, fast brav. Schon dass man ihm überhaupt eine Chance in diesem ungleichen Rennen zurechnete, galt als kleine Sensation. Seine Werbetour durch die Ortsvereine, sie hatte wohl gewirkt. An diesem Abend sind sie alle gekommen, die Moosacher, das Olympiadorf, die Maxvorstadt, der Raum ist bis auf den letzten Platz besetzt. Immer wieder betonen die Genossen, wie oft Post da gewesen sei. "Ich möchte einen Kandidaten, der mit der Partei arbeitet", sagt ein Mann und spricht aus, was offenbar viele hier denken. "Tief enttäuscht" sei sie von Berg, sagt eine andere Delegierte.

Post spricht über Gesundheitspolitik, die Bürgerversicherung und seinen behinderten Bruder. Über den Mindestlohn, die Banken und den ungerechten Steuersatz. Der Neue kann reden, doch trotz aller Leidenschaft, es klingt ein wenig, als würde er das SPD-Programm zitieren. Immer wieder betont Post das Wir, dass er es ohne die Ortsvereine nicht schaffen wird, bedankt sich für die ehrenamtliche Arbeit. "Ich brauche eure Hilfe", sagt er. Das kommt gut an, sein Auftritt wird mit deutlich längerem Applaus belohnt.

Den Sieg will Post am Ende aber doch nicht seiner Parteiarbeit zusprechen. Woran es dann lag? An der breiteren thematischen Aufstellung, sagt er. "Und dass ich jünger bin. Die Leute wollten den Wechsel." Ein Jahr hat Post nun Zeit, auch die Wähler davon zu überzeugen. Sein Gegner wird erneut der erfahrene Johannes Singhammer sein, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagfraktion und seit 1994 im Parlament. Mit 92 Prozent hat die CSU den 59-Jährigen am Montag erneut als Kandidaten für den Wahlkreis München-Nord nominiert.

Ob Post dagegen ankommt? Selbst mancher Genosse scheint da seine Zweifel zu haben. Ein Berg-Anhänger formuliert es so: "Wir müssen von allen guten Geistern verlassen sein, wenn wir nicht den aufstellen, der die besseren Chancen hat."

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: