Münchner Frühlingsfest:Klein und sympathisch

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Das Münchner Frühlingsfest soll einen Vorgeschmack auf das Oktoberfest bieten. Obwohl Tracht angesagt ist, kommen viele Besucher in zivil.

Astrid Becker

Sepp Krätz hat es sich nun mal in den Kopf gesetzt. Das Frühlingsfest soll, so will der Mann das, zur Frühlingswiesn werden. Ach was: "Es gibt ja schon jetzt gar keinen Unterschied mehr", behauptet er sogar recht forsch.

Im Hippodrom feiern die Gäste des Münchner Frühlingsfestes. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Ganz korrekt ist diese Aussage zwar nicht, aber immerhin drängen sich bei der Eröffnung am Freitag ungewöhnlich viele Menschen in Tracht vor dem "Hippodrom" des Wiesnwirtes herum und harren des Anstichs.

Eine Wiesn im Frühling

Es sind Krätz' Gäste, prominente und weniger prominente Leute, die nach Aussagen des Gastronomen eines eint: Sie waren noch nie auf dem Frühlingsfest. Und sie wären wohl auch nie gekommen, hätte ihnen der Wirt nicht eine "Frühlings-Wiesn" versprochen.

Denn das mit dem Frühlingsfest ist so eine Sache. Echte Wiesngänger beschimpfen es als provinziell und meiden es. Wahre Freunde des Frühlingsfestes hingegen lobpreisen es als "viel gemütlicher als die Wiesn" und als "reines Volksfest, nur für Münchner".

Unrecht haben wohl beide Parteien nicht. Und Krätz hat sich nun der schwierigen Aufgabe gestellt, die Frühlingsfest-Hasser mit Wiesn-Versprechungen zu locken, ohne aber die bisherige Klientel zu verschrecken.

Bei jener hat es sich jedenfalls noch nicht herumgesprochen, dass das Tragen von Dirndl und Lederhose nun auch auf dem Frühlingsfest angesagt ist.

Die Freiluftsaison beginnt

Samstagnachmittag auf der Theresienwiese. Die Menschen, die sich bei milden Temperaturen und strahlendem Sonnenschein durch die Festgassen schieben, tragen durchwegs Alltagskleidung, also Jeans, T-Shirt oder dergleichen.

Das Fest gilt seit jeher als der Startschuss für das, was die Münchner "Freiluftsaison" nennen - und so haben viele von ihnen vor allem eines im Sinn: Irgendwo etwas zu essen und zu trinken zu holen und sich dann einen Platz im Freien zu suchen.

Doch ganz so einfach ist das nicht. Vor den Essensbuden sind die Schlangen so lang, dass die Würstlbrater und Fleischspieß-Verkäufer mit der Zubereitung ihrer Speisen gar nicht mehr nachkommen. Eine Frau verlangt an einem der Stände nach einer Steaksemmel - doch der Betreiber hat keine Semmeln mehr und muss erstmal einen seiner Mitarbeiter zum Einkaufen schicken.

Die Dame trägt es mit Fassung und lässt sich ihr Fleisch einfach auf einen Teller geben. Wo sie sich allerdings zum Verzehr ihres Steaks niederlassen kann, ist ungewiss. Der Weißbiergarten, die einzige Freischankfläche auf dem Festplatz, der etwa ein Drittel von der Wiesn einnimmt, ist voll besetzt.

Seit 46 Jahren auf der Theresienwiese

Auch dies ist ein gravierender Unterschied zum Oktoberfest: Es gibt hier keine Biergärten rund um die Festzelte. Auf der Wiesn gelten sie als willkommene Ausweichfläche, wenn die Zelte, wie meist am Wochenende, schon zur Mittagszeit überfüllt sind.

Beim Frühlingsfest ist das anders: Hier steht zwar auch - sowohl im Hippodrom als auch im Augustinerzelt - ein bestimmtes Kontingent an Tischen zur Reservierung bereit, aber nötig ist es nicht, wie auch Krätz sagt: "Das Schöne am Frühlingsfest ist doch, dass die Münchner mit ihren Familien spontan kommen können und einen Platz im Bierzelt finden."

Krätz träumt von einer Ausweitung der Frühlingswiesn, aber nicht bis ins Unermessliche: "Die Frühlingswiesn soll schon klein und sympathisch und nach wie vor für die Münchner und für die Menschen aus der Umgebung sein." Denn das liegt in der Tradition des Festes, das früher auf der Zirkuswiese abgehalten wurde.

Als sie bebaut wurde - heute ist dort ein riesiger Einrichtungsdiscounter untergebracht - zog das Frühlingsfest vor 46 Jahren auf die Theresienwiese. Die Politik habe sich für den Erhalt des Volksfestes stark gemacht, wie die Sprecherin der "Veranstaltungsgesellschaft der Münchner Schausteller", Yvonne Heckl, erzählt: "Es ging einfach darum, den Schaustellern nach dem Winter, in dem sie ja nichts verdienen, wirtschaftlich auf die Beine zu helfen."

So gesehen verwundert es auch nicht, dass Krätz nach eigenem Bekunden auch die rund 100 anderen Schausteller auf dem Frühlingsfest für seine kleine Wiesn-Idee begeistern konnte: "Ich habe sie darauf eingeschworen, besonders freundlich zu den Besuchern zu sein - es geht schließlich um den Erfolg für uns alle."

Helmut Schmid zapft an

Krätz hat selbst viel investiert: Zeit, aber auch Geld. Sein kleines "Hippodrom"-Zelt, das sein Debüt im vergangenen Herbst auf dem Oktoberfest der bayerischen Vertretung in Berlin feierte, hat er auf eigene Kosten bauen lassen. Die Spaten-Brauerei überzeugte er, für die Frühlingswiesn ein spezielles Bier aus edelstem Hopfen zu brauen.

Und auch den Rückhalt seiner Familie sicherte er sich: Tochter Julia beispielsweise arbeitet bei ihm derzeit als Bedienung im Zelt: "Da müssen alle mit anpacken, sonst geht's nicht", sagt Krätz. Wiesn-Stadtrat Helmut Schmid überredete er, heuer bei ihm, im Hippodrom, anzuzapfen.

Nur zwei Schläge brauchte der SPD-Politiker, bis das Bier floss: "Dafür übe ich aber nicht", sagt Schmid: "Mein Großvater mütterlicherseits war Schäffler, ich habe das Anzapfen also quasi im Blut." Und dann ist da ja auch noch die Sache mit dem Champagner. Den gibt's neuerdings auch auf dem Frühlingsfest.

Gutscheine dafür hat Krätz für den ersten Abend verschickt, jetzt verlangt er einen recht günstigen Preis dafür: rund 60 Euro für die Flasche. Das sei wichtig, erzählt einer seiner Mitarbeiter, damit mal ein ganz anderes Publikum komme. Eben Menschen, die dafür die Tracht aus dem Schrank holen - und die verstanden haben, dass dieses Volksfest von nun an eine kleine Wiesn ist.

© SZ vom 19.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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