Münchner Regisseurin:Wie Don Quijote

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"Cosmic Station" von Bettina Timm läuft auf dem Festival der Filmhochschulen. Ein Gespräch über einsame Forscher auf einem Berg und Kritik an der Münchner Filmszene.

Lisa Sonnabend

Bettina Timm aus München ist 31 Jahre alt und studiert an der Hochschule für Film und Fernsehen München (HFF) Dokumentarfilm. Ihr Film "Cosmic Station" läuft auf dem Internationalen Filmfestival der Filmhochschulen, das vom 16. bis 19. November im Filmmuseum stattfindet.

Einsames Forscherleben: Szene aus "Cosmic Station" (Foto: Foto: oh)

sueddeutsche.de: Der Film "Cosmic Station" spielt auf einem einsamen 3500 Meter hohen Berg in Armenien. Wie kamen Sie auf diesen ungewöhnlichen Drehort?

Bettina Timm: Das war ein sehr spontaner Entschluss. Eines Tages traf ich mich mit einem befreundeten Fotografen, Erol Gurian. Er ist Halb-Armenier und war gerade auf den Spuren seines Vaters durch Armenien gereist. Er zeigte mir Bilder. Auf einigen war dieses immense Gebäude auf dem Berg Aragaz zu sehen, die Fotos waren Wahnsinn. Ich fragte nach. In 3500 Meter Höhe leben dort vier Forscher und versuchen mit verrosteten Anlagen aus den siebziger Jahren, Neues aus dem All zu erfahren. In die Anlagen und Geräte ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr investiert worden. Doch die Forscher harren aus und halten die Station mit den einfachsten Mitteln am Laufen. Die Forscher arbeiten dort seit 40 Jahren, bekommen gerade einmal 50 Dollar im Monat und wollen nicht aufgeben. Was bleibt ihnen auch sonst? Den Traum, eine neue Galaxie zu entdecken, geben sie nicht auf. Sie publizieren weiter in Wissenschaftsmagazinen und versuchen, irgendwie Anschluss an die moderne Forschung zu halten.

sueddeutsche.de: Wie haben die Forscher reagiert, als sie von Ihrem Vorhaben erfuhren?

Timm: Ich bin ziemlich bald nach Armenien geflogen. Die Forscher waren sehr nett und aufgeschlossen. Sie erklärten sich schließlich einverstanden mit der Idee, einen Film über sie zu drehen, was ja nicht selbstverständlich ist, weil es unter diesen Umständen auch eine gewisse Selbstironie dafür braucht. Ich war natürlich begeistert. Dieser ungebrochene Forschungsgeist unter widrigsten Bedingungen, in räumlicher und zeitlicher Isolation, das hat mich gereizt. Es ist fast eine Don-Quijote-Geschichte.

sueddeutsche.de: Und jetzt wurde "Cosmic Station" für das Internationale Festival der Filmhochschulen in München ausgewählt...

Timm: Das freut mich sehr. Es ist die München-Premiere. Auf den Festivals in Nyon, Oberhausen oder Leipzig wurde er schon gezeigt. Und auch in Armenien, beim Golden Apricot Festival. Dort haben die Forscher den Film das erste Mal gesehen. Sie waren angetan von meiner Interpretation, leider konnte ich nicht dabei sein.

sueddeutsche.de: Haben Sie Angst, dass Ihr Film nicht gut ankommen könnte?

Timm: Kurz davor bekomm ich bestimmt richtig Lampenfieber. Vorführungen laufen immer ganz unterschiedlich ab. Mal lacht der Saal ständig, mal ist es den ganzen Film über still. Man weiß nie, wie das Publikum den Film aufnimmt.

sueddeutsche.de: Ihr nächster Film spielt wieder in der Ferne?

Timm: Nein, diesmal bin ich in München geblieben. Es geht um Koch-Auszubildende. Das Thema Kochen zieht sich durch alle meine Filme, in "Cosmic Station" spielen die Köche der Forschungsstation eine Rolle. Nach der Schule habe ich einmal ein Praktikum in einem Restaurant gemacht und danach eines beim Dreh von Helmut Dietls "Rossini". Dann habe ich mich doch für den Film entschieden.

sueddeutsche.de: Und bald geht's nach Hollywood?

Timm: Naja, eigentlich will ich in München bleiben. Viele junge Regisseure wandern allerdings nach Berlin ab. Es gibt es mehr Orte, an denen Filme jenseits des Mainstreams gezeigt und diskutiert werden. Vor allem aber sind die Mieten in Berlin erschwinglich. In der Übergangsphase nach dem Studium können sich viele Regisseure München einfach nicht leisten und manche bleiben dann endgültig weg. Die Stadt München vergibt aber immerhin den Starter-Filmpreis, der mit 6000 Euro dotiert ist. So etwas hilft. Aber es müsste da noch eine andere Art von Unterstützung geben, ich denke da vor allem an zeitweise Mietzuschüsse oder an die Vermittlung von billigen Wohnungen oder Arbeitsräumen. Aber auch die Filmemacher oder Filmbegeisterte könnten selber mehr auf die Beine stellen und Vorführungen und Diskussionen organisieren. Toll ist zum Beispiel das Projekt der Raumwandler. Die zeigen regelmäßig besondere Filme und suchen jedes Mal einen Ort aus, der genau zu dem Film passt.

"Cosmic Station" läuft am Mittwoch, den 19. November um 14:30 Uhr und am Freitag, den 21. November um 22 Uhr im Filmmuseum. Das komplette Programm des Festivals der Filmhochschulen gibt es unter www.filmschoolfest-munich.de.

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