Münchner Hauptbahnhof:Bahn will Serviceschalter schließen

Lesezeit: 3 min

Die 16 Fahrkartenschalter der Firma DER sollen verschwinden - an ihrer Stelle hätte die Bahn lieber weitere Cafés und Läden.

Malte Conradi

Noch ziert sich die Deutsche Bahn, genauere Auskunft zu geben, doch eins ist sicher: Am Münchner Hauptbahnhof wird es nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vom kommenden Jahr an weniger Fahrkartenschalter geben als bisher. Derzeit betreibt das Unternehmen "Deutsche Reisebüro" (DER) 16 der insgesamt 54 Verkaufsstellen im Hauptbahnhof und bietet dort denselben Service wie die benachbarten Schalter der Deutschen Bahn.

Ziehen hier bald neue Cafés und Geschäfte ein? Die meisten der DER-Verkaufsstellen sollen anderweitig vermietet werden. (Foto: Foto: Catherina Hess)

Beide Unternehmen bestätigten, dass die Bahn den Mietvertrag für alle DER-Räumlichkeiten im Hauptbahnhof zum Ende des Jahres gekündigt habe. Es handelt sich dabei um Fahrkartenschalter im Untergeschoss des Bahnhofs, um weitere in der Schalterhalle sowie um das DER-Reisebüro am Haupteingang.

Ein Bahn-Sprecher sagte, das Unternehmen plane, nur "einen Teil der DER-Schalter zu übernehmen". Den übrigen freiwerdenden Raum wolle man "anderweitig vermieten", es werden also weitere Geschäfte, Cafes und Restaurants einziehen. Die Bahn verspricht jedoch, dass die verminderte Anzahl an Fahrkartenschaltern nicht zu einem verschlechterten Service führen werde. Der Sprecher sagte: "Wir haben die Kundenströme und Umsätze an den DER-Schaltern beobachtet und wissen, welcher Bedarf bei den Kunden besteht." Man könne auch mit weniger Schaltern "den Service aufrecht erhalten."

Derweil bangen die 53 DER-Mitarbeiter im Hauptbahnhof um ihren Job - und DER und Bahn schieben sich die Verantwortung dafür gegenseitig zu. Das Touristikunternehmen DER, das zur Rewe-Gruppe gehört, betrachtet seine Aktivitäten im Hauptbahnhof als eigenständigen Geschäftsbereich. Dieser werde mit Ende des Mietverhältnisses geschlossen, sagte eine Sprecherin. So rechtfertigt DER seine Entscheidung, fast allen Angestellten, die derzeit im Hauptbahnhof tätig sind, zu kündigen und sie nicht etwa anderswo im Unternehmen zu beschäftigen. Zwar hat noch kein Mitarbeiter die Kündigung auf dem Tisch, doch wurde sie allen für die nächsten Tage angekündigt, wie die DER bestätigt.

"Umschulen geht nicht"

Schon seit Wochen verhandelt die DER-Führung mit dem Betriebsrat über Abfindungszahlungen. Das gleiche gilt für die DER-Schalter in den Hauptbahnhöfen von Stuttgart und Frankfurt, wo aber jeweils nur fünf Mitarbeiter betroffen sein sollen. Im Münchner Hauptbahnhof sind laut der Sprecherin zehn Mitarbeiter von den Kündigungen ausgenommen. Einige von ihnen sollen in Frührente gehen, andere sind ausgebildete Reiseverkehrsfachleute und können somit doch in anderen DER-Reisebüros eingesetzt werden. Der Belegschaft ist von einer solchen Unterscheidung zwischen Fahrkartenverkäufern und Reiseverkehrsfachleuten nichts bekannt.

Für die restlichen 40 Mitarbeiter, so die DER-Sprecherin, könne man "leider nichts machen". Das Geschäft habe sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt, den reinen Fahrkartenverkauf gebe es in den DER-Reisebüros schon lange nicht mehr. "Heute muss jeder Mitarbeiter alles machen." Eine Umschulung sei ausgeschlossen bei Angestellten, die "seit Jahrzehnten nur im Fahrkartenverkauf gearbeitet" hätten, sagte die Sprecherin. Unter den 53 betroffenen Angestellten sind nur drei, die kürzer als zehn Jahre dabei sind.

Dass ihre lange Betriebszugehörigkeit als Argument dafür betrachtet wird, sie nicht im Unternehmen zu halten, stößt vielen DER-Mitarbeitern offenbar besonders bitter auf: Schließlich könnte man daraus auch einen besonders starken Kündigungsschutz ableiten. Bei acht von ihnen kommt hinzu, dass sie einen Schwerbehindertenstatus innehaben. Einige haben dem Vernehmen nach bereits einen Anwalt aufgesucht und prüfen Möglichkeiten, gegen die zu erwartende Kündigung auf juristischem Wege vorzugehen. Nicht zuletzt bestreiten sie, dass die Schalter und das Reisebüro der DER im Hauptbahnhof tatsächlich einen eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens darstellen.

Ein Dorn im Auge der Bahn

Die Bahn ihrerseits betont, einige der Schalter sollten weiterbetrieben werden. Dem widerspricht die DER. Man habe sich intensiv um eine Fortführung des profitablen Geschäfts im Hauptbahnhof bemüht, doch habe die Bahn die Kündigung mit der Begründung durchgesetzt, man wolle den "personenbedingten Fahrkartenverkauf grundsätzlich reduzieren" und stattdessen vermehrt Tickets an Automaten und im Internet verkaufen.

Plane die Bahn tatsächlich, einige der Schalter weiterzubetreiben, so die DER-Sprecherin, spreche doch nichts dagegen, hierfür DER-Mitarbeiter zu übernehmen. Dies habe man mehrfach vorgeschlagen. Unter Umständen stelle der Weiterbetrieb von ehemaligen DER-Schaltern sogar eine sogenannte Betriebsübernahme dar. Dann sei die Bahn zur Übernahme von Angestellten verpflichtet. Bei der Bahn hingegen heißt es, man höre zum ersten Mal von der Idee, Mitarbeiter weiterzubeschäftigen.

Nach Ansicht von Branchenkennern spricht einiges dafür, dass der Bahn die private Konkurrenz im eigenen Haus schon länger ein Dorn im Auge war. Als der Konzern seine DER-Anteile 1999 an die Rewe-Gruppe verkaufte, war ein zehnjähriges Bleiberecht im Hauptbahnhof Teil des Vertrags. Andreas Frank vom oberbayerischen Regionalverband des Fahrgastverbands Pro Bahn vermutet, dass man sich in den Folgejahren über den Erfolg von DER beim Fahrkartenverkauf ärgerte, den man über Provisionen auch noch mitfinanzieren musste.

Auffällig ist jedenfalls, dass große Hinweisschilder auf den Fahrkartenverkauf über den DER-Schaltern schon vor langer Zeit abmontiert wurden - während über den DB-Schaltern entsprechende plakative Hinweise angebracht sind. "Seit zwei oder drei Jahren", heißt es unter den Mitarbeitern, verspreche man ihnen, neue Schilder anzubringen. Dazu wird es nun wohl nicht mehr kommen.

© SZ vom 22.05.2009/dab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: