Münchner Gammelfleisch-Skandal:"Vor kriminellen Machenschaften schützt kein Recht"

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Leiter Rainer Hechinger spricht über die Kontrollen am Schlachthof und die Konsequenzen aus der Gammelfleisch-Affäre.

Stephan Handel und Bernd Kastner

SZ: Herr Hechinger, Sie haben angekündigt, der Firma den Mietvertrag kündigen zu wollen, wenn sich der Verdacht auf Gammelfleisch bestätigt. Nun wurde bekannt, das von 25 Proben 16 verdorben waren. Ist die Kündigung schon raus?

"Wissen es nur aus den Medien": Rainer Hechinger ist Leiter des Schlachthofs. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Hechinger: Wir wissen das bislang nur aus den Medien. Das genügt nicht für die Kündigung, wir brauchen eine offizielle Mitteilung. Ich gehe davon aus, dass die kommen wird. Dann werden wir kündigen.

SZ: Offensichtlich gab es in Ihrem Objekt einen Raum, der unbekannt war. Wie kann so etwas passieren?

Hechinger: Ein Geheimraum war's sicher nicht. Der Raum ist seit 1991 an die Firma vermietet und wurde damals noch von der Direktion des städtischen Veterinärwesens zugewiesen, dem auch das ehemals städtische, jetzt staatlichen, Veterinäramt zugeordnet war - also von der Behörde, die kontrollieren muss.

SZ: Sind Sie auf der Suche nach weiteren Räumen, von denen niemand weiß?

Hechinger: Das haben wir heute vormittag initiiert. Unser Kontrolldienst hat mit Ortskennern aus dem Schlachthof eine Begehung gemacht durch alle in Frage kommenden Räume und überprüft, inwieweit die Vertragslage den Umständen entspricht. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor.

SZ: Vermuten Sie denn, dass es noch weitere unentdeckte Räume gibt?

Hechinger: Ich werde nichts vermuten. Ich lasse mich nur von nüchternen Fakten leiten.

SZ: Sehen Sie überhaupt die Notwendigkeit, nach diesen Vorfällen Ihr Kontrollsystem insgesamt zu überprüfen?

Hechinger: Wenn sich herausstellen sollte, dass es Verfahrensprobleme gibt, beim Austausch der Information zwischen städtischen Dienststellen, zwischen städtischen und staatlichen Stellen, werden wir sicher aus solchen Erfahrungen auch lernen und die Verfahren optimieren. So wollen wir bei jedem Vertragsabschluss die notwendigen Informationen an die Kontrolleure weitergeben. Das muss aber juristisch noch geprüft werden. Datenschutz macht uns die Sache nicht einfacher. Aber Datenschutz kann sicher nicht zum Täterschutz werden.

SZ: Wie kann es sein, dass ein Raum in Vergessenheit gerät?

Hechinger: Vor kriminellen Machenschaften schützt uns kein Betretungsrecht. Weder meine Mitarbeiter noch ich sind sachverständig in Sachen Fleischbeschau. Warum die Lebensmittelkontrolleure diesen Raum nicht kannten, wissen wir noch nicht. Eines steht aber fest: Unser Mitarbeiter hat, nachdem wir vom KVR informiert worden sind, sofort und genau beschreiben können, wo der Raum sich befindet. Da hat das Zusammenspiel wunderbar geklappt. Warum es präventiv vielleicht Lücken gegeben hat, müssen wir erst noch aufarbeiten.

SZ: Das heißt aber auch: Es gibt bislang keinen automatischen Informationsfluss von Ihnen zu den Kontrolleuren?

Hechinger: Nein. Weil dieser Informationsfluss von den Mietern sichergestellt werden muss. Das steht auch so in den Verträgen.

SZ: Welchen Ruf hatte die verdächtige Firma in Ihrem Haus?

Hechinger: Der Ruf war nicht schlecht. Jetzt kommen verschiedene Tatbestände zutage, die eben nicht für die Zuverlässigkeit dieser Firma sprechen. Grundsätzlich gibt es schon so etwas wie einen Vertrauensbonus unseren Mietern gegenüber. Vor einigen Wochen wären wir davon ausgegangen, dass am Schlachthof so etwas nicht passieren kann.

SZ: Könnte man von Ihnen als Vermieter nicht erwarten, dass Sie gelegentlich die Räume kontrollieren und dann eventuell das Kreisverwaltungsreferat verständigen?

Hechinger: Hätte ich gewusst, dass dort ein solcher Raum ist, wäre er innerhalb kürzester Frist geräumt worden. Ich schließe nicht aus, dass es die eine oder andere Überwachungslücke gab. Aber die werden wir schließen.

SZ: Haben Sie noch mehr solcher Gammelräume im Schlachthof?

Hechinger: Da kann ich nur sagen: Ich hoffe nicht.

© SZ vom 14.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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