München:Zäher Start

Lesezeit: 2 min

Sonnengelbe Schilder verweisen auf verkehrsberuhigte oder ganz verkehrsfreie Sommerstraßen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die ersten Sommerstraßen in Neuhausen, der Isarvorstadt und der Altstadt sind ausgewiesen, doch der Andrang hält sich vorerst in Grenzen. Viele Standort-Wünsche aus den Vierteln werden noch geprüft

Von Birgit Lotze, Sonja Niesmann und Julian Raff, München

Ein etwa siebenjähriger Tretrollerfahrer hat die blankgefegte Asphaltpiste als Rennstrecke entdeckt, brettert auf und ab. Vier Mütter mit Kinderwagen gruppieren sich zum Ratsch um einen Pflanzentrog, und an einer Stelle ist die Fahrbahn von den Abenteuer-Kids-Hortkindern mit bunter Straßenkreide bemalt worden. Ansonsten: gähnende Leere auf der 300 Meter langen Strecke der Südlichen Auffahrtsallee zwischen Gerner Brücke und Waisenhausstraße. Es muss sich offenbar noch herumsprechen im Viertel, dass hier nun bis zum 25. September jeglicher Durchfahrtsverkehr und auch parkende Autos verbannt worden sind, dass dieser Abschnitt entlang dem Grünwaldpark nun wochenlang ausschließlich Fußgängern gehört.

Südliche Auffahrtsallee, Westenriederstraße, Ehrengutstraße und "Piazza Zenetti" listet eine Webseite des Planungsreferates - Stand jetzt - als "Sommerstraßen" auf. Gemessen an der Tatsache, dass dieses aus Schweden stammende Konzept schon im vergangenen Jahr fleißig diskutiert worden ist und dass der Bedarf an Spiel- und Bewegungsflächen im hochverdichteten Stadtgebiet gerade in Corona-Zeiten stark zugenommen hat, ist das ein eher bescheidener, nicht wirklich ehrgeiziger Auftakt. Der öde Parkplatz nahe der Schlachthof-Einfahrt wandelt sich bereits den dritten Sommer mit Rollrasen, Sitzgelegenheiten, Büchertauschregalen und Hochbeeten zur "Piazza Zenetti" - nun hat der autofreie Treff für die Nachbarschaft halt noch das Etikett "Sommerstraße" aufgepappt bekommen. Wann der Straßenabschnitt der Ehrengutstraße zwischen Dreimühlenstraße und Isartalstraße (Roecklplatz) den Fußgängern überlassen wird, ist sogar noch offen. Denn die Straße im Zentrum des Dreimühlenviertels ist eine Durchgangsstraße für den Fahrradverkehr, dieser soll auch nicht behindert werden. Die Prüfung laufe noch, es gebe noch kein Ergebnis, teilte das Referat für Stadtplanung mit.

Die Westenriederstraße war bereits vor Corona als mögliche Sommerstraße auserkoren und sollte ursprünglich im Sommer 2021 zur temporären Fußgängerzone werden. Da die ruhige Nebenstraße kaum Durchgangsverkehr sieht, dafür aber zahlreiche Läden, Lokale, Hotels und nicht zuletzt den Viktualienmarkt erschließt, war die Komplettsperrung kurzfristig nun nicht umsetzbar. Stattdessen ist der westliche, 165 Meter lange Abschnitt zwischen Frauenstraße und Radlsteg seit Samstag bis zum 30. September als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen. Lieferverkehr und Pkw von Hotelgästen sowie Radler dürfen durch. Fahrbahnverschwenkungen durch Pflanzkübel sollen dabei das Tempo drosseln und die gegenseitige Rücksichtnahme erleichtern. Elf Parkplätze fallen weg. Eine Handvoll Gastronomen erhält erweiterte Freischankflächen, zusätzlich hat die Stadt eigene Sitzgelegenheiten aufgestellt.

Vielleicht aber kommt der große Wurf noch. Viele Bezirksausschüsse haben dem Planungsreferat zahlreiche Sommerstraßen-Wünsche zugeleitet, deren Umsetzbarkeit nun sukzessive geprüft wird. Vielleicht also wird es noch Hochsommerstraßen, Spätsommerstraßen oder gar Frühherbststraßen geben.

In Neuhausen soll die zweimonatige Sperrung der Südlichen Auffahrtsallee auch ein Testlauf werden für ein weit ambitionierteres Ziel. Denn am liebsten würden die Stadtviertelpolitiker diesen von Nymphenburger Schlosskanal und Grünwaldpark gesäumten Abschnitt ganz sperren, ihn dem Park zuschlagen. Ihre lange Runde durch ein halbes Dutzend Ämter und Dienststellen hat diese Idee bereits gedreht, Fazit des Planungsreferats: Kann man machen, wenn man den Wegfall von 55 Parkplätzen, die zum Lizenzgebiet Rotkreuzplatz-Nord gehören, in Kauf nimmt. Für die gewünschte dauerhafte Entsiegelung und Begrünung dieses Straßenzugs gibt es allerdings kaum Chancen: Die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung hat darauf hingewiesen, dass der Kanal samt der beiden ihn säumenden Linden-Alleen Teil eines Denkmal-Ensembles ist. Je stärker die Bürger diese Sommerstraße also annehmen, den Raum erobern, desto größer wohl die Aussicht auf eine Realisierung der dauerhaften Sperrung. Der Bezirksausschuss hat eigens eine kleine Arbeitsgruppe gegründet, die den Sommer über Programmangebote sammeln soll, um mehr Leben auf die Südliche Auffahrtsallee zu bringen. 4000 Euro aus seinem Budget stellt er dafür zur Verfügung (Kontakt unter sommerstrasse@ba09.de).

© SZ vom 29.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: