SZ-Serie: Bühne? Frei!:Der große Selbstbetrug

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Sophia Süßmilch, geboren 1983 in Dachau, hat an den Kunstakademien in München und Wien studiert. Sie war Schülerin von Kiki Smith und wurde mit verschiedenen bayerischen Kunstförderpreisen ausgezeichnet. (Foto: Sophia Süßmilch)

Kultur-Lockdown, Tag 100: Pandemische Gedanken­gänge einer Malerin

Gastbeitrag von Sophia Süßmilch

36 folgenreiche pandemische Gedankengänge, nach deren Selbstbetrug sortiert, in absteigender Reihenfolge:

1. Du kannst ja vorsichtshalber mal vier Stück Torte vom Café Schuntner holen, vielleicht kommt ja Besuch. 2. Wenn du jetzt richtig reinhaust und arbeitest, arbeitest, arbeitest, während alle anderen Pause machen, dann hast du danach einen riesigen Vorsprung. 3. Wenn sich jetzt auf meine Grunddepression noch eine Pandemiedepression drauf setzt, dann kommt zur sozialen Isolation noch Social Distancing dazu, also alles quasi im Quadrat, vielleicht explodiert endlich mein Gehirn. 4. Positiv ist ja, dass ich jetzt viel mehr Zeit zum Malen hab. 5. Wer hätte gedacht, dass ich in Jogginghose und XL Shirts so cute aussehe. 6. Ich lass' mich nicht gehen, das heißt self care. 7. Zoom ist fantastisch, man muss nirgends mehr hingehen, um Zeug zu besprechen, das sowieso keinen interessiert, und hat so viel Zeit gewonnen. 8. Pizza Hawaii. 9. Lasagne. 10. Die Art Cologne findet statt. 11. 37 Flaschen Valdobbiadene Prosecco von Aldi sind das liebevollste und nützlichste Geschenk, das ich je zum Geburtstag bekommen habe.

12. Crisis? What crisis? 13. Ich kann nicht mehr. 14. Mir gehen die Ideen aus. 15. Der Peak an Crazyness ist definitiv erreicht. 16. Die Schuhe gönn' ich mir jetzt einfach, die kann ich ja bestimmt bald wieder anziehen. 17. Sonst zieh ich sie halt zuhause an. 18. Man möchte schließlich FÜR MICH SELBST schön aussehen. 19. Valium. 20. Ich kann schließlich auch mal was ohne meine Therapeutin entscheiden. 20. Sich selbst zu betrügen, bringt schließlich nix. 21. Kopfschmerzen können schließlich nicht ewig anhalten. 22. Ich mache es mir an Weihnachten einfach allein zu Hause so richtig gemütlich, das wird total schön. 23. Sex wird überbewertet.

24. Vielleicht sollte ich doch ein Kind kriegen, dann bin ich nie wieder allein 25. Vielleicht sollte ich nach Berlin ziehen. 26. Wenn der Wien-vermissen-Schmerz zu groß wird, dann könnten wir in Niederbayern über die grüne Grenze gehen, und die Nouchka holt uns irgendwo mit dem Auto ab. 26. Ey Alter, ein Lungenvirus, welchen Wink vom Schicksal braucht es noch, um mit dem Rauchen aufzuhören. 27. Ach, ich mach es morgen wieder. 28. Wenn Pariser Blau von Goya grad nicht mehr geliefert werden kann, dann misch ich mir das einfach selbst aus Pigmenten, kann ja nicht so schwer sein. 29. Es ist eh alles schon so egal, ich sag denen jetzt mal so richtig meine Meinung.

30. Ein Lebensgefühl wie eine Mischung aus YOLO und Groundhog Day ist eigentlich ganz lustig 31. Ich kann jetzt ganz zu mir selbst kommen und gestärkt aus dem Ganzen hervorgehen. 32. Endlich Ruhe. 33. Nur weil ich den Fernseher kaufe, heißt das nicht, dass das der Anfang vom Ende meiner Beziehung ist. 34. Schlimmer als die "Tim Mälzer Kochshow"-Phase können Valentins Fernsehobsessionen nicht werden. 35. Schlimmer als die "Bares für Rares"-Phase können Valentins Fernsehobsessionen nicht werden. 36. Ich arbeite doch nicht umsonst, niemals, bin ich bescheuert oder was?

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© SZ vom 09.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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