Kultur, Politik und Bier:Kleines Viertel mit großer Geschichte

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Ein neues Buch illustriert, wie die Maxvorstadt zu einem zentralen Bestandteil Münchens geworden ist - und wie sie sich wandelt

Von Alfred Dürr

Die Gerüste vor dem Arri-Kino wurden gerade beseitigt, drei neue Filmsäle sind in dem Komplex an der Türkenstraße entstanden. Vorbei ist es mit den Bauaktivitäten in der Nähe aber längst noch nicht. Nachbarhäuser bekommen erweiterte Dachgeschosse, Abrisspläne für einige Immobilien gibt es bereits, Neubauten sind am Entstehen. Die Türkenstraße verändert sich. Nicht ohne Grund hat der Bezirksausschuss gefordert, diese traditionsreiche Meile auf ihrer ganzen Länge unter Ensembleschutz zu stellen. Der Druck nicht nur auf diese Gegend hat zugenommen. Die Maxvorstadt mit ihren bedeutenden historischen Bauten und dem großen Angebot an Kunst und Kultur zeigt auch eine Schattenseite: Hier zu leben ist ein knappes und teures Gut geworden, Werkstätten in Hinterhöfen wandelten sich zu Luxuswohnungen.

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(Foto: Dorit Wess, Sven Eichhorn)

Bilder eines Viertels: Karolinenplatz,...

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(Foto: privat)

Brauerei Sedlmayr,...

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(Foto: privat)

... und die Alte Pinakothek nach dem Zweiten Weltkrieg.

Was aber macht die Attraktivität dieses Viertels aus, wo liegen die Besonderheiten seiner Geschichte, seiner Architektur, seiner Kultur, der sozialen Einrichtungen und Wirtschaft? Reinhard Bauer, Historiker und SPD-Kommunalpolitiker, zeichnet zusammen mit der Autorin Kathrin Schirmer in dem Buch "Maxvorstadt im Wandel der Zeit" ein Porträt des Stadtbezirks zwischen Georgenstraße, Englischem Garten, Brienner Straße, Arnulfstraße und Dachauer Straße.

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(Foto: Dorit Wess, Sven Eichhorn)

GeorgElser-Platz...

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(Foto: Dorit Wess, Sven Eichhorn)

...und Schellingstraße.

Auf ausführliche Detailarbeit und eine umfangreiche Wiedergabe vorhandener Literaturquellen haben die Verfasser verzichtet. Die einzelnen Texte sind eher knapp gehalten, wollen dabei aber auch nicht oberflächlich sein, sondern die wesentlichen Informationen zu Orten, Bauten oder Institutionen vermitteln. Viele aktuelle und historische Bilder und Fotos sowie eine ansprechende grafische Gestaltung sorgen für Auflockerung.

Beschränkung sei nötig gewesen, sagte Reinhard Bauer bei der Vorstellung des Buches in der Antikensammlung am Königsplatz. Gerade diesen zentralen Platz in der Maxvorstadt verbindet Bauer auch mit persönlichen Erinnerungen als Beobachter einer Veranstaltung. 1968 sei es dem damaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) gelungen, mehr als 10 000 vorwiegend junge und aufgebrachte Teilnehmer einer Protestveranstaltung im Zusammenhang mit den Studentenunruhen mit sachlicher Argumenten zu beruhigen.

Der durch die Olympischen Spiele 1972 ausgelöste Entwicklungsschub für München bedeutete auch einen Attraktivitätszuwachs für die Maxvorstadt. Historische Bauten wurden renoviert, die neue U-Bahn sorgte für eine Verkehrsentlastung. Der Kampf gegen die Zweckentfremdung von Wohnungen begann, Höfe wurden begrünt, Leopoldpark und Finanzgarten blieben unbebaut und dienen den Bürgern nun als Erholungszonen.

In den vergangenen Jahrzehnten erlebte die Maxvorstadt eine weitere deutliche Aufwertung. Auf ehemaligen Gewerbearealen, wie zum Beispiel von Löwenbräu an der Nymphenburger Straße, entstanden moderne Wohnquartiere. Der Freistaat errichtete die Pinakothek der Moderne und die Sammlung Brandhorst auf dem Areal der ehemaligen Türkenkaserne. Bald danach entstand gegenüber der Alten Pinakothek der Komplex für die Film-Hochschule und das Ägyptische Museum. Das Lenbachhaus wurde generalsaniert und erweitert, in der Nachbarschaft entstand das neue NS-Dokumentationszentrum.

Es sind aber nicht nur diese - oft heiß diskutierten - Großbauten, die den Charakter der Maxvorstadt ausmachen. "Gerade die kleinen Galerien oder Unternehmen tragen dazu bei, dass es hier schön und lebendig ist", sagt Kathrin Schirmer. Sie greift zum Beispiel "Le cabinet japonais" heraus. Der Inhaber dieser Galerie an der Barer Straße gehöre weltweit zu den führenden Händlern für japanische Farbholzschnitte. Oder die Galerie Biró an der Zieblandstraße, die Münchens Ruf als Vorreiter zeitgenössischen Schmucks stärkte. Was für eine anregende und interessante Szene es abseits der großen Bühnen in der Stadt gibt, soll das Beispiel des Theaters "theater...und so fort" verdeutlichen. Vor zwei Jahren ging die Spielstätte an der Kurfürstenstraße durch einen Wasser- und Asbestschaden verloren. Nun sucht der Leiter eine neue Bühne. Im kommenden Jahr soll das Ensemble wieder spielen können.

Kunst und Kultur - aber auch Bier und Immobilien bestimmen die Maxvorstadt. Dafür steht die Geschichte der Sedlmayr Grund und Immobilien AG. Die Familie Sedlmayr prägte mehr als zwei Jahrhunderte die Geschichte der Spaten-Brauerei. Heute gehört das Unternehmen zu den größten Immobilienbesitzern der Stadt.

Maxvorstadt im Wandel der Zeit. Wikommedia Verlag/Bavarica Verlag Olching und München 2018, 176 Seiten, 19,90 Euro

© SZ vom 15.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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